Immanuel Kant. Der Klagenfurter Herbert-Kreis
Im Herbertstöckl am St. Veiterring des Industriellen Franz Paul von Herbert (1759-1811) und dessen Schwester Maria (1769-1803) wurden in den 1790er Jahren Kants Schriften von aufgeklärten Männern wie Frauen aus Klagenfurt intensiv gelesen. Es war das intellektuelle Zentrum der Kärntner Aufklärung.
Österreichische, deutsche und dänische Gelehrte waren im Salon des neu adaptierten Hauses zu Gast und führten lebhafte Debatten. Die Korrespondenzen gingen bis nach Königsberg.

Herbertstöckl von Norden, Lithographie, 1830er Jahre, Eduard Ritter von Moro
(1790-1846).
Leihgabe Dr. Götz Boyneburg

Franz Paul von Herbert und seine Gattin Maria Antonia zu Glaunach und Katzenstein (1763-1842).
Leihgabe Dr. Götz Boyneburg

Wappen: Ritterdiplom 1715, Freiherrendiplom 1765 verliehen;
Leihgabe Kärntner Landesarchiv

Maria von Herbert (1769-1803), Abbildung aus:
Ortner, Max (1863-1938): Franz Paul Freiherr von Herbert. In: Donauland: Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst. Kempten, München: Kösel. Bd.4.1920, S. 144.
Signatur der UB Klagenfurt: ES II 25345

Ortner, Max, 1863-1938. Fotografie.
Pionier der Kant-Forschung in Österreich.
Direktor der Studienbibliothek 1898-1922, der Vorgängerin der heutigen Universitätsbibliothek.
Signatur der UB Klagenfurt: ES III 616267

Kant, Immanuel, 1724-1804:
Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte und Beurtheilung der Beweise derer sich Herr von Leibnitz und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedienet haben: nebst einigen vorhergehenden Betrachtungen welche die Kraft der Körper überhaupt betreffen / durch Immanuel Kant. Königsberg, 1746
Erstausgabe.
Titelblatt und Vorrede.
Signatur der UB Klagenfurt: ES I 2098.
Die niedrige Zahl im Nummernteil der Signatur weist darauf hin, dass dieses Objekt bereits sehr früh im Bestand der Bibliothek war. Das exakte Erwerbsjahr lässt sich nicht ermitteln. Die Einträge im Inventar lassen aber auf eine zeitgenössische Erwerbung schließen: es gibt in diesem Abschnitt keine Werke mit deutlich späterem Erscheinungsjahr.
Das Gestionsprotokoll der k.k. Bibliothek 1784-1841 (UB Klagenfurt, Signatur: AR III 15155,1) belegt für die Zeit immer wieder Verordnungen, wie mit „verbothenen Büchern“ umzugehen sei: sie sind in den Bestand aufzunehmen, dürfen aber nur von einem ausgewählten Personenkreis benutzt werden:
Verordnung der Stadthauptmannschaft Klagenfurt vom 30ten Juni 1802:
„Verbothene Bücher, wie zb Voltaire, Rousseau, Helvetius ets. werden bei Kassationsstrafe des Bibliothekärs herzugeben untersagt. Doch haben Professoren ein Recht, solche zu benutzen.“

Kant, Immanuel, 1724-1804:
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft / vorgestellt von Immanuel Kant. Königsberg: bey Friedrich Nicolovius, 1793.
Titelblatt und Eigentumsvermerke der Vorbesitzer
Signatur der UB Klagenfurt: PO I 557035; Vorbesitz: Karl Popper
Der Bleiweißfabrikant Herbert unternahm ausgedehnte philosophische Studienreisen von Jena bis Neapel und lernte dabei zahlreiche Aufklärer und Kantianer persönlich kennen:
Der Kant-Interpret Carl Leonhard Reinhold war der wichtigste österreichische Philosoph der Aufklärung, der durch seine Briefe über die kantische Philosopie (1786–87) und später als Professor in Jena sowohl zur Verbreitung der kantischen Philosophie beitrug als auch ein prägender Akteur des deutschen Idealismus war. Sein Buch Ueber das Fundament des philosophischen Wissens (1791) widmete er seinem Freund Franz Paul von Herbert, der in Jena seine Vorlesungen besucht hatte.

Reinhold, Karl Leonhard, 1758-1823:
Über das Fundament des philosophischen Wissens nebst einigen Erläuterung über die Theorie des Vorstellungsvermögens : nebst einigen Erläuterung / von C.L. Reinhold. – Jena : bey Johann Michael Mauke, 1791.
Titelblatt. Widmung an Herbert
Signatur der UB Klagenfurt: ES I 20256
Der Dichter Friedrich Schiller und der Revolutionstheoretiker Johann Benjamin Erhard wurden zu engen Freunden Herberts, als wohlhabender Unternehmer unterstützte er Friedrich Schiller mit regelmäßigen Geldsendungen.
Herberts Begeisterung für Aufklärung, Revolution und eine verdächtige Nähe zu den Jakobinern riefen aber bald Zensur und Bespitzelung des Herbert-Kreises auf den Plan. Jahrelang stand Herbert unter polizeilicher Beobachtung. Im Jahr 1795 fand im Herbertstöckl eine Hausdurchsuchung statt, bei der unter anderem ein Brief von Friedrich Schiller beschlagnahmt wurde.

Schiller-Brief.
Leihgabe Kärntner Landesarchiv
Insbesondere der Kontakt mit Jens Baggesen (1764–1826) und Johann Benjamin Erhard (1766–1827), der im selben Jahr eine Abhandlung Ueber das Recht des Volks zu einer Revolution veröffentlicht hatte, waren für Franz Paul von Herbert politisch belastend.
Damit war „selbstdenkerische“ Freiheit im Salon massiv eingeschränkt. Die politischen Umwälzungen nach den napoleonischen Kriegen brachten den revolutionären Traum endgültig zum Platzen und das Aus für den Herbert-Kreis.
Depression und Krankheiten in der Familie folgten. Maria von Herbert schied 1803 freiwillig aus dem Leben, Franz Paul folgte ihr 1811.

Correspondenzkarte Wegscheider Stöckl. Klagenfurt / St. Martin. Um 1910.
Ehemaliges Stücker-Stöckl, von Maria von Herbert 1802 erworben und bis zu ihrem Tode bewohnt.
Leihgabe Kärntner Landesarchiv

Inventarium… Güterverzeichnis nach Maria von Herbert. 1804
Verlassenschaftsinventar.
Leihgabe Kärntner Landesarchiv
Transkription:
Der Kant-Interpret Carl Leonhard Reinhold war der wichtigste österreichische Philosoph der Aufklärung, der durch seine Briefe über die kantische Philosophie (1786–87) und später als Professor in Jena sowohl zur Verbreitung der kantischen Philosophie beitrug als auch ein prägender Akteur des deutschen Idealismus war. Sein Buch Ueber das Fundament des philosophischen Wissens (1791) widmete er seinem Freund Franz Paul von Herbert, der in Jena seine Vorlesungen besucht hatte.

Abschiedsbrief von Franz Paul Herbert an seinen Sohn.
Leihgabe Kärntner Landesarchiv
Transkription Textanfang:
Triest, den 25 Feb[ruar] [1]811
Liebster Sohn
Nach viellen Tagen des schwersten Leidens bin ich heute im Stand dir dein
Schreiben vom 8ten Feb zu beantworten.
Mir erscheint selbst der Fall immer möglicher, daß dir die Rückzallung des
Kollerischen Capitals leichter fallen wird, als ich vermuthete, dann es nun sogar
möglich daß es Cabinets Politick wäre von den Banco Zetl Werth so lange zu
profitiren, als es in der Gewalt der Regirung ligt diesem Papir einen Credit zu
geben, was durch die neue Steuer, und durch den Konkurs manches Stadtsgutes
möglich wäre…
Vortrag Prof. Werner Sauer, Universität Graz:
Kostbarkeiten: Herbertkreis Vortrag Prof. Sauer
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