Radikalisieren sich sozial Ausgeschlossene eher?

Luisa Afra Malin Mahr beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit sozialer Exklusion und Radikalisierung. Dafür wurde sie nun mit dem Würdigungspreis des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet.

„Ich wollte der Frage nachgehen, warum soziale Exklusion dazu beitragen kann, dass Menschen anfälliger für Radikalisierung werden“, erklärt uns Luisa Mahr. Dafür hat sie bestimmte Gruppenprozesse unter die Lupe genommen und untersucht, ob sie das Bindeglied sein könnten, das dafür verantwortlich ist, dass die betroffenen Menschen für radikalere Einstellungen anfällig sind.

Um der Frage nachzugehen, hat sie ein Laborexperiment durchgeführt, in dem die Teilnehmenden entweder sozial eingebunden oder ausgeschlossen wurden. Anschließend wurde allen eine Gruppe bereitgestellt, der sie sich zugehörig fühlen konnten und Einstellungen bezüglich dieser Gruppe abgefragt. Dabei bediente sie sich des Konzepts der so genannten Minimalgruppe: Die Gruppe existiert nur im Kopf der Versuchspersonen, ist also rein kognitiv. Dabei habe sich gezeigt, dass es schon ausreiche, den Menschen zu sagen, sie gehörten einer bestimmten Gruppe an. Dafür könnten auch ganz banale Merkmale herangezogen werden, zum Beispiel das Interesse an bestimmten Künstler*innen. „Die Gruppenprozesse wurden erhoben und dann abgefragt, inwiefern die Menschen bereit wären, im Namen einer Tierschutzorganisation Sachschäden zu begehen oder Menschen zu verletzen, also radikale Handlungen zu setzen“, führt Luisa Mahr dazu aus.

Das Ergebnis: „Menschen, die vorher ausgeschlossen wurden, waren eher dazu bereit, radikale Einstellungen zu übernehmen“, so Mahr. Das Beispiel wählte sie deshalb so, weil Tierschutz grundsätzlich gesellschaftlich anerkannt ist. Es können also Deckeneffekte verhindert werden , die bei geläufigen terroristischen Gruppen beispielsweise vorhanden wären. Terrorismus definiert sich weniger über den speziellen thematischen Inhalt, sondern über eine bestimmte strategische Form der Gewaltandrohung und -ausübung. Mahr führt weiter dazu aus: „Soziale Exklusion macht für bestimmte Gruppenprozesse anfälliger, aber es wäre vereinfacht zu sagen, alle radikalisierten Menschen wurden vorher ausgeschlossen.“

Luisa Afra Malin Mahr kam aus Augsburg an die Universität Klagenfurt. Das Interesse an Psychologie entstand schon während ihrer Schulzeit. Nach dem Abitur folgte ein freiwilliges soziales Jahr in einer Psychiatrie. Während sie zu Studienbeginn noch davon ausging, in der klinischen Psychologie zu landen, lernte sie im Laufe der Jahre die Vielfalt der Psychologie kennen: „Ich hatte noch gar keine Vorstellung von Sozialpsychologie, aber bald stellte ich fest: Da gibt es viele interessante Fragestellungen.“

Aktuell ist Luisa Mahr an der Abteilung für Sozialpsychologie am Institut für Psychologie angestellt und hat nun vier Jahre Zeit, um als Universitätsassistentin an ihrer Dissertation zu arbeiten. Dabei wird sie untersuchen, ob wir Verbrechen unterschiedlich wahrnehmen, je nachdem, welcher Gruppe Opfer oder Täter*in angehören, wobei sie auf Ethnien bzw. Nationalität fokussieren wird.

Auf ein paar Worte mit … Luisa Afra Malin Mahr

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin wären?

Wahrscheinlich Psychotherapeutin, auch da erfährt man viel über Menschen und menschliches Interagieren.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?

Thematisch auf jeden Fall

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?

Kaffee trinken und Emails lesen

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?

Kommt immer drauf an, woran ich gerade arbeite.

Was bringt Sie in Rage?

Ungerechtigkeiten, was Menschen sich untereinander und anderen Lebewesen antun können.

Und was beruhigt Sie?

Dass es immer auch viele Menschen geben wird, die füreinander einstehen. Und für alltägliche Probleme der Gedanke, dass wir ein verschwindend winziger Punkt im Universum sind, das rückt vieles ins richtige Verhältnis.

Wer ist für Sie die*der größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?

Den*die größte Wissenschaftler*in auszuwählen finde ich schwierig, da gibt es zu viele. Inspirierend finde ich aktuell Katie Bouman, die gemeinsam mit anderen an der graphischen Darstellung des schwarzen Lochs beteiligt war. Man merkt ihr einfach an, wie viel Begeisterung sie für ihr Fach in sich trägt.

Wofür schämen Sie sich?

Für zu viel, aber dann kann ich ja immer an das Universum und die winzig kleine Erde darin denken.

Wovor fürchten Sie sich?

Vor Schicksalsschlägen

Worauf freuen Sie sich?

Auf den neuen Lebensabschnitt