Der Zukunftsberechner

Unter welchen Umständen kann man mit Hilfe der Mathematik errechnen, wie viele und welche Tiere wo leben werden, wie sich Viren verbreiten und wie groß unsere Wirtschaftsleistung morgen sein wird? Christian Aarset hat mathematische Modelle entwickelt, die eine solche Berechnung der Zukunft ermöglichen sollen. Kürzlich hat er seine Dissertation, betreut von Christian Pötzsche, abgeschlossen. 

„Stellen Sie sich eine Insel vor, auf der ein paar Tiere leben. Sie wollen nun wissen, wie viele Tiere dort im nächsten und übernächsten Jahr, und in unbestimmter Zukunft, leben werden“, erklärt Christian Aarset, der in den letzten vier Jahren als Universitätsassistent an der Universität Klagenfurt tätig war, das Grundproblem seiner Dissertation. Nun lässt sich dieses „einfache“ Problem mit relativ simplen Formeln per Hand berechnen. Ganz so einfach ist die Natur allerdings nicht: Wenn man nun nicht nur auf die Anzahl der Tiere achten möchte, sondern auch deren Verteilung und räumliche Verbreitung mitberücksichtigen will, wird es komplizierter. Gibt es beispielsweise Unterschiede für die zukünftige Population, wenn die Tiere im Inselinneren oder an den Küsten leben? Was bewirken mehr oder weniger Futter, oder heißeres oder kälteres Klima? Christian Aarset hat für seine PhD-Thesis ein theoretisches mathematisches Modell gebaut, mit dem sich solche dynamischen Systeme berechnen lassen. Ziel war es, die Komplexität so zu fassen, dass letztlich ein Blick in die Zukunft per mathematischer Glaskugel möglich wird, mit verständlichen Aussagen zu dem Problem. Während seine Arbeit als Mathematiker eine Theoretische ist, hat er mögliche Anwendungen immer im Blick: So lassen sich seine Erkenntnisse für die Berechnung ökologischer und ökonomischer Probleme nutzen.

Wenn man nun mit Hilfe mathematischer Methoden in die Zukunft von Tierpopulationen blicken kann, kann man dies auch auf die Verbreitung von Viren übertragen? Wir fragen bei Christian Aarset nach und erfahren, dass er in den letzten Monaten auch immer wieder versucht hat, die Zukunft der Corona-Pandemie zu errechnen. Das Problem dabei: „Man kann am Computer alles berechnen, und dann aus dem Fenster schauen und erkennen: Die Welt ist eine andere.“ Das Verhalten der Menschen sei in diesen Zeiten schwer vorherzusehen, dementsprechend schwierig sind auch alle Versuche, der unklaren pandemischen Situation per Mathematik Herr zu werden. Von unschätzbarem Wert seien daher jene Simulationen, die von Mathematiker*innen bisher schon erfolgreich angestellt wurden und die trotz komplexer Herausforderungen dennoch zu präzisen Ergebnissen kommen. Problematisch sei auch das Fehlen einer genauen Datenbasis, wie Aarset erläutert: „Die meisten Berechnungen zur Ausbreitung der Pandemie hängen stark von der Qualität der Daten ab. Wenn man ganz genau wüsste, wie viele Menschen gerade infiziert sind, könnte man präziser rechnen. Unser Wissen ist aber winzig, und die Fehler, die sich ergeben, umso größer.“

Seine eigene Zukunft hat Christian Aarset schon seit Volksschultagen fest im Blick: Er, der immer schon lieber mit dem Taschenrechner als mit dem Fußball gespielt hat, hat sich schon in frühen Kindheitszeiten dafür entschieden, dass er einmal als Mathematiker in der akademischen Welt reüssieren möchte. Im Sommer wird er nun mit einem abgeschlossenen Doktoratsstudium Klagenfurt verlassen, um dann an der Universität Bergen eine Postdoc-Stelle anzutreten. „Ich hatte großes Glück, obwohl ich – als Mathematiker – gar nicht an Glück glaube“, erzählt er uns. An seiner neuen Stelle wird er an ähnlichen mathematischen Problemen weiterarbeiten: „Der Fokus liegt darauf, wie sich Gene in der Population aller Lebewesen verbreiten. Also: Wie viele Lebewesen haben rote Haare, wie viele haben schwarze Haare? Wie viele haben Flügel, wie viele haben Flossen? Solche Probleme wollen wir modellieren, und ich hoffe, mit meinen bisherigen Techniken etwas beitragen zu können, aber auch viel Neues zu lernen.“ In Österreich hat Christian Aarset in den vergangenen vier Jahren „nicht nur viel über Mathematik gelernt.“ Zu Beginn empfand er die Freundlichkeit und Herzlichkeit am Institut für Mathematik fast als befremdlich, mittlerweile hat er sich an die „österreichische Nähe“ gewöhnt. Aber alles hat seine Vor- und Nachteile: „Wir als Norweger sind allein aufgrund unserer kulturellen Prägung besser in social distancing“, gibt er schmunzelnd zu bedenken.

Auf ein paar Worte mit … Christian Aarset

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?

Meine Verwandten sagen oft, ich könnte in einem Kindergarten arbeiten, weil ich immer freiwillig mit ihren Kindern spiele. Und manchmal sagen sie, ich wäre auch ein bisschen kindisch.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?

Ich denke, sie verstehen die Grundmotivation meiner Arbeit, aber die theoretischen Details sind vielleicht ein wenig zu technisch, um sie am Frühstückstisch zu diskutieren.

Was machen Sie im Büro morgens als erstes?

Nichts! Ich bin eine Nachteule und komme oft erst rund um Mittag im Büro an. Ich verlasse es dann oft erst während der Nachtstunden.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an die Arbeit zu denken?

Selten, obwohl ich das Urlauben übe. Entspannung ist sehr wichtig, weil man dann danach besser arbeiten kann!

Was bringt Sie in Rage?

Nichts. Ich bevorzuge es, ruhig zu bleiben und Probleme friedvoll zu lösen.

Und was beruhigt Sie?

Spaziergänge den Lendkanal entlang.

Wer ist für Sie der „größte“ Wissenschaftler bzw. die „größte“ Wissenschaftlerin der Geschichte und warum?

Als ich jung war war, habe ich Niels Henrik Abel immer bewundert, er ist einer der wenigen berühmten Norwegischen Mathematiker. Er hat gezeigt, dass Polynome fünfter Ordnung generell nicht gelöst werden können. Es ist recht einfach zu zeigen, dass etwas möglich ist, aber zu zeigen, dass etwas unmöglich ist, ist sehr schwierig.

Wofür schämen Sie sich?

Nach vier Jahren in Österreich komme ich noch immer mit sie/er/es durcheinander.

Wovor fürchten Sie sich?

Den Hitzetod des Universums. Kurzfristiger gesehen stellen die Ausdehnung und die eventuelle Explosion der Sonne eine echte Bedrohung für alles Leben in unserem Sonnensystem dar.

Worauf freuen Sie sich?

Den Geruch des Ozeans! Bergen ist eine Küstenstadt, was eine salzige Meeresbrise und viel frischen Fisch verheißt.

Mathematik studieren in Klagenfurt

Mathematik durchdringt auf vielen Ebenen unser Alltagsleben und ist eine Schlüsseltechnologie der Zukunft. Wir bieten folgende Studien in Klagenfurt an: