Wir und die Anderen: Wo und in welcher Form wird Differenz sichtbar?

Woher wissen wir überhaupt, dass wir ein „Wir“ sind und die Anderen anders? Wie werden solche Zuordnungen in Bildern und gesellschaftlichen Praktiken sichtbar und was machen wir daraus? Anna Schober und Brigitte Hipfl haben einen Sammelband zu diesen Fragen herausgebracht, in dem die Beziehung zu denjenigen, die wir als „Andere“ oder „Fremde“ bezeichnen, untersucht wird.

Ferdinand de Saussure hat Ende der 1960er Jahre festgestellt, dass die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens nicht dem Zeichen innewohnt, sondern sich erst dadurch herausstellt, wie sich das Zeichen von anderen unterscheidet. Diese Grundidee liegt dem Buch „Wir und die Anderen“ von Anna Schober (Professorin für Visuelle Kultur) und Brigitte Hipfl (außerordentliche Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft) zugrunde. Die Herausgeberinnen gehen davon aus, dass für den Umgang miteinander, und der dabei erfolgenden Konstituierung von Anders- und Fremdsein, „Bilder, Imaginationen, Wahrnehmungen und Projektionen sowie soziale Praktiken und deren sichtbare Inszenierung eine zentrale Rolle spielen.“ Weiters würden die oft ambivalenten Effekte, die visuelle Gestaltungen und Aufführungen in sozialen und politischen Räumen nach sich ziehen, von großer Bedeutung sein.

Die Herausgeberinnen sehen drei Muster, wie Eigenes und Fremdes bzw. Selbst und Anderes zum Ausdruck kommen: Erstens wird der, die oder das Andere an der Grenze zur Zivilisation angesiedelt. In dieser Betrachtungsweise wird das Andere nicht nur als „ganz“ anders, sondern auch visuell erfahrbar meist als geringer wertig wahrgenommen. Ein anderes Muster besteht darin, dass die, der oder das Andere zu einer Art „Ersatzselbst“ bzw. Spiegel wird. Es kommt zu einem „Bastelei“ der eigenen Identität durch die Aufnahme von Fremdem und Neuem. Die dritte Möglichkeit, die laut den Herausgeberinnen zuletzt besonders große wissenschaftliche und künstlerische Beachtung gefunden hat, besteht darin, dass der, die oder das Andere als „Zwischengestalt oder Figur des Dritten“ fungiert. Diese kann zwischen ganz diversen Sichtweisen und emotionalen Antworten mit Hilfe der ambivalenten Position vermitteln.

Die Autor*innen des Sammelbandes nehmen in Fallstudien visuelle Medien und Inszenierungsweisen, Blickregime und Praktiken des Visuellen sowie die darüber entstehenden Erscheinungsformen von Subjektivität und Kollektivität in den Blick. Zur Sprache kommen Medien wie Film, Fotografie, Pressebilder, Bildende Kunst, Theateraufführungen, Werbung und visuelle Populär- und Produktkultur.

Anna Schober & Brigitte Hipfl (Hrsg.) (2021). Wir und die Anderen. Visuelle Kultur zwischen Aneignung und Ausgrenzung. Klagenfurter Beiträge zur Visuellen Kultur, Bd. 7. Köln: Herbert von Halem Verlag.

mit Beiträgen von:

Erec Gellautz, Alice Pechriggl, Simone Egger, Klaudija Sabo, Angela Fabris, Jörg Helbig, Isabell Koinig, Martin Erian, Vaia Doudaki, Nico Carpentier, Ina Paul-Horn, Gabriele C. Pfeiffer, Volker März, Brigitte Hipfl und Anna Schober