Was ist wirklich dringend? Warschau, Ljubljana und Klagenfurt auf dem Weg zu klimaneutralen Städten

100 Städte sind im Rahmen der EU-Cities-Mission Experimentier- und Innovationszentren, die den Weg eines Gerechten Wandels („Just Transition“) zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 einschlagen. Warschau, Ljubljana und Klagenfurt sind drei dieser Städte. Ein vom FWF gefördertes Projekt wird nun aus kulturanthropologischer Sicht fragen: Wie wird in den drei Städten Klimagerechtigkeit priorisiert und wie ergeht es anderen Dringlichkeiten wie mangelndem Geld, Sicherheit oder Gesundheit?

Die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels werden weltweit von Jahr zu Jahr stärker spürbar. Sie bedrohen Existenzen, verschärfen Konflikte und zwingen so Bevölkerung und Politik zum Umdenken. Die EU-Mission „100 Climate-neutral and Smart Cities by 2030“ hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur Vorbilder für klimaneutrale Städte zu schaffen, sondern dabei auch den Weg eines Gerechten Wandels zu gehen. „Der Übergang zur Klimaneutralität soll von Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit geprägt sein, damit niemand zurückgelassen wird“, so Alexandra Schwell, Professorin für Kulturanthropologie am Institut für Kulturanalyse, die das Projekt an der Universität Klagenfurt leitet.

Die drei Städte unterscheiden sich deutlich hinsichtlich ihrer Größe, administrativer und politischer Position, Budget, Klimabilanz und bisherigem Engagement in Klimafragen. Warschau sticht mit hervorragender Umweltpolitik hervor, Ljubljana hat ebenfalls grüne Auszeichnungen erhalten, verfügt aber über keinen strategischen Ansatz zum Klimawandel und Klagenfurt hat als einzige österreichische Teilnehmerin an der Mission bereits stark investiert, es fehlt aber häufig an Geld.

Um die Klimaziele zu erreichen, sind ehrgeizige und finanzintensive Projekte geplant, von der Dekarbonisierung der Busflotte bis zum Ausbau erneuerbarer Energien. Der Weg zu klimaneutralen Stadt ist allerdings nicht allein eine technologische und infrastrukturelle Maßnahme, sondern steht vor der komplexen Herausforderung, äußerst unterschiedliche Lebensbedingungen, soziale, kulturelle und ökonomische Asymmetrien sowie die Visionen und Erfahrungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen mit ihrem jeweils spezifischen Wissen zu berücksichtigen, um zukunftsfähige, gerechte und nachhaltige Lösungen für die Stadt der Zukunft zu finden.

„Wir wollen die Gelegenheit nutzen und anhand dieser drei Städte untersuchen, wie EU-Politik unter differierenden Ausgangsbedingungen auf die lokale Ebene übersetzt wird. Steht Klimagerechtigkeit an erster Stelle und wie geht man mit anderen dringlichen Problemen um? Was erzählen uns Dringlichkeiten über soziale Hierarchien, Machtverhältnisse und Ungleichheiten? Wie kann also die EU-Cities-Mission ihre Ziele erreichen und zugleich sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird?“, erklärt Alexandra Schwell. Zum Einsatz werden ethnographische Methoden kommen.

Das Projekt wird vom Wissenschaftsfonds FWF in Österreich gefördert. Teil des Verbundprojekts sind die Universität Warschau (Anna Horolets, Institut für Ethnologie und Kulturanthropologie) und ZRC SAZU Ljubljana (Saša Poljak Istenič).