Bessere Schlafdiagnostik mit maschinellem Lernen

Wer unter anhaltenden Schlafproblemen leidet, fürchtet häufig den Gang zum Schlaflabor. Die verkabelte Nacht und die anschließende Auswertung der Schlafdaten per Hand von einem Experten oder einer Expertin sind kompliziert und umständlich. Mit Unterstützung von maschinellem Lernen will Shirin Riazy die Auswertung von Schlafdaten automatisieren. Im Rahmen ihrer Dissertation hat sie einen Algorithmus entwickelt, der diese Aufgabe nun bewältigen soll. 

Zum Interview treffen wir Shirin Riazy, gut ausgeschlafen am Vormittag, per WhatsApp-Videoanruf. Shirin Riazy lebt in Berlin und schließt derzeit ihr Doktorat an der Universität Klagenfurt, betreut durch Jürgen Pilz (Institut für Statistik), ab. Im dazu gehörenden Forschungsprojekt, das an der Universität Klagenfurt, der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und der Charité Berlin durchgeführt wurde, geht es um die Diagnose von Schlafstörungen.

Derzeit stellt die Elektroenzephalographie (EEG) – gemeinsam mit zahlreichen anderen Geräten – das essentielle Diagnosemittel für Erkrankungen des zentralen Nervensystems dar. Der Patient bzw. die Patientin wird mehr oder weniger von Kopf bis Fuß verkabelt. So werden über eine Nacht hinweg Daten zur Tiefe und zur Modalität des Schlafes erfasst. In der Folge muss nach der bisher konventionellen Methode eine ausgebildete Person diese Daten per Hand interpretieren und so zu einer Diagnose der Schlafproblematik kommen. Mit dem Projekt, an dem Shirin Riazy beteiligt war, will man mit Hilfe von Statistik und maschinellem Lernen einer Software beibringen, die Schlafdiagnostik zu vereinfachen. Im Projekt wurden die Messungen auf den Mastoid, einen Teil des Schläfenbeins unter dem Ohr, reduziert. Der von Shirin Riazy entwickelte Algorithmus kann nun ohne händische Nachbearbeitung von Menschen Vorhersagen darüber treffen, welches problematische Schlafverhalten bei den Patientinnen und Patienten vorliegt. Der Computer „erlernt“ hierfür die Klassifikation bestimmter Signalstrukturen anhand vorhandener Trainingsdaten.

Wir fragen, wie Shirin Riazy für dieses Thema nach Klagenfurt gefunden hat, und erfahren: Sie hat sich nach ihrem Masterstudium an der HTW beworben und ist dort auf einen Professor getroffen, der selbst sein Doktorat an der Universität Klagenfurt absolviert hat und noch in gutem Kontakt mit Jürgen Pilz stand. Mittlerweile ist die Dissertation eingereicht und beurteilt; das Rigorosum wird bald stattfinden. Shirin Riazy hat sich, so erzählt sie uns, immer schon in der Mathematik wohlgefühlt. Den Einfluss ihres Elternhauses – der Vater ist selbst Naturwissenschaftler – kann sie nur bedingt bestätigen. Sie findet es sehr schade, dass wenige junge Menschen den Weg in die Mathematik finden; dazu erklärt sie uns auch: „Den Satz: ‚Ich kann das einfach nicht‘ kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin überzeugt davon, dass jeder Mensch den Zugang zur Mathematik erlernen kann.“

Derzeit ist Shirin Riazy, die mittlerweile auch eine kleine Tochter hat, in einem nächsten wissenschaftlichen Projekt an der HTW Berlin tätig. Die Arbeit im wissenschaftlichen Umfeld empfindet sie nicht nur als inhaltlich bereichernd, sondern auch als praktikabel für das Leben mit kleinem Kind. Später, wenn das laufende Projekt abgeschlossen ist, will sie allerdings in die Wirtschaft wechseln. Mit einem optimistischen Strahlen fügt sie hinzu: „Momentan sind die Konditionen in unserem Bereich ja sehr gut.“ Ein Arbeitsmarkt, der auf Kräfte wie Shirin Riazy wartet, könnte vielleicht doch jene überzeugen, die noch hadern und sagen: „Ich kann das einfach nicht.“

 

Auf ein paar Worte mit … Shirin Riazy

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
Vermutlich hätte ich soziale Arbeit studiert und wäre als Koordinatorin/Supervisorin in ein Hospiz gegangen. Ich arbeite momentan ehrenamtlich in einem Hospiz und schätze die Arbeit dort sehr.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Leider verstehen sie nicht allzu viel davon, aber sie sind stets interessiert und bemüht.

Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
E-Mails lesen und Tee kochen.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Sicherlich. Aber ich muss zugeben, dass es ein paar Tage dauert, bis ich richtig im Urlaub angekommen bin.

Was bringt Sie in Rage?
Nicht vieles. Mit einer kleinen Tochter übt man sich in Geduld.

Und was beruhigt Sie?
Entspannte Familienzeit.

Wer ist für Sie die/der größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Um mir einen größten Wissenschaftler auszusuchen, kenne ich leider die anderen Naturwissenschaften zu schlecht. In der Mathematik halte ich Hilbert für einen der bedeutendsten Wissenschaftler. Er formulierte die 23. Hilbertschen Probleme (Millenium-Probleme), die die Mathematik des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst haben.

Wofür schämen Sie sich?
Für meinen unaufgeräumten Schreibtisch. 🙂

Wovor fürchten Sie sich?
Ich fürchte mich vor einem Anstieg nationalistisch geprägter politischer Strömungen in Europa.

Worauf freuen Sie sich?
Auf das Lächeln meiner Tochter jeden Morgen.

Mathematik studieren in Klagenfurt

An der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gibt es mehrere Möglichkeiten, Mathematik zu studieren. Zu den  eigenständigen Studienrichtungen zählen

Mehr