Internationale Tagung: Edition als Vermittlung

Wie wird ein Dokument für ein Publikum lesbar, also ein literarischer Text zum Buch, ein Notentext zur Partitur? Und wie interessiert man ein Publikum dafür? Die von Anke Bosse und Artur R. Boelderl vom Robert-Musil-Institut für Literaturforschung / Kärntner Literaturarchiv an der Universität Klagenfurt veranstaltete internationale Tagung stellt diese Frage unter dem Titel Edition als Vermittlung in den Mittelpunkt (21.-24. September 2022 im Hauptgebäude der Universität). Auftraggeber ist die renommierte Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition.

Das für ein Editionsvorhaben relevante Textverständnis hat sich im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts pluralisiert. „Es geht vom statischen, als Endprodukt verstandenen ‚idealen‘ Text bis zum dynamischen, in seiner genetischen Prozessualität abzubildenden Text, ja zur Darstellung von Schreibprozessen“, erläutert Anke Bosse, und Artur Boelderl ergänzt, dass sich damit die Edition vom Text auf durchaus verschiedene Kontexte hin öffnet: „Das editorische Augenmerk hat sich auf Fragen und Formen der Vermittlung verlagert.“ Dabei stehen Edition und Vermittlung in einem gewissen Spannungsverhältnis, das neuartige editorische Ansätze nutzt und sie vor allem digital und online für alle Interessierten zugänglich macht. Ein anschauliches Beispiel bietet die Fluid-Text-Edition, wie sie das Team um Paul Schacht, den Keynote-Speaker der Tagung aus den USA, von Henry David Thoreaus philosophischem Klassiker Walden (1854) – dem Vorbild aller „Aussteigerliteratur“ – auf der Webseite Digital Thoreau bereitstellt. Sie vermittelt nicht nur zwischen Autor/Herausgeber*innen und Leser*innen, sondern auch zwischen verschiedenen Versionen des Textes selbst: „Sie präsentiert den Text neu“, so Schacht, „wenn nicht sogar einen völlig neuen Text.“

Ausstellung im Rahmen der Tagung

Dass eine solche Fluidität schon am Ursprung des (vor allem literarischen) Textes selbst steht, unterstreicht die Ausstellung Werner Kofler: Vom Schreibtisch aus, die Elmar Lenhart vom Kärntner Literaturarchiv kuratiert und Peter Karlhuber gestaltet hat. Sie wird im Rahmen der Tagung am 21. September eröffnet (17:45 Uhr mit Stehempfang und Performance von Dietmar Pickl und Stefan Gfrerrer).

Der Kärntner Schriftsteller Werner Kofler (1947–2011), eine der markantesten literarischen Stimmen Österreichs, macht den Schreibtisch zum Beteiligten an seiner Literatur. Auf diesem profanen Möbelstück finden Bilder, Zeitungsberichte, Schallplatten und Filme zueinander, die der geniale Autor in seiner Literatur aufruft, persifliert und verfremdend montiert. „Kaum einer seiner Texte ist isoliert denkbar, ohne andere, die ihn umfluten“, schreibt Claudia Dürr, Mitherausgeberin der Kofler-Werkausgabe. Mit Materialien aus dem Nachlass unternimmt die Ausstellung den Versuch, einen Schreibprozess in Momenten festzuhalten und macht Verbindungen zu den Zeitdiskursen sichtbar. Drei große detailreiche Installationen aus Schreibtischteilen bannen den Augenblick des Schreibens und erzählen zugleich das Davor und das Danach. Der solcherart geöffnete Blick erfasst wichtige Teile des Kofler‘schen Werks und seiner Umgebung.

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Wolfgang Kofler | Foto: Hubert Sielecki

Werner Kofler | Foto: Hubert Sielecki