Einblick in die Lehre… 3 Fragen an Monika Kastner

Bildungsbenachteiligung und soziale Benachteiligung sind wichtige politische und gesellschaftliche Themen – und für Prof. Dr. Monika Kastner einer ihrer Forschungsschwerpunkte. In ihrer Lehrveranstaltung „Bildungsbe(nach)teiligung über die Lebensspanne: Perspektiven auf Ungleichheit und Beiträge zur Erhöhung von Teilhabe“ vermittelt sie Studierenden das nötige Instrumentarium, um damit verbundene Probleme und Prozesse zu verstehen und kritisch zu reflektieren.

Können Sie uns etwas Näheres zu Ihrer Lehrveranstaltung „Bildungsbe(nach)teiligung über die Lebensspanne: Perspektiven auf Ungleichheit und Beiträge zur Erhöhung von Teilhabe“ erzählen? Worum geht es dabei genau?

Ausgangspunkt für die inhaltliche Auseinandersetzung ist die Feststellung, dass Zugang zu und Teilhabe an Bildung in der Gesellschaft ungleich verteilt sind. Das mag auf den ersten Blick als unproblematisch erscheinen und könnte hingenommen werden. Jedoch lehren uns soziologische Wissensbestände beziehungsweise jene der Bildungsforschung, dass bestimmte Faktoren wie Geschlecht, Alter, soziale Herkunft und natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit sowie berufliche Positionierung zum ungleichen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten über die Lebensspanne beitragen und Zugangsbarrieren verursachen und Teilhabe einschränken oder gar verhindern. Lernen und Bildung sind also in gesellschaftliche Modernisierungsprozesse und in Strukturen sozialer Ungleichheit eingebettet.

Diese Lehrveranstaltung speist sich direkt aus meinen Forschungsschwerpunkten und ist in meinen aktuellen Forschungsprojekten und Publikationen widergespiegelt. An der Lehrveranstaltung freut mich besonders, dass die teilnehmenden Studierenden ein großes inhaltliches Interesse mitbringen und es sehr häufig vorkommt, dass Studierende bereits zivilgesellschaftlich oder beruflich in Handlungsfelder eingebunden sind, die im engeren oder auch im weiteren Sinne von Ideen sozialer Gerechtigkeit getragen sind. Pädagogik ist gerade kein wertneutrales Unterfangen, Hans-Christoph Koller folgend, und der Dialog mit den Studierenden zu kritisch-emanzipatorischer (Erwachsenen-)Bildungspraxis und (Erwachsenen-)Bildungsforschung ist für mich gleichermaßen anregend wie freudvoll.

Was wollen Sie Ihren Studierenden mitgeben?

Die Studierenden erarbeiteten sich das erforderliche Analyseinstrumentarium über ausgewählte Lektüre in Form angeleiteter Auseinandersetzung im Selbststudium und vertieften es im Rahmen der gemeinsamen Treffen. Zuerst widmeten wir uns kritisch-emanzipatorischen Theoriebeständen zu Bildung als Praxis der Freiheit, wie von Paolo Freire grundgelegt, und nahmen Konzepte sozialer Gerechtigkeit, wie zum Beispiel jenes von Nancy Fraser, in den Blick.

Danach wendeten wir uns bildungspolitischen Fragestellungen zu, wir analysierten das Lebenslange Lernen als politische Strategie und setzten uns kritisch-konstruktiv mit ihren pädagogischen Implikationen auseinander. Hierzu gehörten unter anderem Analysen von Menschenbildern, die in bildungspolitische und bildungspraktische Zielvorstellungen implizit oder explizit eingeschrieben sind und die es kritisch-konstruktiv zu reflektieren gilt. Folgend sollten die Studierenden nachvollziehen, wie sich Bildungsbeteiligung und Benachteiligung im Lichte von empirischen Daten und Studienergebnissen darstellen. Dies ist als Grundlage für die fachlich-wissenschaftliche Argumentation des Problems der Bildungsbenachteiligung unerlässlich.

Abschließend wurden von den Studierenden ausgewählte, bewährte oder innovative Maßnahmen und Projekte zur Förderung oder Erhöhung von Teilhabe an Erwachsenenbildung recherchiert und präsentiert. Die Beispiele stammten u.a. aus folgenden Handlungsfeldern: arbeitsorientierte Basisbildung, Bildungsangebote für Erwerbsarbeitslose, Migrantinnen/Migranten oder Frauen, Maßnahmen für NEET-Jugendliche und junge Erwachsene (Not in Education, Employment or Training) oder im Bereich Early School Leaving (ELS), Freiwilligenarbeit/Community Education, demokratiepolitische/gewerkschaftliche Bildung oder der Zweite Bildungsweg.

Warum ist Ihre LV gerade heute relevant?

Wir leben, Oskar Negt folgend, in einer Welt gesellschaftlicher Umbrüche und solidarische Handlungsweisen sind wesentliche Strategien, diesen Umbrüchen und den davon im Negativen betroffenen Menschen konstruktiv zu begegnen, und die gesellschaftlichen Verhältnisse aktiv zum Besseren zu verändern.

Bildung ist hierbei eine wesentliche Stellschraube. Es ist unerlässlich, dass wir als pädagogische Fachkräfte über ein Analyseinstrumentarium (Theoriebestände, Forschungsergebnisse) verfügen und die eigene Positionierung im Sinne der Werthaltungen geklärt haben, um Bildungsbenachteiligung und soziale Benachteiligung zu verstehen und in unserem bildungspraktischen und/oder bildungswissenschaftlichen Handeln zur Leitidee von Bildung für alle beizutragen.

Zur Person

Monika Kastner ist habilitierte Erziehungswissenschaftlerin und arbeitet als assoziierte Professorin am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung im Arbeitsbereich Erwachsenenbildung und berufliche Bildung. Sie ist Mitglied im Hochschuldidaktischen Beirat der Vizerektorin für Lehre, da ihr die Hochschullehre ein sehr wichtiges Anliegen ist.

In ihrer Forschung, die sich in ihrer forschungsgeleiteten Lehre wiederfindet, beschäftigen sie folgende Themen und Fragestellungen: Bildungsbenachteiligung und Bildungsbeteiligung über die Lebensspanne und Fragen sozialer Gerechtigkeit; Analyse und Gestaltung erwachsenengerechter Lernwelten und Lernkulturen, auch mit Bezug auf bildungsbenachteiligte Erwachsene (z. B. Grundkompetenzen/Basisbildungsbedarf); Analyse und Gestaltung des Zusammenhangs von Arbeit, Bildung und Lebenswelt, insbesondere mit Blick auf formal gering qualifizierte Erwachsene (z. B. Validierung nicht-formalen und informellen Lernens); pädagogische Lerntheorien wie beispielsweise das transformative Lernen sowie Ansätze partizipativer (Bildungs-)Forschung, d. h. also gemeinschaftliches Forschen mit erwachsenenpädagogischen Fachkräften und erwachsenen Lernenden.