Auf den Spuren der Reisekorrespondenz von Giovanni Comisso

Er war ein Schriftsteller, der viele literarische Spuren gelegt hat. Zu wenige Leser*innen sind ihm auf seinen sprachlichen Pfaden gefolgt, wie Giacomo Carlesso meint. Der Doktoratsstudent verfasst seine Dissertation im gemeinsamen Doktoratskolleg „Italian Studies“ an der Università Ca’Foscari Venezia und an der Universität Klagenfurt. Uns hat er erzählt, was ihn am Treviser Autor Giovanni Comisso fasziniert.

Giovanni Comisso gehört zu den Schriftstellern des 20. Jahrhunderts in Italien, die zwar von vielen anderen bedeutenden Autor*innen und Kritiker*innen gewürdigt wurden, deren Bücher aber selbst kaum verlegerischen Erfolg hatten und bisher wenig gelesen wurden. Comisso wurde 1895 in Treviso geboren und starb dort im Jahr 1969. Er nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, studierte Jus, war aber selbst nie als Anwalt tätig. Stattdessen war er bei zahlreichen großen italienischen Zeitungen wie Corriere della Sera, Gazzetta del Popolo und La Stampa als Journalist – vielfach reisend nach Nordeuropa, Afrika und in den Fernen Osten – tätig.

Gerade für die während seiner Reisen entstandenen Texte interessiert sich Giacomo Carlesso, Doktorand an der Università Ca’Foscari in Venedig, der seine Dissertation im gemeinsamen Doktoratskolleg „Italian Studies“ verfasst. „Ziel meines Projekts ist es, eine kommentierte Ausgabe der veröffentlichten und unveröffentlichten Reisekorresponenz von Giovanni Comisso zu erstellen“, erzählt er uns im Interview.

Mit seiner Arbeit möchte Giacomo Carlesso „einen kleinen Beitrag nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für das kulturelle Erbe der Region Veneto und Italiens leisten“. Giovanni Comisso sei für ihn ein wichtiger Künstler, dessen Wirken bisher noch wenig bekannt und zu wenig erforscht sei.

Comisso sei für ihn eine faszinierende Persönlichkeit, vor allem, was seinen Ruf als kurioser und schwieriger Schriftsteller betrifft. „In seinen Papieren herrschte große Unordnung. Er ging immer wieder Kooperationen mit Zeitungen und Zeitschriften ein. Seine Geschichten waren unstet. Er hat sie immer wieder umgeschrieben – und sie an mehreren Orten und in mehreren Versionen veröffentlicht.“ Diesem kreativen Durcheinander möchte Giacomo Carlesso – betreut von Alessandro Cinquegrani – in seiner Doktorarbeit auf die Spur gehen: „Ausgehend von den Briefen versuche ich, die mit den Reisen verbundenen biographischen und bibliographischen Aspekte zu klären und zu rekonstruieren. Das soll für eine erste umfassende Neuauslegung seines gesamten Werkes nützlich sein.“

Giacomo Carlesso hat vor seinem Doktoratsstudium (ebenfalls in Venedig) das Masterstudium in Italienischer Philologie und Literatur absolviert. Wir fragen ihn danach, warum es für ihn wichtig ist, sich mit Italianistik zu beschäftigen und erfahren: „Das Studium bietet die Möglichkeit, eigenes kritisches Denken zu entwickeln. Man lernt, Zusammenhänge zu verstehen und zu analysieren. Außerdem hat es mir mehr Verständnis über unser Inneres und das Innere der Menschen rund um uns herum vermittelt.“ Mit Blick auf die Zukunft bedeutet dies also für ihn: „Man ist nicht nur für einen Weg in Forschung und Lehre vorbereitet, sondern diese Kompetenzen werden mich mein Leben lang begleiten. Sie sind wertvoll für meine Zukunft.“

Auf ein paar Worte mit … Giacomo Carlesso



Was motiviert Sie, wissenschaftlich zu arbeiten?
Was mich motiviert ist zum einen die Leidenschaft und zum anderen der Wunsch, meinen eigenen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kultur wieder die zentrale Rolle bekommt, die sie in den letzten Jahrzehnten verloren hat.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Obwohl sie in einem ganz anderen Bereich arbeiten, sind sie beide mit dem Thema meines Studiums vertraut.

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Als Erstes räume ich meinen Schreibtisch auf. Die äußere Ordnung hilft der inneren.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Im Moment nicht, ich bin noch am Arbeiten.

Was bringt Sie in Rage?
Generell? Heuchelei

Und was beruhigt Sie?
Mich beruhigt es zu wissen, dass ich alles Mögliche getan habe, um ein Ziel zu erreichen.

Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?
Ich wüsste nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Ich habe ehrlich gesagt nie darüber nachgedacht. Ich denke, dass es in meinem Forschungsgebiet notwendig ist, große Ideen zu hinterfragen, anstatt zu fragen, wer der bessere Wissenschaftler war. Literaturkritik ist ein kontinuierlicher Austausch. Es sind die großen Ideen, die die Stärke einer Wissenschaftler*in bestimmen, und ohne sie würden wir keine neuen Generationen großer Wissenschaftler*innen haben.

Wovor fürchten Sie sich?
Ich habe Angst vor dem, was ich nicht kenne.

Worauf freuen Sie sich?
Da ich im Moment in Italien bin würde ich sagen: bald nach Klagenfurt zurückzukehren!