„Wir können nur bewerten, was wir wahrnehmen.“

Sternchen, Punkte und Ziffernnoten sind online allgegenwärtig. Bewertet wird – vor allem in den USA – alles, was zum Verkauf steht. Neben Produkten sind es auch Dienstleistungen, von der Anwältin bis hin zur Zweiradmechatronikerin, die online bewertet werden. Bernhard Guetz, der aktuell sein Doktorat im Doktoratsprogramm Health and Sustainability Communication and Management (HSCM), betreut von Sonja Bidmon (Abteilung für Marketing und Internationales Management), abschließt, interessiert sich für solche Bewertungen speziell im Gesundheitsbereich.

„Bewertungen erfreuen sich großer Beliebtheit, einerseits, weil wir uns gerne eine Entscheidungshilfe suchen, und andererseits, weil wir verstehen wollen, wie andere Menschen über Produkte und Dienstleistungen denken“, so Bernhard Guetz. Besonders interessant zu lesen seien dabei die schlechten Bewertungen, die oft auch humorvoll sind.

„Als ich mit der Arbeit an meiner Dissertation begann, hat es in Österreich noch keine Untersuchung zu österreichischen Arztbewertungsportalen gegeben. Daher habe ich mich auf diesen Bereich spezialisiert“, erzählt Bernhard Guetz weiter. Doch gibt es einen Unterschied, ob ich ein Restaurant auf Tripadvisor, ein Smartphone auf Amazon oder eine Ärztin auf Docfinder bewerte? Bernhard Guetz führt aus: „Als ich zu Beginn meiner Studien mit Ärzt:innen gesprochen habe, haben mir diese immer wieder geantwortet: ‚Was soll eine solche Plattform bringen? Patient:innen haben ja nicht Medizin studiert und können demnach ja auch nicht die Qualität einer medizinischen Leistung beurteilen?‘ Es hat lange gedauert, bis wir eine Antwort darauf gefunden haben: Dasselbe kann nämlich auch jeder Hersteller eines Produkts entgegnen: Meine Kund:innen wissen ja nicht, wie ein Smartphone gebaut wird.“ Für Bernhard Guetz zeigte sich dann aber bald, dass es die subjektive Wahrnehmung ist, die im Vordergrund steht: „Wir können nur bewerten, was wir selbst erleben und wahrnehmen. Wahrnehmung ist zwar kein objektiver Qualitätsmaßstab. Wie ich einen Arzt, seine Ordination oder seine Behandlung aber subjektiv wahrnehme, kann ich gut auf einer Plattform darstellen.“

Mittlerweile habe sich auch unter Ärzt:innen die Meinung zu Portalen wie Docfinder geändert: „Sie sehen das immer weniger als Bedrohung, sondern als Möglichkeit, sich nach außen zu präsentieren.“ In Österreich herrscht wie in vielen anderen mitteleuropäischen Ländern ein strenges Werbeverbot für medizinische Dienstleistungen. Arztbewertungsportale bieten da eine Möglichkeit, indirekt Werbung für die eigenen Angebote zu machen.

In seinen Studien hat sich Bernhard Guetz vor allem auf die Perspektive der Patient:innen fokussiert und sich gefragt: Welche Portale sind bekannt? Wie werden diese genutzt? Wie häufig werden sie verwendet? Dabei hat sich gezeigt, dass ein Großteil der Österreicher:innen solche Portale kennt und diese auch zur Entscheidungsfindung nutzt. Viele lesen diese Bewertungen, etwas weniger nutzen sie als Entscheidungshilfe und nur ganz wenige, also rund 10 Prozent der Nutzer:innen, verfassen selbst Bewertungen zu medizinischen Dienstleistungen. „Wir entscheiden uns also auf Basis der Ausführungen von ein paar wenigen Personen. Das ist aber nicht nur im Gesundheitssektor, sondern bei allen Bewertungen so“, fasst Bernhard Guetz zusammen. Unter den Bewerter:innen gebe es zwei Gruppen: Die Extrembewerter:innen schreiben nur über besonders Erfreuliches oder besonders Schlechtes, wohingegen die Selbstdarsteller:innen so gut wie immer eine Bewertung verfassen. „Betrachtet man diese beiden Gruppen, bilden die Selbstdarsteller:innen die breite Masse derjenigen, die bewerten“, so Bernhard Guetz.

Insgesamt wurden drei gemeinsam mit Sonja Bidmon verfasste Beiträge in Q1-gerankten wissenschaftlichen Fachjournals als Teil seiner Doktorarbeit veröffentlicht: In der ersten Studie hat sich das Forschungsteam gefragt, wie glaubwürdig Arztbewertungsportale sind. In der zweiten Studie standen dann die österreichischen Plattformen im Mittelpunkt. Die Analyse der Wirkungspfade von sozialem Einfluss auf die Bereitschaft zur Nutzung von Arztbewertungsportalen, war das Ziel der dritten Studie. Für Bernhard Guetz sind noch weitere Fragen offen, die sich mit dem bisher erarbeiteten Datenmaterial beantworten ließen, zum Beispiel: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Arztbewertungsportale weiterempfohlen werden? Welche alternativen Kanäle nutzt man, um sich eine Meinung zu einer medizinischen Dienstleistung zu bilden? Bernhard Guetz, der aktuell an der Fachhochschule Kärnten als Lecturer/Senior Researcher in den Bereichen Marketing & Business Development arbeitet, wird also die Forschung zu diesen Plattformen voraussichtlich auch nach Abschluss seines Doktorats an der Universität Klagenfurt nicht loslassen.

 

Publikationen



Guetz, B., & Bidmon, S. (2023). The Credibility of Physician Rating Websites: A Systematic Literature Review. Health Policy, 104821.

Guetz, B., & Bidmon, S. (2022). Awareness of and interaction with physician rating websites: A cross-sectional study in Austria. Plos one, 17(12), e0278510.

Guetz, B., & Bidmon, S. (2022). The Impact of Social Influence on the Intention to Use Physician Rating Websites: Moderated Mediation Analysis Using a Mixed Methods Approach. Journal of Medical Internet Research, 24(11), e37505.