Wie füllten Adelige in der Habsburgermonarchie ihre Kassen?
Geld und Reichtum fallen nicht vom Himmel, das galt schon für adelige Familien der Habsburgermonarchie. Die Untersuchungen von Veronika Hyden-Hanscho, Assistenzprofessorin am Institut für Geschichte, zeigen, wie strategisch der Adel beim Vermehren seines Hab und Guts vorging. Im Interview spricht sie über Einkommen, Management und ökonomisches Denken dieser Familien.
Wie kamen Adelige in der Habsburgermonarchie zu ihrem Reichtum?
Um das mit aktuellen Begrifflichkeiten auszudrücken: Sie hatten gute Strategien, wie sie ihr Einkommen generierten. Dass Strategien nötig waren, können wir daran erkennen, dass es auch unter Adeligen Konkursfälle gab. Die Grundlage für den Reichtum von Adeligen bildete immer der Grundbesitz.
Wie kamen sie zum Grundbesitz?
In der Regel war es so, dass eine Adelsfamilie aufgrund besonderer Verdienste vom Kaiser Grund verliehen bekam oder sie einfach kaufte. Je mehr Grundherrschaften oder Besitzungen eine Familie anhäufte, desto reicher war sie natürlich. Solche Grundherrschaften sind in der Habsburgermonarchie ganz unterschiedlich aufgebaut: Manchmal handelte es sich dabei nur um ein paar Grundstücke, aber auch ganze Dörfer waren im Besitz von Familien. Diese Gründe wurden dann an Bauern verliehen, die sie bearbeiteten. An die Grundherren mussten die Bauern Abgaben bezahlen. Dies stellte die Basis adeligen Einkommens dar.
Womit verdienten Adelige noch Geld?
Der Klassiker unter den adeligen Einnahmen neben der Güterverwaltung sind die öffentlichen Ämter. Auch hier ging man sehr strategisch vor: Es gab Ämter, die mit hohem Prestige und mit hohem Einkommen einher gingen. Nicht alle Ämter vereinten beides. Man konnte als Adeliger also ein gut bezahltes Amt ergattern; oder auch ein Amt annehmen, das nicht so gut bezahlt war, dafür aber hohes Prestige genoss und daher dazu verhelfen konnte, später wiederum andere Ämter oder Aufgaben zugesprochen zu bekommen. Soziale Anerkennung spielte auch damals schon eine große Rolle; sie war etwas wert. Man hoffte natürlich, dass sich dieser Wert später in Besitzungen oder Geldeinnahmen niederschlagen würde.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Eine Militärkarriere warf in der Regel nicht sonderlich viel Geld ab. Wenn ich dort aber besonders erfolgreich war oder mich durch außergewöhnliche Leistungen hervortat, hatte ich gute Chancen, entweder besser bezahlte Ämter zu erhalten oder – wenn etwas besonders Herausragendes passierte – später auch eine zusätzliche Grundherrschaft übertragen zu bekommen.
Gab es abseits davon auch noch weitere Einkommensquellen?
Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts gründeten einige Adelsfamilien die ersten protoindustriellen Betriebe. Sie waren also als Entrepreneur:innen tätig und gründeten Fabriksdörfer. Das waren noch keine maschinisierten Fabriken im „modernen“ Sinn des 19. Jahrhunderts, sondern vereinten eine Reihe an Gewerben und vergaben einfache Aufgaben über ein Verlagssystem in die Heimarbeit der Bevölkerung. Diese protoindustriellen Betriebe stellten eine Akkumulation von unterschiedlichen Gewerben dar, die auch schon arbeitsteilig arbeiteten, insbesondere im Bergbau oder der Textilbranche. Die Adeligen waren selbst in die Betriebe involviert; beispielsweise, in dem sie ihre Kontakte nutzten, um die Produkte bestmöglich zu vermarkten oder indem sie als Human-Resource-Manager:innen wussten, wen sie für ihre Betriebe bestmöglich anwerben konnten.
Gab es auch Adelige, die ihr Geld für sich arbeiten ließen?
Die Kreditvergabe war auch eine Einkommensquelle, die noch wenig bekannt ist. Adelige haben also Geld verliehen und so Zinsen lukriert. Schon im 16. Jahrhundert sehen wir solche Praktiken. Kreditnehmer waren nicht nur andere Adelige, sondern auch beispielsweise der Kaiser, der immer wieder Geld brauchte, um Kriege zu führen. Wenn nun eine Adelsfamilie einem Kaiser, der nicht flüssig war, mit einem Kredit aushalf, konnte es auch sein, dass Güter als Gegenleistung an die Adelsfamilie flossen.
Investierten die Adeligen auch in andere Unternehmungen?
Ja, es gab auch damals schon „Investoren“, die sich an Unternehmungen beteiligten. Verschiedene Investitionssparten wurden nicht unterschieden; konkret handelte es sich meist um einen einfachen Obligationsschein, der regelte, wer wem wie viel Geld zu welchen Konditionen lieh. Damit konnte man aber auch schon Anteile an Handelskompanien und Banken kaufen. Zum Beispiel gab es einige Adelige, die bei der Österreichischen Nationalbank, als sie 1811 gegründet wurde, investierten. Man konnte auch in die einzelnen Länder- und Ständevertretungen investieren. Das ergab ein riesiges Netzwerk an Kreditvergaben und Verbindlichkeiten.
Konnten auch Nicht-Adelige in dieser Form geschäftstüchtig werden?
Ja, es gab auch bürgerliche Schichten, die in diesen Feldern tätig waren. Im Gegensatz zum Adel hatten sie aber einen Nachteil: Sie hatten keine Grundherrschaften, die das Back-up für viele Businessaktivitäten darstellten. Einigen Bankiers und Inhaber von Handelshäusern gelang aber der Aufstieg: Sie wurden vom Kaiser in den Adelsstand erhoben, was es ihnen dann ermöglichte, als Teil des Herrenstandes Grundherrschaften und Grundstücke in größerem Ausmaß zu besitzen. Das Bankhaus Fries ist ein Beispiel dafür, oder auch die Fugger waren ursprünglich Kaufleute, die später in den Adelsstand erhoben wurden.
Welche Strategien waren bei den Adelsfamilien am häufigsten? Setzte man beim Einkommen auf ein Pferd oder auf mehrere?
Der Grundbesitz war immer die wichtigste Säule, daneben gab es aber zumindest eine weitere, meistens aber eher zwei Sparten, in denen die Adelsfamilie geschäftstüchtig war. Manche Familien haben sich auf die Protoindustrie spezialisiert, andere auf Ämterkarrieren, wiederum andere auf Kreditvergaben.
Sie beschäftigen sich in ihrem Habilitationsprojekt mit den Einkommensstrategien in der Habsburgermonarchie. Wie kam das und haben Sie einen bestimmten Fokus?
Ich habe schon in meinem Post-Doc-Projekt zu einer Adelsfamilie im Detail gearbeitet und suchte nach der Einzelfallstudie nun nach einem größeren Gesamtbild. Für das Habil-Projekt zu den Einkommensstrategien, die bisher noch relativ wenig erforscht sind, musste ich mich noch auf bestimmte Räume innerhalb der Habsburgermonarchie fokussieren; dafür habe ich neben Böhmen, Mähren und Niederösterreich dann Kärnten und einen Teil der österreichischen Niederlande, die im 18. Jahrhundert zur Habsburgermonarchie gehörten, gewählt. Kärnten war deshalb interessant, weil ich bei Stichproben in Adelsarchiven relativ rasch Hinweise fand, dass es hierzu gutes Material geben könnte. Für diese Arbeit wurde ich dann auch mit einem Elise-Richter-Stipendium durch den FWF unterstützt.
Können Sie aus Ihrer Arbeit heraus auch etwas über die gegenwärtigen Einkommensstrategien der Familien sagen, die ihre Wurzeln im Adel haben?
1848 wurden die Grundherrschaften, wie sie bis dahin existierten, aufgelöst. Alle Untertanen sind ab diesem Zeitpunkt keine Untertanen mehr. Die Bauern konnten sich mit der Unterstützung des Staates aus dem Herrschaftsverhältnis „herauskaufen“ und ihre eigenen Bauernhöfe marktwirtschaftlich bewirtschaften. Den Grundherren blieben dann häufig die so genannten Gutswirtschaften, die früher die Meierhöfe waren. Dazu gehörte der Gutshof mit den oft direkt angrenzenden Gründen und Wäldern. Es gibt natürlich regionale Unterschiede: So waren in Böhmen die Gutsherrschaften schon vor 1848 riesig. Zu einem Schloss gab es mehrere Meierhöfe, die viele Gründe bewirtschaftet haben, die direkt dem Grundherrn gehörten. Diese Betriebe waren auch nach 1848 noch groß und auch als landwirtschaftliche Betriebe relativ rentabel. In Kärnten hingegen waren die Grundherrschaften sehr kleinteilig, was ihre wirtschaftliche Attraktivität nach 1848 deutlich einschränkte. Da gab es auch Güter, die nicht mehr rentabel waren. Der Adel setzte auf Arrondierungen, also auf die Zusammenführung von Flächen, und auf die Forstwirtschaft. In dem Feld sind heute auch noch einige Familien wirtschaftlich stark. Dazu kommt noch, dass im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts viele Rechte des Adels aufgehoben wurden, wie beispielsweise Sonderregelungen beim Testierrecht, die eigentlich der Testierfreiheit widersprechen. Das stellte diese Familien vor zusätzliche Herausforderungen.
Zur Person
Veronika Hyden-Hanscho studierte Geschichte und Deutsche Philologie an der Universität Graz und an der Université de Poitiers. 2011 schloss sie ihr Doktoratsstudium im Rahmen des FWF-Projekts „Kulturtransfer vom Südatlantik nach Zentraleuropa, 1640-1740“ in Graz ab. Von 2011 bis 2013 arbeitete sie als ÖAD-Lektorin an der Uniwersytet Wrocławski (Breslau, Polen). Von 2013 bis 2023 war sie als Wissenschaftlerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Wien) tätig; zunächst im drittmittelfinanzierten Projekt „Das Haus Arenberg und die Habsburgermonarchie“, ab 2019 als Senior PostDoc und Elise-Richter-Stipendiatin im FWF-Projekt „Einkommen, Management und ökonomisches Denken“. Seit 2023 ist sie als PostDoc, seit 2025 als Assistenzprofessorin am Institut für Geschichte an der Universität Klagenfurt tätig.










aau/Müller

