Wie entscheiden wir?

„Alle Menschen entscheiden im Prinzip sehr ähnlich. Einzelne kognitive Prozesse sind aber unterschiedlich stark ausgeprägt“, erklärt uns Lars Reich, der als Psychologe im Doktoratskolleg DECIDE an seiner Dissertation arbeitet.

Der Psychologe Lars Reich modelliert menschliches Entscheidungsverhalten. Er versucht also herauszufinden, welche kognitiven Prozesse zu welchen Entscheidungen führen. Sein Ziel ist es, das Verhalten mathematisch abzubilden. Wir fragen uns an dieser Stelle: Lässt sich der Mensch und das, was er entscheidet, in mathematische Modelle fassen? Lars Reich klärt auf: „Wir untersuchten ganz spezielle Entscheidungen in einer künstlichen Laborsituation. Das sind zum Beispiel Wahrnehmungsentscheidungen, bei denen Menschen Punkte am Computer nach rechts und nach links fliegen sehen und wo dann abgefragt wird, wohin sich nach Wahrnehmung der Proband*innen mehr Punkte bewegt haben. Oder wir nutzen Präferenzentscheidungen wie ‚Was kochst du heute am Abend lieber – Schnitzel oder Auflauf?’“

„Wir wissen wenig darüber, wie eine Entscheidung entsteht“, erklärt uns Lars Reich weiter. „Nehmen wir als Beispiel die Frage: Welche Stadt hat mehr Einwohner*innen – Trier oder Klagenfurt? In der Regel präsentieren wir zu dieser Entscheidung gewisse Attribute wie ‚hat einen Flughafen‘ oder ‚hat eine Fußballmannschaften in der 1. Liga‘,  als zusätzliche Informationen für die Proband*innen. Nun ist spannend, wie die Proband*innen bei ihrer Entscheidung vorgehen: Manche nehmen das erstbeste Attribut, andere gewichten die Attribute nach Wichtigkeit“, erläutert Lars Reich. Im Rahmen seiner Forschung, nimmt er dabei an, dass wir, als Entscheider*in, Evidenz sammeln und diese bewerten. Wenn die Evidenz schließlich eine bestimmte Schwelle erreicht, treffen wir die Entscheidung.

Erkenntnisse, die durch kognitive Modellierung gewonnen werden können, sind zum Beispiel: „Man denkt, dass ältere Menschen langsamer Entscheidungen treffen, weil ihre physischen Ressourcen langsamer arbeiten. Aus den Modellen sehen wir aber: Sie akkumulieren mehr Evidenz, um sicherer in ihrer Entscheidung zu sein. Und das dauert länger.“

Obwohl seine Arbeit in der Grundlagenforschung angesiedelt ist, sieht Lars Reich auch gewisse Anwendungsfelder. Beispielsweise könnten Ansätze der kognitiven Modellierung im Rahmen der Früherkennung von Demenz eingesetzt werden.

Lars Reich entschied sich 2013, von Trier nach Klagenfurt zu kommen, um hier Psychologie zu studieren. Dem voran ging ein Studium der Elektrotechnik, bei dem Lars Reich bald merkte: „Im Technikstudium hat mir die menschliche Komponente gefehlt. Als dann die Psychologie folgte, hat mir die technische Komponente etwas gefehlt.“ Er erzählt uns, dass seine wissenschaftliche Arbeit im Doktoratskolleg DECIDE (Decision-Making in a digital environment) nun genau die richtige Mischung für ihn bereithalte. Bei seiner Dissertation wird er von Bartosz Gula und Stephan Dickert betreut.

Auf ein paar Worte mit … Lars Reich



Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?
Ich beschäftige mich gerne mit Zahlen, Logik und Tieren. Vielleicht hätte ich einen Beruf, der eins dieser Felder abdeckt.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Bis zu einem gewissen Grad natürlich schon!

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Ich starte den Computer, falls er nicht bereits an ist.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Jein. Manchmal kommen mir auch im Urlaub Gedanken, wie eine bestimmte Entscheidung erklärt werden könnte. Arbeit ist das zwar nicht, aber es kann meine Arbeit inspirieren.

Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?
Für mich ist Roger Ratcliff der größte Wissenschaftler. Meines Erachtens hat er es geschafft, die Entscheidungsmodellierung in der Psychologie populär zu machen.