Slawistik studieren: Wer würde Tolstoj und Dostojevski nicht gerne im Original lesen wollen?
Schon während ihrer Zeit am Gymnasium entschloss sich Jasmina Halavać dazu, den Sprachen treu zu bleiben. Nach dem Englisch- und Italienischunterricht sehnte sie sich nach mehr. So entschied sie sich nach dem Schulabschluss für ein Slawistik-Studium. Obwohl sie die bosnische Sprache bereits beherrschte, sagt sie: „Eine Sprache zu sprechen und sie zu erforschen, sind doch zwei verschiedene Paar Schuhe“. Im Studium fokussiert sie sich auf Russisch als Hauptsprache und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch als Nebensprachen, unter anderem, um herauszufinden, warum Bosnisch und Russisch sich so sehr ähneln.
Warum hast du dich dazu entschlossen zu studieren? Und wie hast du dich für unsere Uni entschieden?
Ich habe Wissenschaftler*innen und Autor*innen schon immer bewundert und mit dem Beginn eines Studiums sah ich eine Möglichkeit, einen Blick in die wissenschaftliche Welt zu werfen. Berufsmöglichkeiten hatte ich damals nicht im Sinn. Für mich war es schon immer klar, dass ich mich gerne weiterbilden möchte und so viel Wissen wie möglich erlangen will. Der richtige Job würde schon kommen. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass es die richtige Motivation war. Zurzeit übe ich zwei Nebentätigkeiten aus, die mit meinem Studium in Zusammenhang stehen und mir wirklich Spaß machen.
An der Universität Klagenfurt und in der Slawistik profitiert man von der überschaubaren Größe der Universität beziehungsweise des Instituts. Man wird während der Studienzeit sehr gut betreut und kann dieses Netzwerk für die berufliche Orientierung ebenfalls gut nutzen. Ich möchte auch die Forschungsschwerpunkte unserer Universität nicht unerwähnt lassen, die sich vom Angebot anderer Universitäten in Österreich unterscheiden: Sie sind einen Blick wert!
Wann und wie hast du herausgefunden, was du studieren willst?
Viele Schüler*innen sind am Ende ihrer Schulzeit wirklich überfordert mit der Wahl des Studiums. Bei mir war es auch nicht anders. Zwar wusste ich, dass ich mich mit Sprache beschäftigen wollte, doch in welcher Hinsicht und mit welcher Sprache genau, war mir noch unklar. Ich kannte einige Freund*innen, die Translationswissenschaften studierten, doch so richtig entschlossen war ich nicht. Hinzu kam auch, dass viele meiner Mitschüler*innen wirklich außergewöhnliche Studiengänge gewählt haben und ich somit ins Grübeln kam, ob ein geisteswissenschaftliches Studium das Richtige für mich ist. Doch ich habe meinem Bauchgefühl vertraut.
Und die Sprache? Diese habe ich tatsächlich ausgelost. Da ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich mich eher mit slawischen oder doch mit romanischen Sprachen beschäftigen wollte, habe ich in der letzten Woche vor der Anmeldefrist meine Familie Lose ziehen lassen. Mit einem knappen Sieg von 5:4 wurde es dann die Slawistik. Wenn ich heute darüber nachdenke, war diese Art der Entscheidung vielleicht sehr vage und nicht gerade die passendste, aber sie hat mich genau dort hingeführt, wo ich jetzt bin – in ein Studium, das mir Spaß macht und bereits viele schöne Erfahrungen gebracht hat.
Was machst du im Studium? Was lernt man und was gefällt dir dabei am besten?
Das Slawistikstudium ist sehr vielfältig und weit vom reinen Sprachenlernen entfernt! Zwar macht das Erlernen der Sprache einen großen Teil des Studiums aus, doch es erwarten dich viele weitere Bereiche, welche über das Sprachenlernen hinausgehen. Diese teilen sich in Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturkunde auf. In der Sprachwissenschaft beschäftigen wir uns mit der Sprache in all ihren Facetten. Dabei analysieren wir, woraus Sprache besteht, wie sie funktioniert und vieles mehr. Besonders für die eigenen Sprachkenntnisse ist die Sprachwissenschaft sehr wichtig und von großem Vorteil!
In der Literaturwissenschaft beschäftigen wir uns mit vielfältigen Werken, von Erzählungen und Romanen bis hin zu Songtexten. Dabei beleuchten wir nicht nur deren Machart und Sprache, sondern auch, welche Themen sie behandeln und die Art, wie sie über den Menschen und die Gesellschaft reflektieren. Im letzten Teil, der Kulturkunde, setzt man sich mit Geschichte und Geografie der slawischen Länder auseinander. Kurz gesagt: das Slawistikstudium ist ein „Allrounder“-Studium. Meine Liebe gilt aber der Sprachwissenschaft, da ich mich sehr für Forschungsbereiche wie Mehrsprachigkeit und slawische Aspektologie interessiere.
Was macht dein Studium für dich zu etwas Besonderem?
Meine Mitstudierenden und Lehrenden! Bei uns treffen Menschen aus verschiedenen kulturellen und sprachlichen Hintergründen aufeinander und das macht besonders das Sprachenlernen sehr interessant, da man direkt von dem Wissen und Können von Muttersprachler*innen profitieren kann und somit die Sprachen nicht nur „gelernt“, sondern auch gelebt werden! Man hat die Möglichkeit, über die eigenen sprachlichen Grenzen zu blicken. Und wer über Grenzen blickt, hat grenzenlose Möglichkeiten.
Welcher Moment wird dich immer an dein Studium hier erinnern?
Tatsächlich gibt es sehr viele Momente, die ich mit schönen Erinnerungen und einzigartigen Erfahrungen in Verbindung bringe. Doch wenn ich einen wählen müsste, so würde ich mich für die langen Nächte in der Bibliothek entscheiden. Das Lernen und Verfassen von Arbeiten in der Bibliothek gibt einem das Gefühl, sich in die richtige Richtung zu bewegen, sich bewusst weiterzubilden und die Zukunft so gestalten zu können, wie man es sich vorstellt und wünscht. Der Geruch von Büchern erinnert mich immer an diese langen Nächte.
Hast du Erfahrungen im Ausland gesammelt? Erzähle uns etwas darüber.
Vor der Pandemie hatte ich die Möglichkeit, eine Sommerschule in Russland zu besuchen. Dafür ging es für drei Wochen nach Sibirien in die wunderschöne Stadt Omsk. Bevor sich nun der Eine oder die Andere die Frage nach der sibirischen Kälte stellt – tatsächlich erreichen die Temperaturen im Sommer sogar +30 Grad!
Die Sommerschule war zwar auf den Spracherwerb ausgerichtet, doch uns wurden auch viele kulturelle Erlebnisse geboten. Die Professor*innen bemühten sich sehr, uns einen Einblick in die Geschichte der Stadt zu geben und natürlich unsere Russischkenntnisse aktiv zu fördern. Nach der Sommerschule hatte ich das Gefühl, die Sprache besser zu beherrschen, was mir in weiterer Folge viel für mein Studium brachte. Auslandsaufenthalte sind sehr zu empfehlen, da man einerseits die Sprache des Landes aktiv lernen kann und andererseits viele verschiedene Erfahrungen sammelt, welche man wohl nie vergessen wird! Sollte sich die Möglichkeit nochmal ergeben, so werde ich mich definitiv nochmals auf die Reise begeben.
Wo holst du dir an der Uni Hilfe, wenn du etwas brauchst oder mal nicht weiterweißt?
In meinem Studium wurde ich immer sehr gut von den Professor*innen der Slawistik unterstützt, die sich die Zeit für ihre Studierenden nehmen und gerne weiterhelfen und beraten. Das ist gerade bei der Planung der Studienzeit, Lehrveranstaltungen und Forschung sehr hilfreich. Auch die Studierenden helfen immer gerne weiter und man fühlt sich sehr gut aufgehoben. Außerdem ist man immer im Austausch mit den Lehrenden und Studierenden und gerade das erleichtert das Studium. Man ist nie allein und kann sich immer Hilfe holen. Das sind eben die positiven Seiten eines kleineren Instituts. Studierende sind nicht nur eine Zahl, sondern haben auch einen Namen und ein Gesicht!
Machst du noch etwas neben dem Studium? Lässt sich beides gut miteinander kombinieren?
Ich arbeite neben meinem Studium in einem Übersetzungsbüro, was sich gut vereinbaren lässt. Hinzu kommt auch meine Tätigkeit als Studienassistentin in der Slawistik. Zwar habe ich wohl einen etwas volleren Terminkalender als so manch anderer, aber weil sich die Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt, sondern mir Freude bereitet, mache ich das sehr gerne. Es bietet mir die Möglichkeit, einerseits meine Sprachkenntnisse zu erweitern und andererseits auch Erfahrungen in der Berufswelt zu sammeln. Besonders das Mitwirken bei diversen Projekten empfinde ich als sehr interessant. Man lernt nie aus und es gibt immer etwas Neues, was es zu entdecken gilt.
Hat sich dein Blick auf die Welt durch das Studium verändert?
Man glaubt gar nicht, wie sehr man sich selbst binnen von drei Jahren verändern kann. Man sieht die Welt mit anderen Augen, weil man plötzlich mit so vielen verschiedenen Perspektiven und Aspekten konfrontiert wird und fast keine andere Wahl hat, als das eigene Denken zu überdenken. Ich glaube aber auch, dass gerade dieser Perspektivenwechsel das Studieren so interessant macht. Man lernt, alles zu hinterfragen und sich seine eigene Meinung auf Basis von Erfahrungen und dem Gelernten zu bilden. Die Frage, ob sich mein Blick auf die Welt durch das Studium verändert hat, kann ich definitiv mit einem Ja beantworten.
Was ist dein Lieblingsplatz in Klagenfurt oder an der Uni Klagenfurt?
Der Lendhafen. Egal, ob man einen Spaziergang machen oder schnell mal einen Kaffee genießen will, man findet wirklich alles dort!
Worüber wärst du froh gewesen, wenn es dir jemand vor dem Studium erzählt hätte? Hättest du einen Tipp für alle, die gerade am Anfang stehen?
Es ist immer gut zu wissen, was man erwarten kann und wie andere etwas wahrnehmen. Besonders als zukünftige*r Studierende*r will man immer Bescheid wissen und bereits so viel wie es nur geht durchplanen. Dennoch ist es manchmal viel wichtiger, alles einfach auf sich zukommen zu lassen. Viele machen sich viel zu viele Sorgen und vergessen dabei, den Moment zu genießen und für alles offen zu sein. Tatsächlich ist das Unerwartete immer das, was einen weiterbringt und für die Zukunft viele Wege eröffnet. Also: Nicht zu viel stressen und die Dinge ihren Lauf nehmen lassen!
Wort-Rap
- Meine Lieblings-LV war… das Seminar zu Migrations- und Diasporaliteratur.
- Mein Studi-Leben ist… mal so, mal so. Aber immer mit neuen Herausforderungen gefüllt!
- Uni geht nicht ohne… Kaffee und großartige Menschen, die Freund*innen wurden.
- Mich motiviert… meine Familie.
- Mein Traumjob ist es… im wissenschaftlichen Bereich tätig zu sein.