Einblick in die Lehre… 3 Fragen an Markus Wenninger

Wer Geschichte studiert, lernt wie verschieden Menschen und Kulturen sein können. In Laufe des Studiums begegnen einem viele neue Welten und schult seinen „ethnologischen Blick“. Das Bachelorstudium der Geschichte vermittelt Studierenden Basiswissen in den vier geschichtlichen Schwerpunkten der Alten Geschichte, der Mittelalterlichen Geschichte, der Neueren Geschichte und der Zeitgeschichte. Um einen Einblick in die Lehre zu bekommen, haben wir mit Markus Wenninger über seine Lehrveranstaltung „Wohnen auf Burgen“ gesprochen.

Können Sie uns etwas Näheres zu Ihrer LV „Wohnen auf Burgen“ erzählen? Worum geht es dabei genau?

Der Bereich des Wohnens stellt einen wichtigen Ausschnitt aus der Alltagsgeschichte dar: Alle Menschen, selbst obdachlose, wohnen irgendwo und irgendwie. Im Zusammenhang mit Burgen verbindet sich die Frage des Wohnens mit unserem Bild von „der Burg“, das die meisten von uns schon seit Schulzeiten als Ensemble aus Turm oder Bergfried (für die letzte Verteidigung), Palas (Herrschaftshaus), Kemenate (Frauengemach) und Ringmauer kennen bzw. zu kennen glauben, bevölkert von Rittern und Knappen, den Frauen der Ritter mit ihren Burgfräuleins, und meistens noch einer kleineren oder größeren Zahl von Söldnern. Mit der ehemaligen Realität stimmen diese Vorstellungen nur sehr bedingt überein. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen waren Burgen kein statisches Element, das irgendwann auf einen Berg gestellt und in der Folge nicht mehr verändert wurde, sondern sie waren aufgrund von sich ändernden Bedürfnissen, technischen Möglichkeiten, Moden und wirtschaftlichen Verhältnissen einem ständigen Wandel unterworfen, der natürlich auch die Wohnverhältnisse betraf. So entwickelte sich so etwas wie ein privater Rückzugsort in einem eigenen Raum auch für die Herrschaft erst im Lauf der Zeit. Zudem gab es neben großen Burgen mit viel Gesinde und entsprechenden Nebengebäuden sehr viele „Burgen“, die zeit ihres Lebens nie über das Stadium eines bloßen Turms hinauskamen und nur vom Burgherrn und seiner Familie bewohnt waren. Daraus ergaben sich für die jeweiligen Burgherren und ihre Familien sehr unterschiedliche Wohnmöglichkeiten. In der LV ging es darüber hinaus auch um die Frage, wo und wie das Gesinde wohnte, wie sich Heizungen (vom offenen Feuer zum Kachelofen) und Beleuchtungsmöglichkeiten (Fenster!) im Lauf der Zeit änderten, wie die Räume eingerichtet waren, ihre Ver- und Entsorgung (Wasser, Toiletten) und ähnliche Fragen mehr.

Finden sich Parallelen zwischen dem Wohnen auf Burgen und dem Wohnen heute?

Das kommt darauf an, von welcher Burg und welchen Bewohnern einer Burg und von welcher Zeit wir reden. Es gab kleine, nur von einer Herrschaftsfamilie bewohnte Wohntürme, die nur zwei übereinander liegende Wohnräume von je 8-9 m2 enthielten, davon einer mit einem offenen Kamin beheizbar. Und es gab Großburgen mit allen Annehmlichkeiten inklusive Badestube, seit dem 15. Jahrhundert mit großen Glasfenstern, Lustgarten und vielem mehr. Mehrheitlich lagen die Verhältnisse irgendwo dazwischen. Parallelen zwischen dem damaligen Wohnen auf Burgen und modernem heutigen Wohnen gibt es sicher, aber auch wesentliche Unterschiede. Die herrschaftlichen(!) Bewohner einer Durchschnittsburg würden vermutlich den Komfort einer heutigen Villa in Bezug auf Heizung, Wasserversorgung und künstliches Licht zu schätzen wissen, sie würden sich über die vielen Möbel wundern, ebenso über die vielen Privatzimmer und den für ihre Begriffe viel zu kleinen Repräsentationsbereich, und sie würden die einzelnen Räume wegen ihrer geringen Höhe und Fläche trotz der relativ großen Fenster möglicherweise als beengend empfinden. Vermutlich würden sie den freien Blick in die Landschaft durch die großen Fenster genießen, aber wegen des Fehlens einer ordentlichen Umfassungsmauer hätten sie vielleicht gleichzeitig ein Gefühl der Unsicherheit und wären lieber in einem der bewachten Reichen-Ghettos, wie wir sie in den USA und anderswo kennen. Ganz anders sah die Wohnsituation freilich für die Mehrzahl des Gesindes aus, weil sie nach heutigen Begriffen nicht einmal Substandard erreichte (das ist aber nicht auf mittelalterliche Burgen begrenzt, sondern betraf bis in das 20. Jahrhundert einen großen Teil des Gesindes).

Was interessiert Sie besonders an dieser Thematik?

Kurz gesagt das gleiche, das mich an vielen historischen Themen interessiert: Wie hat man – bzw. die Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit – damals gelebt? Welche Probleme hatten sie und welche Lösungen haben sie dafür gefunden? Und was hatte es für Folgen, wenn sie keine oder keine ausreichenden Lösungen gefunden haben?

Zur Person

Markus J. Wenninger ist ein österreichischer Historiker, der vornehmlich die Geschichte des Mittelalters erforscht. Nach der Matura an der HTL Linz (Fachrichtung Elektrotechnik) studierte Markus J. Wenninger Geschichte und Germanistik in Salzburg, wo er 1977 promovierte, und in Wien. 1978 wurde er Assistent am Institut für Geschichte an der Universität Klagenfurt, Abteilung Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaft, 1983 Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Er habilitierte sich 2004 in Klagenfurt für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften.


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