Wenn Patient*innen ihre Therapeut*innen testen

Jennifer Kadur arbeitet in der psychotherapeutischen Prozessforschung und untersucht im Rahmen dessen spezielle Sequenzen, in denen die Patient*innen ihre Therapeut*innen – bewusst oder unbewusst – auf die Probe stellen.

Steht er wirklich auf meiner Seite, oder hintergeht er mich? Ist die Beziehung zu ihr stabil, oder möchte sie mich auch nur loswerden? Dies sind häufig Gedanken, die bewusst oder unbewusst bei Patient*innen in psychotherapeutischer Behandlung gegenüber ihrer Therapeutin oder ihrem Therapeuten auftreten. Die in den USA begründete Control-Mastery-Theorie beschäftigt sich mit diesen „Testsituationen“, die in therapeutischen Beziehungen häufig auftreten. „Patient*innen haben aufgrund von schlimmen oder traumatischen Erfahrungen in der Kindheit oft pathogene Überzeugungen entwickelt, wie die Welt und die Personen um sie herum agieren. Diese Haltung bringen sie in die Therapie mit. Hin und wieder kommt es dann zum ‚Testen‘, unbewusst oder bewusst“, erklärt uns Jennifer Kadur, die in der Forschungsgruppe von Sylke Andreas an der Abteilung für Klinische Psychologie als Universitätsassistentin forscht und ihre Dissertation verfasst.

Wie können nun Therapeut*innen in solchen Situationen agieren? „Das Ziel ist es, dass die Therapeutin anders agiert als der Patient das aus seinen schlechten Erfahrungen mit seinen Bezugspersonen kennt. Die Patient*innen machen so neue gute Erfahrungen, welche die alten schlechten Erlebnisse ersetzen“, so Jennifer Kadur weiter. Was die Therapeut*innen konkret in solchen Situationen tun, ist noch nicht ganz erforscht. Jennifer Kadur möchte mit ihrer Dissertation diese Forschungslücke schließen.

Dabei kann sie schon auf vorhandenes Datenmaterial zurückgreifen. In der Münchner Psychotherapiestudie haben sich vor rund 20 Jahren rund 100 Patient*innen bereit erklärt, dass ihre Psychotherapiesitzungen aufgezeichnet und für Forschungszwecke bereitgestellt werden. Jennifer Kadur sichtet das Material mit verschiedenen Codiersystemen und analysiert die – oft auch nur sehr kleinen und unscheinbaren – „Test“-Sequenzen.

Aktuell arbeitet Jennifer Kadur an den letzten zwei Artikeln, die demnächst fertiggestellt sein und ihre Dissertation abschließen sollen. Gleichzeitig absolviert Kadur ihre Psychotherapieausbildung und bietet als Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision bereits psychologische Unterstützung an. Sie kam 2008 von Bayern nach Kärnten, um hier Psychologie zu studieren. „Die Arbeit mit Menschen im Allgemeinen und speziell mit psychischen Störungen und Problemen war schon immer mein Wunsch“, erzählt sie uns. Nach der anschließenden Ausbildung zur Klinischen und Gesundheitspsychologin begleitete Jennifer Kadur für einige Jahre psychisch erkrankte Personen bei ihrer beruflichen Rehabilitation. Seit 2017 ist sie an der Universität Klagenfurt tätig: „Die praktische Arbeit mit Menschen und meine Forschungsinhalte ergänzen sich super. Ich kann so viele Perspektiven einbringen.“

Auf ein paar Worte mit … Jennifer Kadur



Was motiviert Sie, wissenschaftlich zu arbeiten?
Ich finde es grundsätzlich sehr wichtig und interessant zu wissen, wie und warum Dinge funktionieren. Gerade in der Psychotherapieforschung halte ich es für besonders wichtig, die häufig nicht direkt sichtbaren Wirkmechanismen empirisch zu untersuchen und zu belegen, um in der klinischen Praxis bestmögliche Behandlungen anbieten zu können.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ja, ich denke schon. Da ich nicht die einzige Psychologin und Wissenschaftlerin im engeren Familienkreis bin, verstehen sie gut, was es heißt zu forschen und können auch meine konkreten Themen nachvollziehen.

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Um erfrischt und motiviert in den Tag zu starten, lasse ich als Erstes frische Luft ins Büro und mache mir eine Tasse Tee.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ja, Auszeit vom Arbeitsalltag ist mir wichtig, um anschließend wieder erholt und konzentriert arbeiten zu können. Und dieses Abschalten funktioniert zum Glück meist gut.

Und was beruhigt Sie?
Sport und Kontakt zu lieben Personen können mich sehr gut beruhigen.

Wovor fürchten Sie sich?
Eigentlich wenig. Mit einem erneuten Lockdown wäre ich allerdings nicht sehr glücklich.

Worauf freuen Sie sich?
Auf ein Semester mit Präsenz-Lehre und wieder unbeschwert Sozialkontakte genießen zu können ohne schlechtes Gefühl im Hinterkopf.