Nathalie Zechner | Foto: KK

Schwerhörigkeit & Studium: „Das funktioniert.“

Nathalie Zechner, Senior Scientist am Zentrum für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation, ist schwerhörig und hat an der Universität Klagenfurt das Bachelorstudium der Erziehungs- und Bildungswissenschaft und das Masterstudium der Sozial- und Integrationspädagogik abgeschlossen. Dabei hat sie so manche Hürde überwunden und viel Wissen über ein Studium mit Schwerhörigkeit gesammelt. Dieses gibt sie gerne weiter.

Nathalie Zechner war zwei Jahre alt, als ihre Mutter einen Topf fallen ließ und bemerkte, dass ihr am Boden sitzendes Kleinkind nicht darauf reagierte. Die Untersuchungen brachten dann das Ergebnis: Nathalie Zechner ist hochgradig schwerhörig. Sie erhielt ein Hörgerät und war ab dann über acht Jahre hinweg dreimal in der Woche bei einer Logopädin, die mit ihr das Hören übte und ihre Sprachentwicklung unterstützte. Mit diesem Weg hatte sie Glück: „Erkennt man die Schwerhörigkeit früh und kann bereits im Kleinkindalter mit dem Üben beginnen, bleiben die späteren Einschränkungen im Rahmen“, erklärt Nathalie Zechner.

Mit 23 Jahren kam sie von Wien nach Klagenfurt, der schönen Landschaft wegen. Sie begann hier zu studieren und suchte nach Unterstützungsmöglichkeiten für schwerhörige Studierende. Sie kam zum damaligen Leiter des Zentrums für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation Franz Dotter, der ihr weiterhalf und – später – dann auch eine Stelle anbot.

Heute ist Nathalie Zechner an diesem Zentrum für den Schwerhörigenbereich tätig. Sie wirkt an Forschungsprojekten mit und unterstützt schwerhörige Studierende. Uns erzählt sie von einer Studentin, die ihre Schwerhörigkeit gegenüber den Lehrveranstaltungsleiterinnen und -leitern nicht ansprechen wollte – und sich so mehr schlecht als recht mit schlechten Noten durchschlug. „Ich möchte junge Menschen aber dazu motivieren, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und zu sagen, was sie brauchen, um erfolgreich studieren zu können. Hilfreich können Mitschriften sein, technische Unterstützungen, die das Gesprochene des Vortragenden direkt in das Hörgerät des Betroffenen übertragen, aber auch individuelle Lösungen, wenn Prüfungen eher schriftlich als mündlich erfolgen sollen.“

In Österreich gibt es rund 1,7 Millionen Schwerhörige, die meisten davon sind von Altersschwerhörigkeit betroffen. Vielen ergeht es aber wie Nathalie Zechner und sie sind von Kindesbeinen an schwerhörig. Andere erleiden im Laufe ihres Lebens Krankheiten oder Unfälle, die eine Beeinträchtigung des Hörapparats zur Folge haben.

Trotz der Tatsache, dass viele betroffen sind, sei unsere Gesellschaft schlecht auf die Bedürfnisse von Schwerhörigen vorbereitet, erläutert Nathalie Zechner. „Viele wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen“, führt sie aus. Ein Problem ist dabei: „Schwerhörigkeit ist unsichtbar.“ Es liegt an den Betroffenen, täglich aufs Neue einzufordern, was an Unterstützung nötig ist. Das sei anstrengend, so Zechner.

Nathalie Zechner hat einen Weg gefunden, wie sie positiv durchs Leben kommt. „Dazu braucht es eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein. Ich mache das Beste aus meiner Situation. Wenn ich jemanden nicht verstehe, bleibe ich hart, bis ein Weg gefunden wird. Es gibt immer eine Lösung. Man darf nur nicht aufgeben.“ Wer gerne mehr darüber erfahren möchte, wie es Schwerhörigen ergeht und wie man professionell und erfolgreich damit umgeht, ist zu ihrer aktuellen Lehrveranstaltung mit dem Titel „Schwerhörig! Erfolgreicher Umgang mit schwerhörigen Menschen“ eingeladen. (Hier geht’s zur Anmeldung)

Auf ein paar Worte mit … Nathalie Zechner

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Senior Scientist geworden wären?
Mein Kindheitstraum war es, Balletttänzerin zu werden. Der Ballettschullehrer meinte aber: „Sie hört die Musik nicht!“ Also habe ich mir ein anderes Ziel gesucht und mich auf das Thema Schwerhörigkeit spezialisiert. Einerseits, um selbst damit besser leben zu können und andererseits, um andere Betroffene zu unterstützen.

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Den Computer einschalten und meine E-Mails lesen. Danach auf ein paar (Gebärdensprach-)Worte mit meinen KollegInnen.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Natürlich, auch wenn ich meine Arbeit nicht als „Belastung“ sehe und gerne an die Universität Klagenfurt komme.

Was bringt Sie in Rage?
Wenn etwas nicht so läuft, wie ich es will. Ich kämpfe schon mein ganzes Leben lang.

Und was beruhigt Sie?
Ruhe! Es gibt nichts Schöneres, als einmal einen Tag keine unbekannten Geräusche und Lärm zu hören.

Wer ist für Sie die/der größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Prof. Franz Dotter, der leider tragischerweise verstorben ist. Er hat sich sehr für die Gehörlosen und Schwerhörigen eingesetzt. Dank ihm habe ich meinen Traumjob gefunden.

Wofür schämen Sie sich?
Eigentlich nichts.

Wovor fürchten Sie sich?
Nichts.

Worauf freuen Sie sich?
Auf meine erste Lehrveranstaltung, die jetzt im Wintersemester 2019/2020 startet. Ich hoffe auf viele Interessierte.