In Gleichungen gegossene Vernunft

Das rationale Verhalten von Individuen in mathematische Modelle gießen, und daraus für die Realität lernen: Daniel Rehsmann hat in der Mikroökonomie kürzlich sein Doktorat abgeschlossen und dabei unter anderem untersucht, unter welchen Bedingungen es rational ist, Falschinformationen zu verbreiten.

„Das Schöne an der Mathematik ist, dass wir Vernunft mit drei Gleichungen definieren können, die für die meisten Interaktionen zwischen Personen funktionieren“ so Daniel Rehsmann. Im Gegensatz dazu brauche Immanuel Kant für seine „Kritik der reinen Vernunft“ rund 700 Seiten. Daniel Rehsmann erklärt weiter: „Alles, was jemand will und was jemandes Entscheidung begründet, ist mathematisch darstellbar. Wünsche und Bedürfnisse von Individuen stehen einander gegenüber, ein Resultat deren Handelns nennen wir in der modernen Mikroökonomie Gleichgewicht“, erklärt Daniel Rehsmann weiter.

Wir fragen nach, ob sich Individuen immer so rational verhalten und damit deren Verhalten auch leicht in mathematische Modelle zu gießen ist. Daniel Rehsmann deutet auf den Kakao, den die Redakteurin gerade trinkt, und erklärt: „Meist ist es so einfach. Wenn Sie Kakao lieber als Kaffee trinken, werden Sie auch einen Kakao bestellen. Wenn Sie Kakao lieber als Kaffee mögen, und Kaffee lieber als Tee, schließen wir daraus, dass sie Kakao auch gegenüber dem Tee präferieren. Wenn Sie sich danach verhalten, verhalten Sie sich mathematisch rational.“

Daniel Rehsmann versteht sich als angewandter Ökonom. Er interessiert sich nicht vorrangig für mathematische Eigenschaften, sondern untersucht tatsächliche Interaktionen zwischen Individuen, die er interessant findet und für die es herausfordernd ist, sie in ein mathematisches Modell zu übersetzen. Er führt dazu aus: „Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten beschäftigt mich, unter welchen Voraussetzungen es rational ist, Falschinformationen zu verbreiten.“ Aus der Frage wurde eines von drei Projekten seines Doktoratsstudiums. Zu Beginn warf er dafür einen genauen Blick auf die Realität und brachte die Annahmen rigoros zu Papier: „Ein weiterer Vorteil an der Mathematik ist, dass sie uns zwingt, alle Annahmen genau zu formulieren. Modellierung bedeutet dabei auch Vereinfachung.“ Dieses Modell erprobt man dann an zahllosen Beispielen, bis man am Schluss Erkenntnisse darüber gewinnt, was die Gleichgewichte in solchen Interaktionen sind.

Doch was hat Daniel Rehsmann nun über die Individuen, die Falschinformationen verbreiten, gelernt? „Nehmen wir zwei Firmen, die  unterschiedliche Qualitäten produzieren. Intuitiv gehen wir davon aus, dass es für eine Firma mit einer schlechteren Qualität rational ist, Falschinformationen zu verbreiten, um bei deren Konsument:innen einen falschen Eindruck ihrer Qualität zu vermitteln.  Gleichzeitig haben Firmen aber auch Vorteile durch Differenzierung. In unserem Modell wägen wir  diese Effekte ab: Ein zentrales Resultat unserer Analyse ist, dass der Unterschied in den Qualitäten solcher Produkte hinreichend groß sein muss, um das Verbreiten von Falschinformationen überhaupt rational zu machen“, so die Erkenntnis.

Die Methode, die Daniel Rehsmann anwendet, nennt sich Spieltheorie. Das Handwerkszeug dafür findet man vorwiegend in der Mathematik, die der Absolvent des Masterstudiums Betriebswirtschaft sich erst vor seinem Doktoratsprojekt aneignen musste. Heute weiß er: „Wenn ich nochmals anfangen müsste, würde ich Mathematik studieren.“ Seine Dissertation hat er nun betreut durch Paul Schweinzer (Institut für Volkswirtschaftslehre) abgeschlossen. Gleichzeitig war und ist er für die Universität Wien in einem Forschungsprojekt tätig. Daniel Rehsmann ist überzeugt von Grundlagenforschung: „Die Erkenntnis an sich hat einen Selbstzweck. Ich verweigere die Ansicht,  Wissenschaft lediglich als Zubringerdienst  der Wirtschaft zu verstehen.“ Wo ihn seine nächsten Karriereschritte hinführen, ist derzeit noch offen. Sicher ist für ihn: „Finanzielle Sicherheit ist schön und gut, aber wenn ich wählen muss, entscheide ich mich für die intellektuelle Herausforderung.“

Auf ein paar Worte mit … Daniel Rehsmann


Was wären Sie heute, wenn Sie nicht Wissenschaftler wären?
Schauspieler oder Fotograf

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ich glaube leider, nicht wirklich.

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
So nerdig das auch klingen mag: ein Software-Update

Was bringt Sie in Rage?
Rassismus

Was beruhigt Sie?
Ein guter Roman

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ich hoffe, irgendwann mal wieder.

Wovor fürchten Sie sich?
Vor kollektiver Demenz

Worauf freuen Sie sich?
Auf die erste Vorlesung, die ich halten werde