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Recommender Systems sind uns vor allem von Verkaufsplattformen bekannt. Sie empfehlen uns auf Basis unserer bisherigen Entscheidungen Produkte, die wir auch noch interessant finden könnten. Aber können sie uns auch hin zu für uns selbst „besseren“ Alternativen lenken? Mathias Jesse, Doktorand im Kolleg DECIDE, untersucht die Wirkmechanismen verschiedener technischer Konzepte.
Stellen wir uns vor, wir suchen auf einer Rezeptplattform nach Weihnachtskeksrezepten, die üblicherweise voller Zucker und Fett sind. Nun ist heute gemeinhin bekannt, dass die Zutaten für Kekse der Gesundheit des menschlichen Körpers nicht unbedingt zuträglich sind. Mathias Jesse untersucht in seiner Dissertation, mit welchen „Lockmitteln“ wir mittels Nudging zu den gesünderen, zucker- und fettärmeren Keksen geleitet werden können.
Im Zentrum seiner Forschung stehen die sogenannten recommender systems. Diese Systeme empfehlen uns, auf Basis bisheriger Entscheidungen, was wir noch mögen oder was uns noch interessieren könnte. Während Verkaufsplattformen damit vor allem ihre Gewinne in die Höhe schnellen lassen wollen, gibt es, so Mathias Jesse, aber auch Anwendungsfälle mit hehren Zielen, wie uns das Beispiel der Rezeptplattform zeigt.
Wir fragen bei ihm nach, ob dahinter nicht eine gehörige Portion Manipulation steckt, wenn man Personen insofern beeinflusst, dass sie „bessere“ Entscheidungen treffen. Mathias Jesse erklärt: „Der Mensch ist nicht immer dazu in der Lage, die für ihn optimale Entscheidung zu treffen. Manchmal braucht er einen Schubs, einen so genannten Nudge.“ Der Begriff stammt aus der Verhaltensökonomik und wurde von Richard Thaler und Cass Sunstein eingeführt. Ein Nudge ist für sie eine Methode, den Menschen in Richtung eines für ihn besseren Verhaltens zu beeinflussen, ohne Verbote und Gebote anzuwenden. Suche ich also nach Weihnachtskeksrezepten, sollen mir in wirksamer Weise eher solche angezeigt werden, die weniger fatale Auswirkungen auf Blutzucker- und Blutfettwerte oder meinen Hüft- oder Bauchumfang haben.
Mathias Jesse programmiert Anwendungsbeispiele für solche technischen Schubser und untersucht, inwiefern diese auch die erwünschten Effekte haben. Ein Beispiel ist die „default“-Funktion. Wenn die gesündere Alternative als Normalfall vordefiniert ist, wähle ich sie eher aus, so die Annahme. Hinter den Anwendungsbeispielen steht eine Vielzahl von psychologischen, wirtschaftlichen, aber auch ethischen Faktoren, die es, so Mathias Jesse, interdisziplinär zu beachten gilt.
Schon während seiner Schulzeit in der HTL Mössingerstraße hat sich Mathias Jesse für Schnittstellen zwischen der Informatik und anderen Fächern interessiert. „Nur Informatik war mir zu langweilig“, erzählt er uns. Schließlich kam ihm genau das Studium für Informationsmanagement (heute Wirtschaftsinformatik) gelegen, dass das Beste aus zwei Welten vereint: das technische Wissen aus der Informatik und betriebswirtschaftliches Know-how aus dem BWL-Studium. Nach dem Abschluss des Masterstudiums bewarb sich Mathias Jesse für das Doktoratskolleg DECIDE (Decision-making in a digital environment). Das Thema seiner Dissertation ergab sich dann im Austausch mit seinem Betreuer Dietmar Jannach. „Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine, also auch die Oberflächen auf Websites, stehen schon länger im Zentrum meines Interesses. Das Nudging-Thema in Verbindung mit den Empfehlungssystemen hat sich also ideal ergeben“, erzählt uns Mathias Jesse.
Auf ein paar Worte mit … Mathias Jesse
Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?
Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, da ich nie so genau wusste, was ich werden wollte. Am ehesten würde ich mich für einen Beruf entscheiden, in dem ich lernen und lehren kann – also Lehrer. Und wenn man träumen darf, dann natürlich Künstler.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Im Großen und Ganzen würde ich ja sagen. Sie interessieren sich auch für meine Arbeit, was es wesentlich leichter macht darüber zu sprechen und zu diskutieren.
Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Als allererstes richte ich mir eine Tasse Tee, dann starte ich den Laptop mit Musik und ab dann kann die Arbeit beginnen.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Auch wenn ich gerne ja sagen würde, stimmt das nicht 100%ig. Die Arbeit ist immer im Hinterkopf, aber das ist ja nicht zwingend was Schlechtes. Ich mag es, die Gedanken über das Thema schweifen zu lassen, problematisch wird es dann nur, wenn eine Deadline ansteht.
Was bringt Sie in Rage?
Wirklich in Rage kann man mich nicht bringen. Dafür bin ich nicht der Typ.
Und was beruhigt Sie?
Prinzipiell alles, was mir als Kind gefallen hat: Meine Hobbies, Freunde, Videospiele, Musik und Anime.
Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?
Meine Wahl würde auf Leonardo da Vinci fallen. Auch wenn viele Wissenschaftler*innen viel Großes in ihrem Leben erreichen, so sehe ich besonders zu ihm auf. Er war in der Lage sich mit vielen verschiedenen Wissenschaften zu beschäftigen. Dazu konnte er diese auch noch selbst niederschreiben und passende Zeichnungen anfertigen. Wirklich ein Multitalent.
Wovor fürchten Sie sich?
Ausgesetzt im offenen Meer zu sein.
Worauf freuen Sie sich?
Mittagessen 🙂