3 Fragen zum neuen Unterrichtsfach Ethik

Ab Wintersemester 2021/22 kann man an der Universität Klagenfurt das Unterrichtsfach Ethik studieren. Martin Weiß vom Institut für Philosophie spricht im Interview mit uns über große Fragen der Ethik und die Wichtigkeit der Einführung des neuen Unterrichtsfaches.

Bald kann man ein neues Unterrichtsfach an der Universität Klagenfurt studieren: Ethik. Was ist das Besondere am Unterrichtsfach Ethik?

Ab dem Schuljahr 2021/22 ist das Schulfach Ethik als alternativer Pflichtgegenstand zum konfessionellen Religionsunterricht an den schulischen Sekundarstufen eingeführt. Da die Ausrollung aufsteigend erfolgt, wird in den nächsten Jahren ein stetig wachsender Bedarf an ausgebildeten Ethiklehrer*innen entstehen. Besonders in der Kombination mit dem jeweils gewählten zweiten Unterrichtsfach eröffnet das Studium des Unterrichtsfaches Ethik spannende kritische Perspektiven. Das Studium soll dazu befähigen, Schülern*innen zu ermöglichen, ihre eigenen Werthaltungen zu reflektieren und zu begründen, bzw. die mögliche objektive Ausweglosigkeit ethischer Dilemmata zu erkennen. Dies ist freilich nur möglich, wenn die angehenden Ethiklehrer*innen diesen Prozess zunächst selbst durchlaufen haben. Dafür stellt eine Beschäftigung mit bestehenden Moralkonzepten und überlieferten ethischen Theorien eine wichtige Grundlage dar, denn gerade in der Gegenüberstellung unterschiedlicher ethischer Ansätze gelingt es oftmals, sich seiner eigenen Vorurteile bewusst zu werden und so die Basis dafür zu schaffen, wirklich verantwortliche Entscheidungen zu treffen, d.h. Entscheidungen, die, obschon nie unfehlbar, nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurden.

Was genau ist Ethik?

Eine berühmte, indirekte, Antwort auf diese Frage hat der große Philosoph der Europäischen Aufklärung, Immanuel Kant (1724-1804) gegeben, indem er anführte, dass es in der Ethik um die Beantwortung folgender Frage gehe: „Was soll ich tun?“. Das, was ich tun soll, ist nach Kant nun aber das, was ich als „gut“ erkannt habe, denn wirklich verwirklichen wollen kann ich nur, was ich als „sein-sollend“ bewerte. So erweist sich die Frage nach der Ethik als die Frage nach dem was sein soll, d.h. nach dem Guten und infolgedessen als Frage nach der Unterscheidung von Gut und Böse.

Eine andere, etwas schwierigere, aber durchaus diskussionswürdige, Antwort auf die Frage danach, was Ethik sei, legt der in Klagenfurt geborene Autor Robert Musil (1880-1942) einer seiner Romanfiguren in den Mund. In „Der Mann ohne Eigenschaften“, sagt Ulrich zu seiner Schwester Agathe:

„Darf ich dir sagen, was ich unter Moral verstehe? […] Moral ist Regelung des Verhaltens innerhalb einer Gesellschaft, vornehmlich aber schon die seiner inneren Antriebe, also der Gefühle und Gedanken.“ „Das ist ein großer Fortschritt in wenigen Stunden!“ entgegnete Agathe lachend. Heute morgen hast du noch gesagt, du wissest nicht, was Moral sei!“ „Natürlich weiß ich es nicht. Trotzdem kann ich dir ja ein Dutzend Erklärungen geben. Die älteste ist, daß Gott uns die Ordnung des Lebens in allen ihren Einzelheiten geoffenbart hat — “Das wäre die schönste!“ sagte Agathe. „Die wahrscheinlichste ist aber“, betonte Ulrich, „daß Moral wie alle andere Ordnung durch Zwang und Gewalt entsteht! Eine zur Herrschaft gelangte Gruppe von Menschen auferlegt den anderen einfach die Vorschriften und Grundsätze, durch die sie ihre Herrschaft sichert. Gleichzeitig hängt sie aber an denen, die sie selbst groß gemacht haben. Gleichzeitig wirkt sie damit als Beispiel. Gleichzeitig wird sie durch Rückwirkungen verändert: das ist natürlich verwickelter als man es in Kürze beschreiben könnte, und weil es keineswegs ohne Geist vor sich geht, aber auch keineswegs durch den Geist, sondern durch die Praxis, ergibt es schließlich ein unübersehbares Geflecht, das sich scheinbar so unabhängig wie Gottes Himmel über allem spannt. Nun bezieht sich alles auf diesen Kreis, aber dieser Kreis bezieht sich auf nichts. Mit anderen Worten: alles ist moralisch, aber die Moral selbst ist nicht moralisch!“ (Musil, Robert: Der Mann ohne Eigenschaften, Kap. 38)

Wieso ist es wichtig, Ethik in Schulen zu vermitteln?

In modernen liberalen Demokratien, die auf der Freiheit ihrer Bürger gründen und diese Freiheit zu schützen als oberstes Ziel haben, gibt es keine Institutionen (mehr), die vorgeben, worin das „gute Leben“ besteht. Vielmehr kann (und muss) jeder „nach seiner eigenen Fasson selig werden“. Vieles ist möglich, solange meine persönliche Version des „guten Lebens“ nicht andere daran hindert, ihre eigene Version eines gelungenen Lebens zu verwirklichen. In einer Welt, in der mir nicht von außen vorgeschrieben wird, was ich tun und lassen soll, bin ich für mich selbst verantwortlich, dafür wie ich leben will, was ich als erstrebenswert, also als gut erachte und was nicht. Da wir aber nicht allein auf der Welt sind, sondern mit vielen anderen Menschen zusammenleben sind wir darauf angewiesen uns darüber zu verständigen, was wir jeweils als das Gute begreifen und wie wir es in unserer gemeinsamen Welt verwirklichen können. Der berühmte Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno (1903-1969) spricht davon, dass Demokratien auf mündige Bürger*innen angewiesen sind, wenn sie nicht über kurz oder lang in Diktaturen umschlagen sollen, und fordert daher eine schulische „Erziehung zur Mündigkeit“. Eine solche sollte der Ethikunterricht darstellen.

Lehramt studieren
Mehr zum Unterrichtsfach Ethik findest du hier. Wenn du dich für ein Lehramtsstudium an der Universität Klagenfurt interessierst, ist die School of Education deine erste Anlaufstelle. Alles zur Zulassung, den speziellen Anmeldefristen, dem Aufnahmeverfahren und dem Lehramtsstudium selbst findest du auch auf der Seite „Lehramt studieren„.

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