Forschung zu CERN: Wie entsteht dort neues Wissen?

Forscherinnen und Forscher befassen sich in einer internationalen und interdisziplinären Kooperation mit der Entstehung von Wissen im Hadronen-Speicherring (LHC) des europäischen Labors für Teilchenphysik CERN in Genf.

Am CERN erforscht man nichts Geringeres als das, was die Welt im Innersten zusammenhält, also die grundlegenden Bausteine und Kräfte, aus denen die Natur zusammengesetzt ist. Wie dieses neue physikalische Wissen am LHC, der „größten Forschungsmaschine der Welt“, entsteht, ist nun die zentrale Frage eines großangelegten internationalen Forschungsprojekts einer DFG-Forschergruppe (Deutsche Forschungsgemeinschaft), an der auch ein Teilprojekt gefördert vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF teilnimmt. Projektleiter dieses Teilprojekts sind Martina Merz (AAU, Institut für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung) und Peter Mättig (Universität Wuppertal).

„Im Gesamtprojekt geht es darum, die wissenschaftliche Praxis in einem so komplexen experimentellen Umfeld zu untersuchen“, so Merz. Dazu sind vielerlei Perspektiven nötig, die durch die Projektbeteiligten aus der Physik, der Philosophie, der Geschichte und den Sozialwissenschaften abgedeckt werden. Das von Merz und dem LHC-Physiker Mättig geleitete Teilprojekt wird die Experimente am CERN aus der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsforschung untersuchen. „Im Konkreten fragen wir uns, wie unter diesen außerordentlichen sozialen und technischen Bedingungen neue Erkenntnisse überhaupt entstehen können. D.h. (1) wie gehen WissenschaftlerInnen beim Erzeugen neuer Ergebnisse vor, und (2) wie stellen sie sicher, dass diese Ergebnisse zuverlässig und glaubwürdig sind?“, erläutert Merz. Diese beiden Fragen werden nicht getrennt voneinander, sondern als in komplexer Weise miteinander verschränkt betrachtet.

Dazu werden Martina Merz und Peter Mättig gemeinsam mit einem Team untersuchen, wie die WissenschaftlerInnen am CERN bei der Suche nach „neuer Physik“ und neuen Ergebnissen verfahren. Insbesondere interessiert in diesem Zusammenhang, wie die Arbeit in den 3.000-köpfigen „Kollaborationen“ intern aufgeteilt und organisiert wird, in welcher Form z. B. Kreativität möglich ist, und wie die Herausforderungen bewältigt werden, die aus den komplexen Bedingungen des Experimentierens resultieren. Ein zweiter Bereich wird aufzeigen, wie die Kollaborationen Ergebnisse erzeugen, die kollektive Gültigkeit beanspruchen, wie Vertrauen entsteht und Konsens sozial hergestellt wird. Das Projektteam als Ganzes wird analysieren, wie es den PhysikerInnen trotz der großen Herausforderungen gelingt, zuverlässige neuartige Ergebnisse zu erzeugen. Zur Erreichung dieser Ziele wird das Projektteam eine Kombination qualitativer Forschungsmethoden verwenden, die neben der direkten Beobachtung auch qualitative Interviews und eine Dokumentenanalyse umfassen.