Benjamin Hackl | Foto: aau/Müller

Schönheit erkennen, wo andere nur Zahlen sehen

Der Mathematik-Doktorand Benjamin Hackl wurde kürzlich von der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft (ÖMG) mit dem Studienpreis für seine Masterarbeit ausgezeichnet. Hackl ist begeistert von der Schönheit der mathematischen Exaktheit – und erklärt im Interview, worin seine Freude an der Mathematik liegt.

Worum geht es in Ihrer Masterarbeit?

In meiner Masterarbeit geht es um die asymptotische Analyse von Gitterpfaden und verwandten Strukturen. Das muss man sich so vorstellen: Ein Gitterpfad ist eine Folge von Pfeilen, die zum Beispiel in alle vier Himmelsrichtungen oder etwa nur nach oben oder unten gehen. Das ist ein Gitterpfad. Was uns in unserer Forschungsgruppe interessiert, ist die folgende Fragestellung: Wenn solche Strukturen sehr groß werden, wie verhalten sie sich? Wie viele Möglichkeiten gibt es überhaupt, um solche Gitterpfade zu konstruieren? Wenn man sich spezielle Gitterpfade ansieht, zum Beispiel solche, die an ihrem höchsten Punkt enden, wie verhalten sich Parameter wie die Gesamtanzahl aller Pfade fester Länge, bzw. auf welcher Höhe enden diese?

Gibt es ein praktisches Anwendungsgebiet?

Es gibt ein Anwendungsgebiet in der Bioinformatik, wir arbeiten aber nur an der Theorie des klassischen mathematischen Objekts Gitterpfad. Die Theorie empfinde ich als sehr schön.

Was ist daran „schön“?

Mir persönlich gefallen solche diskreten Strukturen sehr. Sie liegen sehr nahe an der Informatik und sind mit Bäumen aus diesem Fach verwandt. Was mir gefällt, ist die Verbindung von formaler Exaktheit und Ästhetik. Wenn man das nicht mag, sieht man nur Zahlen und Buchstaben. Mathematik ist eine eigene Sprache, die benutzt werden kann, um Exaktheit darzustellen.

Erkenntnisgewinn ist bei vielen anderen Fächern auch für Außenstehende leichter fassbar. Bei der Mathematik fällt häufig schwer zu verstehen, wohin das neue Wissen führen soll. Können Sie erklären, wohin Ihre Forschung führt?

In der Mathematik gibt es häufig Ergebnisse, die allein aus der Freude am Gebiet generiert werden. Oft werden Inhalte erst Jahrhunderte später ausgegraben und finden dann eine Anwendung. Dies war beispielsweise bei der Zahlentheorie so, die sich lange Zeit entwickelt hat, ohne dass man eine Anwendung im Auge hatte. Erst als die Computer erfunden wurden, fand sich ein praktisches Gebiet in der Kryptographie. Ich glaube, dass die meisten Resultate auf irgendeine Art und Weise genutzt werden können – vielleicht aber eben erst wesentlich später.

Gibt es eine große Frage der Mathematik, die Sie besonders interessiert?

Es gibt viele interessante Fragestellungen, aber mein Interesse für die berühmten ungelösten Probleme hält sich in Grenzen. Ein solches Problem zu lösen ist eine Lebensaufgabe – wenn es denn überhaupt klappt. An diesen Problemen haben auch schon viele Personen gearbeitet.

Was sind das zum Beispiel für große Fragen?

Ein Beispiel für eine solche Frage, die man vor kurzem gelöst hat, ist die Große Fermatsche Vermutung, die Andrew Wiles gelöst hat. Im Wesentlichen geht es darum: Es gibt die so genannten pythagoräischen Tripel. Das sind zum Beispiel die Zahlen 3, 4 und 5. Für diese lässt sich sagen, dass die Quadrate der ersten beiden Zahlen das Quadrat der dritten Zahl ergibt: 3*3 ist 9 und 4*4 ist 16. Dies ergibt addiert 25, also das Quadrat von 5. Von diesen Zahlen gibt es viele. Die lange ungeklärte Frage war: Wenn das mit Quadrat funktioniert, geht das mit anderen Potenzen auch? Mittlerweile hat man gezeigt, dass das nicht geht. Das war ein Problem, das über 350 Jahre offen war und dessen Lösung sehr lange gedauert hat.

Wären solche großen Fragen auch etwas für Sie?

Nicht wirklich, weil mir dazu sowohl das Interesse als auch die Ausdauer fehlen, mich langfristig mit einem dieser Probleme zu beschäftigen. Ich investiere meine Energie lieber in Probleme, bei denen Fortschritt realistisch ist.

Sie sind der jüngste Uni-Absolvent an der AAU? Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für Mathematik entwickelt?

Der Weg an die Uni war ein Zufälliger: Eine Sekretärin der Schule hat meine Mutter, als ich 15 Jahre alt war, angesprochen und sie darauf aufmerksam gemacht, dass eine spezielle Förderung interessant wäre. Wir sind dann auf das Talente-Camp aufmerksam geworden, wo mir im Programm die Mathematik ins Auge gestochen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, dass mein Talent im Bereich der Mathematik liegt. Im Zuge dessen habe ich die Universitäts-Mathematik kennengelernt und dann war mir klar, dass es das sein soll. Dann war ich im Programm „SchülerInnen an die Unis“ vom Österreichischen Zentrum für Begabtenförderung und bin als außerordentlicher Hörer an die Uni gekommen und habe diverse Basis-Lehrveranstaltungen in der Mathematik belegt. 2012, als ich dann die Matura abschloss, hatte ich schon ein bisschen mehr als ein Drittel des Studiums in der Tasche. Dann habe ich gleich die eher schon vertiefenden Inhalte belegen können.

Sie sind nun als Doktorand am Institut für Mathematik tätig? Wie sieht die Forschungsarbeit eines Mathematikers aus?

Im Wesentlichen sitze ich viel vor Papier und rechne. Dann programmiere ich etwas aus und sehe so nach, ob etwas funktioniert. Wenn etwas nicht funktioniert, heißt das, dass ich wieder zum Papier zurückkehre. Andernfalls gehört die Vermutung formal bewiesen – wieder auf Papier. Für mich ist es wichtig, alles ausgebreitet vor mir zu haben.

Möchten Sie in der Wissenschaft bleiben?

Momentan möchte ich gerne in der Wissenschaft bleiben, wie der weitere Weg aussieht, weiß ich derzeit aber noch nicht. Vieles ist offen.

Ist die Dissertation auch im Feld der Kombinatorik angesiedelt?

Ja, dort geht es mehr um die Reduktion von Bäumen, nicht im biologischen Sinn, sondern im Mathematischen.

Mit welcher Einladung würden Sie sich an zukünftige Studierende richten, sich für Mathematik zu entscheiden?

Es braucht grundsätzlich eine Freude am Problemlösen. Was es dann noch braucht, ist eine Bereitschaft, sich auf die Welt der Mathematik mit ihrem Formalismus einzulassen. Dazu muss man auch in der Schule nicht sonderlich gut in Mathematik gewesen sein, weil das wiederum eine ganz andere Welt an der Universität ist.