Samira Hayat | Foto: Gene Glover

„Ich hatte niemals Pläne.“

Samira Hayat verfolgt nur einen Plan: Sie möchte stets das machen können, was ihr wirklich wichtig ist. Die Elektrotechnikerin aus Pakistan hat ad astra erzählt, welche Forschungsarbeit ihr derzeit am Herzen liegt.

Samira Hayat tut das, wozu sie sich berufen fühlt: Seit 2012 ist sie als Forscherin in der Gruppe für Mobile Systeme am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme tätig. Davor war sie als Studentin in Trient. Sie lebt nun schon seit vielen Jahren außerhalb der „Komfortzone“ ihrer Heimat Pakistan und stellt sich der Herausforderung, sich in neuen Kulturen zurechtzufinden. Komfortzonen verlässt Hayat immer wieder. Und, so erzählt sie, gewinnt dabei immer wieder neue Freude an ihrer Arbeit und an ihrem Leben.

Hayat forscht zu Netzwerken von Drohnen. Wenn es darum geht, dass große Gebiete von Drohnen abgeflogen und komplexe Aufgaben gelöst werden sollen, sind es oft viele einzelne Helikopter, die zusammenarbeiten und kommunizieren müssen. Dafür braucht es Netzwerktechnologien. Beim Vergleich mit Netzwerken am Boden hat sich gezeigt, dass die Anforderungen im Luftraum wesentlich komplexer sind. „Sie sind stark missionsspezifisch. Wenn ich eine Baustelle beobachten, größere Flächen abbilden oder Waren verteilen möchte, brauche ich jeweils andere Eigenschaften des Drohnennetzwerks. Ich habe mich auf eine vierte Kategorie, die Rettungsmissionen, spezialisiert.“ Muss man nun beispielsweise ein Opfer eines Lawinenunglücks bergen, müssen die Drohnen die Person sehr schnell ausfindig machen, aber auch schnell die Information an die Rettungskräfte weitergeben, damit sie tätig werden können.

Wenn Hayat über die Herausforderungen für ihre Forschungsarbeit spricht, merkt man die dahinter stehende Leidenschaft für das Thema. Diese verbindet sie mit einer anderen Mission: „Mir geht es auch um den menschlichen Faktor. Mit dieser Arbeit kann ich wirklich helfen.“ Rettungsaufgaben von Drohnennetzwerken erweisen sich dabei als komplex, gilt es doch, viele Teilbereiche wie das Aufspüren und das Kommunizieren abzudecken. Derzeit interessiert sie sich besonders dafür, welche Abläufe auch im mathematischen Sinn optimaler wären: Ob es besser sei, diese Teilbereiche zu einer gemeinsamen Mission zusammenzuführen oder sie aufzuteilen. So gewinnt also die Mathematik an Bedeutung in ihrer Arbeit, etwas also, „das mir schon eher Angst gemacht hat. Wenn man sich aber erst eingedacht hat, entwickelt man große Freude daran.“

Anwendungsorientierung und Theorie wechselten sich in ihrer Arbeit immer wieder ab. Folgt man Samira Hayats Worten, merkt man, dass immer die richtige Abwechslung und Herausforderung zur richtigen Zeit kam. Immer schon interessiert an Mathematik und Physik, wählte sie ein eher abstraktes Elektrotechnik-Studium, weil Maschinenbau zu der Zeit in Pakistan weniger angesehen war. „In der Elektrotechnik muss man viel imaginieren und hat wenig mit physischen Geräten zu tun. Als ich meine Entscheidung mit anderen Optionen verglich, war gerade dieser herausfordernde abstrakte Anteil der, der mich zur Elektrotechnik hinzog“, so Hayat.

Letztlich war die Entscheidung für sie aber richtig, fand sie mit den Drohnennetzwerken doch ein Gebiet, in dem sie am Anfang ihrer Zeit in Klagenfurt auch viel „learning by doing“ machen konnte. Die Experimente waren stark an der Hardware orientiert, die in dem Fall der kleinen Helikopter noch nicht immer machen, was ihnen aufgetragen wird. „Das habe ich sehr genossen. Diese Arbeit gilt oft nicht als wissenschaftlich, in diesem Themenfeld gehört sie aber dazu.“ Das letzte Jahr verbrachte Hayat am Schreibtisch an theoretischer Arbeit. Sie nähert sich nun der Fertigstellung ihrer Doktorarbeit. „Es wird klar, was man alles gelernt hat und was man noch entdecken könnte. Und dass man nicht mehr genug Zeit dafür hat.“

Dieses Frühjahr verbringt Hayat an der renommierten Carnegie Mellon University, Pittsburgh, wo sie für vier Monate als Gastforscherin tätig ist. Sie freut sich darauf, neue Ansätze kennenzulernen und das selbst Erforschte vorzustellen. Hayat ist damit wieder auf Reisen; neben dem Kochen und der Geselligkeit mit Freunden eine ihrer großen Leidenschaften. „Ich wollte immer schon hinaus in die Welt“, erzählt sie. Hayat ist als eines von sieben Geschwistern aufgewachsen, ihr Vater ist Arzt. Ihre vier Schwestern wurden ÄrztInnen, so wie es sich ihr Vater gewünscht hat. Ein Bruder wurde Pilot, ein anderer studiert gerade Ingenieurwissenschaften. Hayat kann sich nur schwer vorstellen, eines Tages in ihre Heimat zurückzukehren und den traditionellen Lebensweg mit Heirat und Familie zu beschreiten. Sie sagt aber: „Es ist alles möglich. Ich versuche, immer so flexibel wie möglich zu sein. Das braucht Energie. Hier ist die Energie aber besser investiert als im Schmieden von Plänen, die man ohnehin wieder über Bord wirft.“ Dasselbe gilt auch für die Zeit nach ihrem Doktorat: Man wird sehen, was sich dann als wichtig und richtig anfühlt. Akademische Laufbahn, Industrie oder die Gründung eines Start-ups. Vieles ist möglich.

Auf ein paar Worte mit… Samira Hayat

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
Vieles wäre möglich gewesen. Ich bin froh, dass ich mir mit den Ingenieurwissenschaften so sicher war.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Sie überraschen mich oft damit, wie viel sie verstehen.

Was machen Sie im Büro morgens,als erstes?
Mit einer Tasse Kaffee meine Mails lesen.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ja, ich kann den Arbeitsmodus „ausschalten“. Damit meine ich, dass ich das Denken an die Arbeit auf maximal eine Stunde pro Tag reduzieren kann.

Was bringt Sie in Rage?
Fehlkommunikation oder keine Kommunikation (persönlich und wissenschaftlich gesprochen)

Und was beruhigt Sie?
Kommunikation

Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Viele. Zum Beispiel Nikola Tesla, der in der Wissenschaft wirklich seine Leidenschaft sah.

Warum fürchten sich so viele vor der technischen Wissenschaft?
Wegen der Komplexität der wissenschaftlichen Sprache und/oder dem späten Kennenlernen dieser Sprache.

Wovor fürchten Sie sich?
Davor, meine Ängste an mich heranzulassen.

Worauf freuen Sie sich?
Auf das Leben, das kommt.


für ad astra: Romy Müller