Eine verborgene Legende auf antikem Pergament

Beim ältesten Objekt der Universitätsbibliothek Klagenfurt handelt es sich um Kodex-Bruchstücke aus der Spätantike mit wertvollem Inhalt. Die Texte auf den dreizehn Pergamentstreifen aus dem 6. Jahrhundert gehören zu den ältesten, die sich weltweit erhalten haben. Sie werden in der 29. Ausstellung der Reihe „Kostbarkeiten aus der Bibliothek“ gezeigt. Die Eröffnung findet am 18. April um 11 Uhr statt.

In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts wurden in einer süditalienischen Klosterschreibstube zwei Texte auf Pergament geschrieben: die Legende des heiligen Silvester und ein Kommentar zum Matthäus-Evangelium, beide in schöner orange-roter Unzial- und Halbunzialschrift. Da Pergament ein teurer und zugleich auch haltbarer Beschreibstoff ist, wurden Handschriften gelegentlich palimpsestiert, d. h. der ursprüngliche Text wurde abgekratzt bzw. abgewaschen und neuerlich beschrieben. So auch hier.

In der zweiten Hälfte des 10. Jh.s wurden Teile des spätantiken Kodex mit dunkelbrauner Tinte in der nun üblichen Beneventana-Schrift neu beschrieben. Und zwar mit Kommentaren des Kirchenlehrers Hieronymus zu den alttestamentarischen Texten von Zacharias und Ezechiel sowie einem Text des Smaragd von Saint-Mihiel (760-840), eines benediktinischen Gelehrten am Hof Karls des Großen.

Auf nicht bekannten Wegen kam diese Handschrift später in das Benediktinerkloster St. Paul im Lavanttal. Als man dort ihren Inhalt nicht mehr schätzte oder nicht mehr entziffern konnte, wurde sie in Streifen geschnitten, um sie als „Fälze“ für Buchbindearbeiten zu verwenden. Ab 1463 verstärkten sie so die Papierlagen einer in St. Paul geschriebenen Predigtsammlung. Dieses Buch mit den kostbaren Fälzen kam im Zuge der Klosteraufhebung 1782 in den Besitz der Studienbibliothek Klagenfurt, der heutigen Universitätsbibliothek.

In den 1930er-Jahren arbeitete Hermann Menhardt an der Katalogisierung und entdeckte die pergamentenen Falzstreifen, löste sie aus der Bindung und konnte sie aufgrund der Schriftformen in die Spätantike bzw. in das 10. Jahrhundert datieren.

Seit 2020 wurden die 13 Palimpsest-Streifen mit der Inventarnummer PE 48 mit UV-Licht-Aufnahmen und Multispektralanalyse genau erforscht: Bei den sieben zusammenhängenden Textstellen handelt sich es nicht nur um die älteste Handschrift einer Heiligenlegende (Papst Silvester I.) in österreichischen Bibliotheken, sondern auch um die weitaus älteste Handschrift der Silvesterlegende und sicher die einzige aus antiker Zeit weltweit. Durch glückliche Zufälle sowie Reusing und Recyling hat sich das Unikat bis heute erhalten.

Bei der Eröffnung der 29. Ausstellung in der Reihe Kostbarkeiten aus der Bibliothek am 18. April 2024 um 11 Uhr im Lesesaal der Universitätsbibliothek präsentieren Eckhard Wirbelauer, Historiker an der Universität Straßburg, und Matthias Simperl, Theologe an der Universität Augsburg die Ergebnisse der Forschungsarbeiten. Ein Kurzfilm zur Handschrift wird ebenfalls gezeigt.

 

Eröffnung der 29. Ausstellung Kostbarkeiten aus der Bibliothek


Datum: 18. April 2024 um 11 Uhr

Ort: Zeitschriftenlesesaal der Universitätsbibliothek, Ebene 2

Kurzfilm
Eine verborgene Legende auf antikem Pergament

Vortrag
Spätantikes Pergament und sein langer Weg nach Klagenfurt. Die 1500 Jahre der Handschrift PE 48

Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer, Historiker an der Universität Straßburg
Dr. Matthias Simperl, Theologe an der Universität Augsburg

 

Die Ausstellung wird bis zum 17. Mai 2024 in der Universitätsbibliothek zu sehen sein.

KOSTBARKEITEN aus der Bibliothek digital: www.aau.at/kostbarkeiten