„Denn wir tun nicht, was wir wissen“

Das Corona-Virus hat sich global verbreitet, die Bekämpfung würde daher auch globale Maßnahmen erfordern. Doch agieren die Staaten weitgehend durch nationale Alleingänge und nach alten Rezepten. Warum das so ist, fragen wir Hans Karl Peterlini, UNESCO-Lehrstuhlinhaber zu „Global Citizenship Education – Culture of Diversity and Peace“. 

Global Citizenship bedeutet, „planetar“ verantwortlich zu handeln und den Fokus auf eine weltbürgerliche Sicht zu legen. Es geht darum, komplexe Zusammenhänge zwischen dem Lokalen, dem Nationalen und dem Globalen zu erkennen und zu berücksichtigen. Die Pandemie hat unsere bisherigen Lebensweisen auf den Kopf gestellt. Wir leben zwar in einer globalisierten Welt, die jedoch unterschiedlicher nicht sein könnte. „Die Pandemie führt uns täglich vor, dass nationalstaatliche politische Instrumente innerhalb des Nationalstaates – also Österreich – für die Bewältigung von Krisen zwar tauglich sind, aber darüber hinaus nicht ausreichen“, konstatiert Hans Karl Peterlini, der am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung zu ethisch und migrantisch geprägten Gesellschaften in lokalen und globalen Kontexten forscht und lehrt.

„Das Corona-Virus spaziert problemlos über die Grenzen. Wir können nicht einfach unsere Grenzen schließen. Dies hat sich auch bei der Flüchtlingskrise gezeigt.“ Man könne nicht mit nationalstaatlichen Interventionen oder nationalen Logiken einem globalen Phänomen wie der Pandemie oder Migration Herr werden. Dies werde uns erst jetzt so richtig bewusst und vor Augen geführt, so Peterlini, „wir haben es mit existenziellen Themen zu tun, die nationalstaatlich alleine nicht in den Griff zu bekommen sind.“

Über alles gelagert ist die von Menschen induzierte Klimakrise. „Diese steht nicht für sich alleine, sondern in Verbindung mit Produktions- und Lebensweisen in der Welt“, denn, so Peterlini weiter: „Die Welt ist größer als die gewohnte Einheit Nationalstaat. Wenn wir innerhalb unserer Nationalstaatslogik weiterhin so denken, dann fahren wir diesen Planeten gegen die Wand.“ Die Lebensweisen der Menschen stehen im Zusammenhang mit all den Phänomenen, die weltweit bedrohlich für unser Überleben geworden sind, hält Peterlini fest. „Wir dürfen nicht ausblenden, dass es außerhalb unserer kleinen Wirklichkeit Probleme gibt, an denen jede*r beteiligt ist.“

Auf die Frage, was dagegen getan werden könne, antwortet Peterlini bezugnehmend auf sein Fach der Erziehungs- und Bildungswissenschaft: „Wir dürfen nicht der Versuchung von leichteren Lösungen unterliegen und darauf vertrauen, dass, wenn ich am Zahnrad drehe, sich alles schon bewegen wird.“ Peterlini verweist dabei auf einen seiner Lieblingssätze: „Denn wir tun nicht, was wir wissen.“

Eine Veränderung ließe sich nicht über Bildungsprogramme alleine herbeiführen, denn „die Pädagogik kann die Politik nicht ersetzen.“ Die Pädagogik könne aber das tun, wozu sie berufen ist, nämlich: Reflektieren und darauf achten, dass Menschen in Beziehung zu dem gebracht werden, was sie tun.

für ad astra: Lydia Krömer

UNESCO Chair Global Citizenship Education – Culture of Diversity and Peace



Hans Karl Peterlini ist seit Ende 2020 Inhaber des UNESCO Chair „Global Citizenship Education – Culture of Diversity and Peace“. Der Chair wird Beiträge von Menschen, Schulen, Institutionen, NGOs sowie politischen und zivilgesellschaftlichen Initiativen für globales Lernen bündeln und in einen Austausch bringen. An der Universität Klagenfurt gibt es dazu Projekte wie das Masterstudium „Diversitätspädagogik“, das Weiterbildungsprogramm „Global Citizenship Education“ oder das Erweiterungsstudium „Transdisziplinäre Friedensstudien“.

Zum Chair „Global Citizenship Education – Culture of Diversity and Peace“