inherit-Fellowship an der HU Berlin für Christof Lammer

Christof Lammer erforscht von April 2024 bis März 2025 an der Humboldt-Universität zu Berlin, wie Verwandtschaftsmessungen Große Pandas zu einem schützenswerten Naturerbe machen.

Der Sozialanthropologe Christof Lammer, Postdoc-Assistent am Institut für Gesellschaft, Wissen & Politik der Universität Klagenfurt, wurde vom neu gegründeten Käte Hamburger Kolleg inherit – Heritage in Transformation zu einem einjährigen Fellowship an die HU Berlin eingeladen. Dort bearbeitet er das Projekt „Panda Heritage: Kinship Measurements and Life’s Value in Species Conservation“. Damit vertieft er sein Interesse an den politischen und ökonomischen Konsequenzen von Verwandtschaftsmessungen und an der materiellen Herstellung von Wert durch Informationsinfrastrukturen.

Was macht Natur wertvoll und als „Erbe“ schützenswert? Im Fall von Artenschutzbemühungen vermutet Christof Lammer, dass Verwandtschaftsmessungen eine zentrale Rolle spielen, wenn Menschen darüber entscheiden, welche Arten und Individuen geschützt werden sollen – und welche nicht.

Seine bisherige Forschung konnte bereits zeigen, dass Menschen Verwandtschaft auf verschiedene Art und Weise messen, um über menschliche Zugehörigkeit (z.B. Staatsbürgerschaft), Rechte (z.B. Erbschaften, Sozial- und Versicherungsleistungen) und Pflichten (z.B. Alimente und Sorge) zu entscheiden. Verwandtschaft wird dabei mit sich überlappenden und konkurrierenden Indikatoren gemessen, etwa als genealogische Distanz, gelebte Nähe, phänotypische Ähnlichkeit oder genetische Unähnlichkeit.

Der Große Panda ist eine besonders interessante Spezies um zu untersuchen, wie Menschen im Naturschutz ebenfalls Messungen von Verwandtschaft verwenden, um die Herkunft von Arten und die Zugehörigkeit von Individuen zu bestimmen und damit letztendlich über den Wert von Leben zu entscheiden. Denn Pandas sind Symbol globaler Naturschutzbemühungen und werden als Weltnaturerbe geschützt. Gleichzeitig werden sie von der Volksrepublik China als nationaler Schatz beansprucht und für die sogenannte Panda-Diplomatie genutzt.

Im Rahmen von Panda Heritage wird Christof Lammer historische und zeitgenössische Quellen der Panda-Forschung analysieren und beteiligte Naturwissenschaftler:innen befragen. Ziel ist es herauszufinden, welche konkurrierenden Verwandtschaftsmessungen eingesetzt werden, um Pandas von anderen Arten abzugrenzen und ihre evolutionäre Herkunft zu bestimmen, um Entscheidungen über die Fortpflanzung von Pandas in menschlicher Obhut zu treffen, und um Schutzgebiete zu modellieren und Sorgepraktiken zu entwickeln, die eine „Auswilderung“ ermöglichen sollen.

Dadurch verspricht das Projekt Einblicke, wie unscheinbare Verwandtschaftsmessungen nicht nur den Schutz von bestimmten Arten und Individuen als Naturerbe rechtfertigen, sondern auch konkrete Schutzmaßnahmen beeinflussen, die wiederum in das Leben von anderen Arten und Menschen eingreifen.

Panda Heritage auf der Webseite von inherit: https://inherit.hu-berlin.de/projects/panda-heritage-kinship-measurements-and-lifes-value-in-species-conservation

Sonderheft „Infrastrukturen des Wertes in der Landwirtschaft“ jetzt in Druck

Werte – sowohl monetäre als auch moralische und soziale wie Gerechtigkeit oder Nachhaltigkeit – erscheinen oft als abstrakt und wenig greifbar. Ein Fokus auf Infrastrukturen verdeutlicht die Materialität scheinbar immaterieller Werte.

 

 

Das Sonderheft „Infrastructures of Value: New and Historical Materialities in Agriculture“, Ethnos – Journal of Anthropology 89(2), herausgegeben von Christof Lammer (Klagenfurt) und André Thiemann (Prag) zeigt, wie Infrastrukturen und Praktiken des Infrastrukturierens den Wert landwirtschaftlicher Güter prägen. Ethnografische Studien aus Asien, Australien und Europa untersuchen die Bewertung von Agrarland und dessen Finanzialisierung, Terroir-Wein und dessen weltweiten Vertrieb in Flaschen, Bio-Zertifizierung und alternative Lebensmittelnetzwerke sowie Wechselwirkungen zwischen Agronomie und Kühlketten. Als materielle Netzwerke ermöglichen, formen oder behindern Infrastrukturen die Zirkulation – sowohl die Bewegung als auch die Transformation – von Menschen, nicht-menschlichen Wesen, Dingen und Ideen. Dabei wirken Infrastrukturen wertbildend, weil durch sie Handlungen und deren Produkte materiell in größere Gesamtheiten eingebunden werden und so Relevanz erhalten. Die Erforschung von Infrastrukturen des Wertes bietet so neue Perspektiven, um über die Produktion, Aneignung und Verteilung von materiellem Reichtum nachzudenken.

Inhaltsverzeichnis

Introduction: Infrastructuring Value* von Christof Lammer & André Thiemann

Infrastructures of Farmland Valuation in Australia* von Sarah R. Sippel

Nature’s Value: Evidencing a Moldovan Terroir Through Scientific Infrastructures* von Daniela Ana 

Peasant in a Bottle: Infrastructures of Containment for an Italian Wine Cooperative* von Oscar Krüger

Valuing Organics: Labels, People, and the Materiality of Information Infrastructure in China* von Christof Lammer

Infrastructuring ‘Red Gold’: Agronomists, Cold Chains, and the Involution of Serbia’s Raspberry Country von André Thiemann

Infrastructuring Value Worlds: Connections and Conventions of Capitalist Accumulation von Edward F. Fischer

(Die mit * gekennzeichneten Beiträge sind frei zugänglich.)

Christof Lammer ist Postdoc-Assistent am Institut für Gesellschaft, Wissen und Politik der Universität Klagenfurt.

Interdisciplinary Seminar on Digitalization and Sustainability

For three days we have been presenting, discussing, and writing texts for a book on “Digitalization and Sustainability: Strategic Visions for Future Development” in beautiful Drautal in the west of Carinthia. Thanks to the Privatstiftung Kärntner Sparkasse, we were able to bring together advanced students from a variety of disciplines. We researched digital participation in sustainable city planning, drone technologies, sustainability in online teaching, sustainable online delivery platform design and many other topics at the intersection of science, technology and society. The event is part of an interdisciplinary seminar series at the University of Klagenfurt with varying topics in the realm of Digitalization and Sustainability. Thank you to all for an amazing, productive, fun and thought-provoking time! Please get in touch if you are interested to join us in next year’s event.

Universität Klagenfurt

Marietta Blau-Stipendium für Julia Malik zur Durchführung einer Feldforschung in Kolumbien

Die Doktorandin und Universitätsassistentin Julia Malik hat ein Marietta Blau-Stipendium des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) erhalten. Dieses Stipendium unterstützt ihre Feldforschung in Kolumbien für ihr Promotionsprojekt „Bürger*innen klassifizieren, den Staat updaten: Wie Praktiken digitaler Wohlfahrt Staatlichkeit in Kolumbien prägen“.

Das Stipendium hilft hoch qualifizierten Doktoratsstudierenden, ihre Dissertation durch einen Langzeitaufenthalt im Ausland zu optimieren. Dank des Stipendiums ist es Julia Malik  möglich, einen zwölfmonatigen Aufenthalt in Kolumbien zu absolvieren, um ihre Feldforschung fortzusetzen und sich mit Wissenschaftler*innen an der Universidad del Rosario in Bogotá auszutauschen. Dies wird ihr Promotionsprojekt, das sich mit dem Zusammenspiel von Digitalisierung, Wohlfahrt und Staat beschäftigt, entscheidend voranbringen.

In ihrer Dissertation beschäftigt sich Julia Malik mit einem digitalen Klassifikations- und Informationssystem, das der kolumbianische Staat zur Verwaltung und Verteilung von Sozialleistungen verwendet. Hierbei stellt sie die Frage, wie Praktiken und Materialitäten der digitalisierten Wohlfahrt den Staat formen. Während des Stipendienaufenthaltes wird sie ethnografische Forschungsmethoden anwenden, um zu untersuchen, wie diese digitale Wohlfahrtsinfrastruktur von unterschiedlichen Akteur*innen auf verschiedene Weisen soziotechnisch praktiziert wird. Darüber hinaus wird sie erforschen, wie Technologien und Praktiken rund um diese digitale Wohlfahrtsinfrastruktur den Staat konfigurieren und somit Bürokratie, Sozialpolitik, Wohlfahrtsleistungen und staatliches Wissen mitprägen. Jenseits gängiger Annahmen über Digitalisierung und der häufigen Fokussierung auf deren Folgen für Bürger*innen, widmet sich Julia Malik den vielfältigen, ambivalenten und unerwarteten Auswirkungen von Digitalisierung sowie deren Verflechtungen mit nicht-digitalen Prozessen. Indem sie Digitalisierung als in sozio-materiellen Praktiken hergestellte Multiplizität konzeptualisiert, trägt sie zu STS-Debatten über die Digitalisierung des Staates bei.