Was wissen die Kärntnerinnen und Kärntner über Wirtschaft und Finanzen?
Arbeiterkammer-Präsident Günther Goach und Landeshauptmann Peter Kaiser präsentierten gestern im Rahmen einer Pressekonferenz die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zum „Finanz- und Wirtschaftswissen der Kärntner Erwerbsbevölkerung“, die vom Institut für Volkswirtschaftslehre (Robert Klinglmair und Florian Kandutsch) sowie dem Institut für Finanzmanagement (Alexander Brauneis) an der AAU Klagenfurt durchgeführt wurde.
„Financial Literacy“ ist ein Teilbereich der ökonomischen Bildung, der nicht erst seit der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gerückt ist. „Angesichts komplexer werdender Wirtschaftszusammenhänge und Finanzprodukte wird ein hohes Finanzwissen für die Bevölkerung immer wichtiger und stellt einen sogenannten ‚Life Skill‘ dar, da eine informiertere Bevölkerung einerseits geldpolitische Strategien und Entscheidungen der Wirtschaftspolitik besser verstehen und anderseits nachhaltigere persönliche Investitions- und Finanzentscheidungen treffen kann“, so Alexander Brauneis vom Institut für Finanzmanagement im Vorfeld der Pressekonferenz. „Insgesamt belegen jedoch fast ausnahmslos alle internationalen Untersuchungen, dass große Wissenslücken beginnend bei einfachsten ökonomischen Berechnungen (wie elementare Zinsrechnungen) bestehen; auch werden finanzwirtschaftliche (Basis)Konzepte wie etwa der Zinseszinseffekt, Inflation sowie die Grundprinzipien der Risikodiversifikation nicht verstanden und deuten auf bildungspolitischen Handlungsbedarf für entsprechende Maßnahmen in Hinblick auf die Schaffung bzw. den Ausbau von Finanzwissen hin“, sagt Projektleiter Robert Klinglmair.
Diesbezüglich bestehe – im Sinne einer Forschungslücke – die Notwendigkeit möglichst differenzierter, weiterführender (empirischer) Analysen, um die Datenbasis zu vergrößern. Von den 7.360 per Zufallsstichprobe an Kärntnerinnen und Kärntner im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) versandten Fragebögen, wurden 1.008 (oder 13,7 Prozent) retourniert. „Kärnten ist damit aktuell das einzige Bundesland, das eine derart breite Studie über das Finanzwissen der Bevölkerung vorweisen kann“, hält Projektmitarbeiter Florian Kandutsch fest.
Das Finanzwissen der Kärntner Erwerbsbevölkerung mit einem Mittelwert von 8,19 korrekten Antworten (auf die OECD-11-Standardfragen) ist mit jenem anderer vorliegender österreichischer Studien vergleichbar bzw. fällt der Befund – speziell in Hinblick auf Kenntnisse zu Abwertungen bzw. deren Auswirkungen auf Fremdwährungskredite – marginal höher aus. Kärntnerinnen und Kärntner könne demnach ein gewisses Finanztalent attestiert werden. Dabei sei der Anteil richtiger Nennungen bei „einfachen“ Fragen (z.B. Verständnis von Division, Zinsen oder Inflation) relativ hoch, bei vergleichsweise schwierigeren Fragen (Zinseffekt oder Zusammenhang zwischen Zinsen und dem Preis von Anleihen) sinke der Anteil richtiger Antworten jedoch merklich. Zu Klinglmairs Schlussfolgerungen: Das durchaus „gute“ Ranking (auch im internationalen Vergleich bei einer von der OECD/INFE im Jahr 2016 durchgeführten Erhebung, wo Platz neun von 35 Mitgliedsstaaten erreicht werden konnte) dürfe allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Notwendigkeit weitreichender Aktivitäten im Finanzbildungsbereich bestehe. Vor allem bei Frauen, Jüngeren, Personen mit Migrationshintergrund sowie Befragten mit niedrigem formalem Bildungsniveau und von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen bestehe der größte Aufholbedarf.
Auch hinsichtlich wirtschaftlicher Standardbegriffe zeige sich ein sehr positives Bild bei der Zielgruppe der Kärntner Erwerbsbevölkerung. So weiß etwa ein hoher Anteil der Befragten, wann ein staatliches Budgetdefizit vorliegt, was unter Inflation zu verstehen ist bzw. wie das öffentliche Pensionssystem finanziert wird. „Dennoch gilt es auch diese Befunde differenziert zu betrachten, da umgekehrt (gerade bei Inflation mit 23,5 % und dem Pensionssystem mit 45,3 %) ein nicht unerheblicher Anteil der Kärntnerinnen und Kärntner diesbezügliche Wissensdefizite aufweist und einmal mehr Handlungsbedarf in Hinblick auf Finanz- und Wirtschaftsbildungsaktivitäten impliziert“, hält Florian Kandutsch fest.
Zudem wurde auch auf die Hypo/Heta Geschehnisse aus Sicht der Erwerbsbevölkerung eingegangen. „Dabei zeigte sich, dass 57 Prozent die Entwicklungen regelmäßig medial verfolgt haben. Aus subjektiver Sicht wurde eine Bedrohung und Gefährdung für das Land und die Kärntner Bevölkerung erkannt (80 Prozent), eine negative Auswirkung auf das persönliche Image (67%) wurde mehrheitlich allerdings verneint“, so LH Peter Kaiser.
„Die Studie zeichnet erstmals ein deutliches Bild vom Wissensstand konkreter Personengruppen. Auf dieses umfassende Wissen muss das Bildungsangebot ausgeweitet und zukünftig maßgeschneidert angepasst werden“, resümierte Günther Goach. Einmal mehr habe die Studie jedoch gezeigt, dass Bildung früh beginne, sagte Studienleiter Klinglmair am Donnerstag. Und diese Bildungslücken würden sich im Erwachsenenalter fortsetzen und gelte es – im gesellschaftlichen Interesse – zu schließen.