Das Schweigen endlich brechen können

Psychotherapeutische Hilfe für Kärntner NS-Opfer. Kostenlose Trauma-Therapie durch ASPIS, ESRA und GKK

Seit kurzem bietet das Wiener Psychosoziale Zentrum ESRA in Zusammenarbeit mit dem Klagenfurter Verein ASPIS slowenischen Opfern der NS-Verfolgung psychotherapeutische Hilfe an. ESRA betreut seit elf Jahren jene Menschen, die aus religiösen, ethnischen, politischen oder anderen Gründen Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurden. Traumatische Erlebnisse einer Größenordnung wie Deportation und KZ-Aufenthalt können weder vergessen noch verdrängt werden. Auch nach vielen Jahrzehnten, oft nach dem Ende des aktiven Arbeitslebens, kommen sie wieder an die Oberfläche, z.B. in Form von quälenden Symptomen wie albtraumartigen Erinnerungen, Schlafstörungen, Depressionen oder den unterschiedlichsten körperlichen Beschwerden. Medizinische Behandlung kann hier in vielen Fällen Linderung bewirken. „Mit dem Jahr 1938 sind einem Teil der österreichischen Bevölkerung die Bürgerrechte genommen worden. Die Betroffenen haben eine ungemeine Kränkung erfahren. Eine Versöhnung kann es nicht geben,“ erklärt Primarius David Vyssoki, Psychiater und ärztlicher Leiter von ESRA in einer Pressekonferenz am 15. März an der Universität Klagenfurt.  In der psychotherapeutischen Betreuung kann die Wiederherstellung der eigenen Wertschätzung, der Menschenwürde gelingen. Darin besteht die Hilfe für die traumatisierten PatientInnen. „Es handelt sich dabei wohlgemerkt nicht um Psychiatrie, sondern um Psychotherapie!“ merkt Vissocky an.

Kostenlos mithilfe von Nationalfonds und GKK

Mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik Österreich können nun auch Menschen außerhalb Wiens diese Hilfe in Anspruch nehmen. In Kärnten arbeitet ESRA mit dem Klagenfurter Verein ASPIS zusammen, einem Verein, der sich um Opfer von Folter und Gewalt kümmert. Therapien sind auch in slowenischer Sprache möglich. Dank der Möglichkeit, mit der Kärntner Gebietskrankenkasse zu verrechnen, ist diese Hilfe für die Betroffenen kostenlos bzw. auf Krankenschein erhältlich.

Worüber reden die nur?

Vladimir Wakounig berichtet, dass sich seine Mutter immer wieder mit einer Freundin zum „völlig geheimen Gespräch“ zurückgezogen hatte. Beide waren gleichzeitig im KZ Ravensbrück gewesen. Miteinander konnten sie reden, den Kindern gegenüber blieb nur ein Schweigen: „aus Scham, aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus“, erzählt Wakounig, Assistenzprofessor am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Klagenfurt, der gerne auch „verstanden hätte“. Das war in diesem Fall nicht mehr möglich.

Spät, aber nicht zu spät

Die Initiative kommt zwar spät, aber für einige – rund 200 Betroffene unter der Kärntner slowenischen Bevölkerung sind noch am Leben – noch rechtzeitig. „Beim Gebrechlichwerden kommen die alten Erinnerungen verstärkt hoch. Und es geht darum, dass man endlich darüber sprechen kann,“ erklärt Klaus Ottomeyer, Obmann des Vereins ASPIS und Psychologieprofessor an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. In der nun angebotenen, besonders behutsamen Therapie wird den Opfern eine Umgebung geboten, die ihnen – häufig zum ersten Mal seit den Ereignissen – den Mut zum Erzählen gibt. Es wird ihnen zugehört, wenn sie ihren Albtraum als unverändertes Wiedererleben schildern.

Derzeit werden zehn PatientInnen, vorwiegend aus slowenischen Familien, von ASPIS betreut. Interessierte wenden sich an: Mag. Maria Lind, ASPIS Büro, Universitätsstraße, Studentendorf Haus 10, 9020 Klagenfurt, 0463-2700-1673 9 bis 12 (außer freitags)

Weitere Informationen
O. Univ. Prof. Dr. Klaus Ottomeyer, Abt. für Sozialpsychologie, Ethnopsychoanalyse und Psychotraumatologie, Institut für Psychologie, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Tel.: (+43) 0463/2700-1632 (1602) klaus [dot] ottomeyer [at] uni-klu [dot] ac [dot] at