Mit dem Masterstudiengang „Wissenschaft, Technik und Gesellschaft“ zum Innovationsexperten

Patrick Habernik strebte seit Beginn seines akademischen Werdegangs einen Beruf an, in dem er Neues entstehen lassen kann und landete durch sein Masterstudium schließlich genau an der richtigen Stelle. In seinem Job beim Forschungszentrum „Silicon Austria Labs“ (SAL) profitiert er unter anderem von der inter- und transdisziplinären Ausrichtung des Studiums und von dem ihm ermöglichten Blick auf die Vielschichtigkeit von Innovationen.

Sie haben „Science, Technology & Society Studies“ (heute Wissenschaft, Technik und Gesellschaft) studiert, warum haben Sie sich für diesen Studiengang entschieden?

Der Weg zu dieser Entscheidung verlief, wie so vieles im Leben, nicht gerade. Ich habe zuerst im Bachelor „Angewandte Betriebswirtschaft“ mit dem Fokus „Product Lifecycle Management“ studiert und dachte, dass dies mein Weg sei. Irgendwann merkte ich aber, dass mir die betriebswirtschaftliche Perspektive auf Innovation per se zu einseitig war: Ich wollte viel umfassender verstehen, wie Innovationen hervorgebracht werden und mich dabei vor allem auch auf die Art und Weise, wie diese in der Praxis angewandt werden, fokussieren. In diesem Zusammenhang stach mir der Studiengang „Science, Technology & Society Studies“ (STS) direkt ins Auge. Ich schnupperte dann gegen Ende des BWL-Studiums parallel in diesen Studiengang und nahm an einer Exkursion zum „Austrian Institute of Technology“ (AIT) und unter anderem auch zum Österreichischen Wissenschaftsrat teil. Die Gespräche mit Vertretern dieser Institutionen zeigten mir eindeutig, dass sich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nun einmal nur fachübergreifend und unter Einbeziehung der Gesellschaft lösen werden können. Dies bestärkte mich schließlich darin, dieses Masterstudium zu beginnen.

An welche Lehrveranstaltung aus dem Masterstudium denken Sie heute noch gerne zurück?

Ich denke generell an sehr viele Lehrveranstaltungen zurück. Das liegt daran, dass ich immer wieder gerne auf das darin erworbene Wissen für meinem heutigen Job zurückgreife. Das fängt bei der Wissenschaftskommunikation an, erstreckt sich über nachhaltige und partizipative Technikentwicklung, dem in unseren Handlungen eingeschlossenem Wissen, den Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft(en) und Innovationen, und geht bis hin zu Technik in ihrem jeweiligen Anwendungskontext.

Kurzum: Mit all dem neu erworbenen Wissen eröffneten sich mir neue Perspektiven und Sichtweisen. Weg vom Schwarz-Weiß-Denken und damit auch Wahrnehmen und hin zu der bunten Vielschichtigkeit und der Vielzahl an Schattierungen, die unsere Welt zu bieten hat.

Welche Themen waren während des Studiums am interessantesten für Sie?

Alle Themen, die sich mit Innovation befassen, denn dafür brenne ich einfach. Generell übten aber jene Themenbereiche, die sich auf die Konstruktion und Anwendung von Technik, die Entstehung und Verbreitung von (wissenschaftlichem) Wissen und die Verknüpfung mit gesellschaftlichen Prozessen beziehen, eine große Faszination auf mich aus.

Zum Beispiel finde ich den Ansatz sehr interessant, dass Innovationen nicht entstehen können, ohne zugleich an die zukünftigen Benutzer und die Art und Weise, wie diese die Technik verwenden sollen, zu denken. Dieses Sollen führt im Weiteren dazu, dass uns die Technik vorschreibt, was wir zu tun haben. Zum Beispiel, mein Wecker schreibt mir nahezu täglich durch seinen nervenden Ton vor, pünktlich aufzustehen. Eine Tür schreibt mir vor, daran zu ziehen oder zu drücken, wenn ich einen Raum betreten möchte. Aber gerade, weil Innovationen nicht entstehen können, ohne dass dabei auch an die sie benutzenden Menschen gedacht wird, können Ungleichheiten in der Gesellschaft entstehen. Bei der Konstruktion eines Weckers mit schrillem Ton ist zum Beispiel nicht an gehörlose Menschen gedacht worden. Innovationen, die für einen bestimmten Zweck erfunden worden sind, können aber auch alternative Arten ihrer Anwendung anbieten. Meinen Wecker kann ich zum Beispiel auch als Briefbeschwerer für meine längst überfälligen Rechnungen verwenden, nur wird dies nicht im Sinn des Erfinders sein.

Was ich damit sagen will, ist, dass es so viel mehr zu entdecken gibt, wenn man sich der Vielschichtigkeit öffnet. Dies zu erkennen, war einfach „Mind-Blowing“ für mich.

Welche Erfahrung während des Masterstudiums war besonders lehrreich?

Für mich persönlich war es die Masterarbeit: Sie war das „Bottle Neck“ meines Studiums, wobei ich gerade durch den Prozess des Verfassens und all der damit verbundenen Tätigkeiten am meisten lernen konnte. Ich könnte jetzt stundenlang über das Thema „Improvisieren in lokalen Mensch-Technik-Konstellationen“ erzählen, weil mich dieses Thema nach wie vor fasziniert. Um es aber kurz zu fassen, habe ich erforscht, wie man eher unübliche Arten der Technikbenutzung sichtbar macht und diese Praktiken als Ideenquelle für Innovationen erschließen kann.

Darüber hinaus hat es sich spannenderweise gezeigt, dass das Funktionieren einer Technik nicht ausschließlich von deren Eigenschaften abhängt, also von der Art und Weise wie sie konstruiert wurde, sondern im Wesentlichen auch von den Bedingungen in der jeweiligen Gebrauchssituation mitbestimmt wird. Wenn ich zum Beispiel die Situation beobachte, dass jemand lieber sein Smartphone nimmt, um damit eine Schrift „lesbar“ zu machen, anstatt sich seine optische Brille aufzusetzen, dann wirft das für mich äußerst interessante Fragen auf. Zum Beispiel: Warum ist die Vergrößerungsfunktion des Smartphones in dieser Situation „besser“ als die der optischen Brille?

Wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus, was sind Ihre Aufgaben?

Meine Aufgabe als „Innovation Expert“ beim Forschungszentrum „Silicon Austria Labs“ ist es, Unternehmen bei der Umsetzung von Innovationsvorhaben zu unterstützen, wobei mein Fokus auf dem für mich spannendsten Teil liegt: dem Aufspüren und Generieren von Ideen. Warum spannend? Ganz einfach, Ideen bilden die Basis von Innovationen und ich kann an Innovationen mitwirken, die in fünf bis zehn Jahren auf den Markt kommen und unsere Gesellschaft langfristig verändern können. Hinzu kommt, dass ich im Bereich der elektronikbasierten Systeme (EBS) arbeite. Darunter zu verstehen sind intel­li­gente Maschinen, „Internet of Things“, „Weara­bles“, perso­na­li­sierte Medizin, Stimmen- und Gesten­steue­rung, gedruckte Elektronik und vieles mehr.

Neben der Ideengenerierung ist es ebenso wichtig, mich international mit Unternehmen aus allen Branchen sowie mit sämtlichen weiteren Akteuren zu vernetzen. Denn man darf nicht außer Acht lassen, dass Innovationen ein sie ermöglichendes Ökosystem benötigen: Nie ist es ein einzelner Akteur, der eine Innovation hervorbringt.

Aktuell bin ich dabei, Innovationsworkshops für Unternehmen vorzubereiten, um die Potenziale aktueller Forschung & Entwicklung anwendungsnah zu vermitteln und den Unternehmen somit völlig neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Ich freue mich schon sehr darauf, diese Workshops methodisch zu leiten, um das Innovationspotenzial der Unternehmen zu entfalten, sodass sie daraus Wettbewerbsvorteile generieren können.

Meine Aufgabe ist es also, metaphorisch gesagt, Glühbirnen zum Leuchten zu bringen!

Für mich persönlich ist es ein Traumberuf, weil ich jetzt genau an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Technik und Gesellschaft arbeite und ich mich durch mein Studium sowie all den gesammelten Erfahrungen bestens ausgerüstet fühle, um Innovationen in diesem Kontext voranzutreiben.

Von welchen Fähigkeiten und Kenntnissen aus dem Studium profitieren Sie in Ihrer Arbeit heute noch?

Ich profitiere insbesondere von der Fähigkeit, inter- und transdisziplinär die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Technik zu analysieren und zu verstehen. Darüber hinaus profitiere ich von den Methodenkenntnissen und vor allem von den eher unüblichen oder zum Teil auch irritierenden Perspektiven auf Wissenschaft, Technik und Gesellschaft. Zum Beispiel sehe ich persönlich Technik nicht mehr als etwas, das einfach da ist oder hier „rumliegt“, sondern als etwas, dass ähnlich dem Handeln eines Menschen gleichwertig zu berücksichtigen sei. Wenn ich morgens um 6 Uhr aufstehe, dann tue ich das nicht allein, denn mein Wecker leistet hierzu ebenso seinen Beitrag. Wenn ich meine Wäsche trockne, dann tue ich das ebenso wenig allein, denn mein Wäscheständer ist in dieser Handlung auch involviert. Ich will damit sagen, dass wir Menschen nicht völlig allein handeln: All die Dinge um uns herum tun ebenso etwas.

Die Fähigkeit, stets das ganze Bild zu sehen, aber dennoch auch auf konkrete Ausschnitte dieses Bildes zu fokussieren und dabei nie den Faktor „Mensch“ und all die Vielschichtigkeit außer Acht zu lassen, ist für mich das zentrale Element meiner täglichen Arbeit.

Und was machen Sie zum beruflichen Ausgleich?

Laufen, Fitness und Unternehmungen mit Freunden. Mir persönlich ist es wichtig, eine Balance zwischen Arbeit und Privatleben herzustellen, was dank meiner flexiblen Arbeitszeiten und der Möglichkeit von überall aus zu arbeiten, sehr gut funktioniert.

Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?

Ich würde ihnen raten, über den Tellerrand zu schauen, Neues auszuprobieren und sich auf das Unerwartete einzulassen. Darüber hinaus möchte ich das Wissen mitgeben, dass es durchaus sinnvoll ist, auch einmal einen Umweg oder eine Abkürzung zu nehmen, weil man andernfalls viele Erfahrungen verpasst. Ich persönlich dachte zu Beginn des Studiums, dass es ein gerader Weg werden wird, aber im Laufe der Jahre kamen unglaublich viele neue Erkenntnisse hinzu, die meinen Horizont erweiterten, sodass sich völlig neue Wege aufgetan haben.

 

Auf ein Wort mit Patrick Habernik

Ein glücklicher Moment an der Uni Klagenfurt war … jede einzelne Freundschaft, die sich durch das Studium entwickelte und bis heute besteht.

Aus meiner Studienzeit besitze ich noch … viele Erinnerungen, wie zum Beispiel an die Ruhe in der Bibliothek, in der ich mich liebend gerne aufhielt, um Seminararbeiten etc. zu schreiben.

Inspiriert hat mich … Bruno Latour. Seine Werke sind zwar schwer verdaulich, aber genau aus diesem Grund zehrt man länger von ihnen.

Wenn ich noch einmal studieren würde, würde ich … definitiv wieder den gleichen Weg einschlagen. Andernfalls wäre ich jetzt nicht da, wo ich aktuell bin, und es würden sich nicht all die Wege ergeben, die ich in Zukunft noch einschlagen kann.

Mein Studium in vier Worten: interdisziplinär, inspirierend, intensiv, innovativ