Gastvortrag: Luca Basso“ Ein Verein freier Menschen”. Gesellschaft und Individuation bei Karl Marx

Einladung zum Gastvortrag

„Ein Verein freier Menschen”. Gesellschaft und Individuation bei Karl Marx

von Luca Basso (Universität Padua)

am Mittwoch, 17. November 2021, 18:00 Uhr, O.0.01 (Stiftungssaal)

 

Abstract

Der Ausgangspunkt des Vortrags ist die Überzeugung, dass die Frage der individuellen Verwirklichung eine entscheidende Rolle in der Marx’schen Reflexion spielt. Wenn wir die bürgerliche Gesellschaft analysieren, realisieren wir nach Marx, dass die Freiheit des Individuums und dessen Subsumption unter eine gesellschaftliche Macht zwei Seiten derselben Medaille sind. Gesellschaft und Individuation konstituieren nach Marx nicht zwei Gegenpole, sondern sie setzen sich beide gegenseitig voraus. Es ist wichtig, die Ambivalenz der beiden Elemente zu betonen: auf der einen Seite wird die Gesellschaft nicht nur geschätzt, sondern aus ihren Herrschaftsstrukturen heraus auch kritisiert; auf der anderen Seite wird die Individuation nicht nur kritisiert, sondern bildet eine Basis für eine Dynamik, die zu einer anderen Perspektive als der gegenwärtigen kapitalistischen führen kann. Es geht Marx darum, die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft auf eine andere Weise als die Theoretiker des modernen Naturrechts und als die Exponenten der klassischen politischen Ökonomie zu interpretieren. Es ist bezeichnend, dass Marx im Kapital den Kommunismus als „Verein freier Menschen“ definiert. Dadurch versucht Marx, eine wechselseitige dynamische Implikation zwischen dem “Individuellen” und dem “Gesellschaftlichen”, zwischen “einem jeden” und “allen” zu schaffen.

 

Zur Person

Luca Basso ist Professore ordinario am Dipartimento di Scienze Politiche Giuridiche e Studi Internazionali an der Università degli Studi di Padova. Er hat Philosophie in Padua, an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin studiert. Er wurde 2004 mit einer Arbeit über Individuum und Gemeinschaft in der politischen Philosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz an der Università di Pisa promoviert. An der Università degli Studi di Padova war er Ricercatore, Professore aggregato, Professore associato und ist seit 2020 Professore ordinario. Er hat ausgedehnte Forschungsaufenthalte im Ausland absolviert: Berlin (Freie Universität, Technische Universität, Staatsbibliothek und MEGA-Edition), Potsdam (Leibniz-Edition), Weimar (Stiftung Weimarer Klassik), München (Staatsbibliothek), Hannover (Leibniz-Archiv), Wolfenbüttel (Herzog August Bibliothek), Paris (Bibliothèque Nationale, Bibliothèque de l’Ecole Normale Supérieure) und London (Queen Mary University, Brunel University und British Library). Im Zentrum seiner Forschung steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen individuellem Subjekt und kollektivem Subjekt in der modernen und zeitgenössischen Philosophie. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Tradition. Sein langjähriges Interesse gilt der politischen Philosophie und der Naturrechtstheorie von Leibniz und dem Zusammenhang zwischen Individuum, Gesellschaft und Gemeinschaft bei Marx und in der marxistischen Tradition. Seit einigen Jahren hat er auch einen Forschungsschwerpunkt zur französischen politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts aufgebaut, mit einem besonderen Interesse an der Philosophie Jean-Paul Sartres.

 

Monographien

Individuo e comunità nella filosofia politica di G. W. Leibniz, Rubbettino, Soveria Mannelli 2005.

Socialità e isolamento: la singolarità in Marx, Carocci, Roma 2008; Übersetzung: Marx and Singularity. From the Early Writings to the “Grundrisse”, Brill, Leiden-Boston 2012.Agire in comune. Antropologia e politica nell’ultimo Marx, ombre corte, Verona 2012; Übersetzung: Marx and the Common. From “Capital” to the Late Writings, Brill, Leiden-Boston 2015.

Inventare il nuovo. Storia e politica in Jean-Paul Sartre, ombre corte, Verona 2016.