Zum 20. Mal „Wissen schafft Kultur“ | Foto: aau/Puch

Warum soll ein Schriftsteller eine bessere politische Meinung haben als ein Bäcker?

Michael Köhlmeier im Ö1-Gespräch mit Michael Kerbler über die Zweckfreiheit von guter Literatur

Michael Köhlmeier reklamiert für sich, ein politischer Mensch zu sein, einer der auch schon explizit politische Artikel verfasst hat, etwa für das „Profil“ oder „Die Presse“. Doch absichtlich politische Agitation in einen Roman einzubauen, hält er für völlig falsch: „Dafür ist diese Gattung nicht geeignet.“

Im Gespräch „Über die Nichtwiderständigkeit von Literatur“ mit Ö1-Redakteur Michael Kerbler am 18. Jänner 2012 an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt forderte der Schriftsteller die klare Trennung zwischen Literatur und politischen Stellungnahmen ein, sowohl in der Produktion als auch in der Wahrnehmung durch die Leserschaft. Er hält Schriftsteller nicht a priori für die besseren politischen Bürger und fragt, „Warum soll ein Schriftsteller eine bessere politische Meinung haben als ein Bäcker?“ Für ihn gibt es auch keine geglückten Beispiele von gelungenen politischen Romanen. Er räumt jedoch ein, dass einzelne Werke eine unmittelbare politische Sprengkraft haben können und führt u. a. Becketts „Warten auf Godot“ an.

Köhlmeier, dessen Sagen- und Märcheneditionen schon Generationen von Menschen prägen, ist gerade dabei, einen zweiten großen Roman zu schreiben.  Er meint, dieser werde eher düster ausfallen und stellt einen großen Vergleich an: Wenn es im „Abendland“ um Faust gegangen ist, dann behandelt der neue Roman Mephisto. Und wie er das Schreiben von so komplexen Werken angehe? „Ich beginne immer mit einer Figur, ihr gegenüber entwickle ich ein erotisches Verhältnis.“ Dann kämen weitere Figuren hinzu, und alle beginnen ein intensives Eigenleben zu führen, „sie bekommen oft eine größere Wirklichkeit als das reale Leben.“ Wenn am Ende eine Figur stirbt, ist das für ihn entsprechend dramatisch. Ja, dann müsse er sogar so etwas wie Trauerarbeit leisten.

Die 20. Vorlesung von »Wissen schafft Kultur« fand in Kooperation mit dem Robert-Musil-Institut und dem Radiosender Ö1 statt. Die Ausstrahlung der Sendung erfolgt am Donnerstag, 26. Jänner 2012 um 21 Uhr und wird am Freitag, den 27. Jänner 2012 um 16 Uhr wiederholt.