Systeme in Echtzeit steuern

Die Zukunft des Straßenverkehrs liegt im stressfreien Fahren von A nach B. Mittels Technik können wir Staugefahr vermeiden und flexibel auf Unfälle und Baustellen reagieren. Künstliche Intelligenz auf Basis von Logiksystemen steuert solche Verkehrsleitsysteme, Produktionsanlagen oder die Bahnlogistik. In einem Forschungsprojekt mit Siemens AG Österreich wurden neue Ansätze entwickelt, die ein schnelles Reagieren auf neue Situationen ermöglichen.

Schon heute wird bei der intelligenten Verkehrssteuerung der Verkehrsfluss anhand von GPS-Informationen, intelligenten Kameras in Ampelanlagen oder Sensoren im Straßenbelag gesteuert. Autos, Einsatzfahrzeuge, Busse oder Straßenbahnen kommunizieren miteinander. Gerade im städtischen Verkehr gibt es Zeiten mit höherem und geringerem Verkehrsaufkommen. Es kommt zu unvorhersehbaren Unfällen, es entstehen Staus und oft sind Umwege für Autos notwendig. Die Systeme müssen flexibel auf diese Verzögerungen im Straßenverkehr reagieren. Dies alles kann nur funktionieren, wenn laufend Daten gesammelt, ausgewertet und auf die Verkehrslage umgesetzt werden. Dafür wird Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, durch die sich so genannte cyberphysische Systeme automatisch anpassen.

Gerhard Friedrich vom Institut für Artificial Intelligence and Cybersecurity forscht seit Jahrzehnten intensiv zu logikbasierten Systemen in Zusammenarbeit mit Siemens AG Österreich. Cyberphysische Systeme kommen in vielen Anwendungsgebieten zum Einsatz, wie zum Beispiel in IT-Verkehrssteuerungs- und Verkehrslogistiksystemen, in Informations- und Energienetzwerken sowie in industriellen Prozesssteuerungs- und Automationssystemen. „Cyberphysische Systeme sind Zusammenschlüsse von vernetzten mechanischen und elektronischen Komponenten mit Steuerungs- und Monitoring-Algorithmen“, beschreibt Friedrich. Solche Systeme sind permanenten Änderungen der Umgebungsbedingungen und Zielvorgaben ausgesetzt und müssen auf Veränderungen rasch reagieren und neue Lösungen generieren. „Flexible cyberphysische Systeme unterliegen einer stetigen Rekonfiguration, um ein Gesamtverhalten zu optimieren“, erklärt Gerhard Friedrich. Dies erreiche man am besten mit der Methode der Wissensverarbeitung, indem die technischen Möglichkeiten eines Systems beschrieben und durch logische Schlussverfahren optimierte Konfigurationen erzeugt werden. Für cyberphysische Systeme gab es bisher noch keine solche wissensbasierte (Re-)Konfiguration. Es fehlte die Option, flexible dynamische Systeme in Echtzeit mithilfe logikbasierter Systeme zu steuern und anzupassen.

„Die Herausforderung liegt darin, dass logikbasierte Systeme schnell genug sind, um rechtzeitig zu reagieren.“ (Gerhard Friedrich)

In dem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten dreijährigen Forschungsprojekt „DynaCon“, unter der Leitung von Gerhard Friedrich und weiteren fünf Partnern aus Industrie und Forschung sowie Siemens Technology Österreich, hat sich das Team der Steuerung von Systemen wie Verkehr, Kommunikationsnetzwerke oder Bahnlogistik gewidmet und so die verfügbaren Techniken der wissensbasierten (Re-) Konfiguration vorangetrieben. Auf die Frage, wie ein logikbasiertes Steuerungssystem funktionieren kann, antwortet Gerhard Friedrich: „Wir verwenden keine traditionelle Programmiersprache, sondern Logik. Es wird mithilfe von logischen Bedingungen definiert, was eine Abweichung von einem Zielzustand des Systems ist und welche Aktionen ein System durchführen kann, um einen Zielzustand zu erreichen. Diese logikbasierten Systeme suchen automatisch eine Lösung. Es wird nicht definiert, wie man zum Ziel kommt, sondern welche Eigenschaften ein Ziel haben muss.“ Das System ist intelligent und erkennt, wenn definierte technische Nebenbedingungen verletzt werden, wenn etwas vom Normalverhalten abweicht, und berechnet automatisch Aktionsfolgen, deren Ausführung eine Zielerreichung herbeiführen.

„Es wird nicht definiert, wie man zum Ziel kommt, sondern welche Eigenschaften ein Ziel haben muss.“ (Gerhard Friedrich)

Als Beispiele für Nebenbedingungen führt Friedrich an, dass eine Triebwagenfahrzeugführerin eine gewisse Befähigung benötigt, um eine Bahnstrecke zu befahren, oder wenn ein bestimmtes Produkt an einem definierten Ort zum Zeitpunkt X sein muss. „Mithilfe dieser logischen Beschreibungen definieren wir, wenn gewisse Ereignisse eintreten, wo reagiert werden muss. Sollte es aufgrund eines Verkehrsunfalls zu einer Verzögerung von ein bis zwei Minuten kommen, so reagiert das System noch nicht. Wenn sich aber ein Stau aufbaut, müssen Ampelschaltungen vorgenommen und der Verkehr umgeleitet werden.“ Die Lösungssuche sei automatisiert und passiere im Hintergrund, so der Informatiker. Dabei sei für die Lösungsfindung jeder einzelne Schritt wichtig und jede Entscheidung für eine Option schließt möglicherweise andere Optionen und Lösungswege aus.

„Die Herausforderung liegt darin, dass logikbasierte Systeme schnell genug sind, um zu reagieren und schnell eine Lösung zu finden“, sagt Gerhard Friedrich, denn bei cyberphysischen Systemen kommt häufig die Realzeitkomponente zum Tragen.

Im Rahmen des Projekts „DynaCon“ wurden Algorithmen und Prototypen entwickelt, die zu einer Verbesserung durch automatisierte (Re-)Konfigurationen führen. Sie wurden mehrfach eingesetzt, wie beispielsweise in der Logistik des Güterverkehrs oder bei der optimierten Ampelsteuerung im Straßenverkehr bei Siemens AG Österreich. „Der große Vorteil liegt darin, dass eine höhere Lösungsqualität vorliegt und es zu Kosteneinsparungen bei der Neuentwicklung und Wartung der Systeme kommt.“ Mehrere Forschungsgruppen an der Fakultät für Technische Wissenschaften befassen sich mit logikbasierten Systemen und entwickeln Lösungsalgorithmen.

für ad astra: Lydia Krömer

Zur Person



Gerhard Friedrich ist Professor am Institut für Artificial Intelligence and Cybersecurity und leitet die Forschungsgruppe „Intelligente Systeme und Wirtschaftsinformatik“. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wissensrepräsentation und -verarbeitung, Produktionsplanung, automatisierte Konfiguration von Produkten und Dienstleistungen, wissensbasierte Diagnose sowie Empfehlungssysteme.



Friedrich Gerhard