Mit Krypto reich werden?

Der Start ist einfach: App herunterladen, Identität verifizieren, „echtes Geld“ einzahlen und loslegen. Private können heute einfacher denn je mit Krypto-Projekten handeln. Wir haben mit Alexander Brauneis darüber gesprochen, unter welchen Bedingungen man damit vielleicht sogar Erfolg haben kann.

Vor zwanzig Jahren brauchte man noch eine Bank, um Aktien zu kaufen. Heute kann jeder via Smartphone-App mit Kryptowährungen handeln. Nehmen die Menschen dieses Angebot auch wahr?
Vor zehn Jahren gab es die ersten Krypto-Börsen. Dort wurden täglich einige Millionen Euro bewegt. Heute liegen wir bei bis zu 200 Milliarden Euro Umsatz am Tag, alleine in den Kryptobörsen. Wir reden also von gewaltigen Umsätzen, deren Ursache nur sein kann, dass es tatsächlich mehr Menschen geworden sind, die an diesem Handel teilhaben.

Wie erklären Sie sich den hohen Zuspruch?
Einerseits gibt es neben Bitcoin mittlerweile eine Vielzahl an Krypto-Assets. Viele dieser Projekte wollen nicht nur den Zahlungsverkehr erleichtern, sondern haben ganz andere Vorzüge oder Nutzversprechen. Das haben viele Menschen erkannt. Außerdem gab es in den letzten zehn Jahren immer wieder Hype-Phasen, zuletzt 2013, 2017 und 2021. In diesen Phasen haben auch Medien, die sich an die breite Öffentlichkeit richten, darüber berichtet, dass der Wert der Bitcoins deutlich zugelegt hat. In den Köpfen der Marktteilnehmer*innen entsteht dann das Gefühl, das wir FOMO – fear of missing out – nennen. Man ist in Sorge, etwas zu verpassen. Das hat das Wachstum des Markts begünstigt, obwohl wir derzeit wieder eine Phase von Verlusten und großer Unsicherheit haben.

Hat man als Privatanleger*in reale Chancen, Gewinne an den KryptoBörsen zu erzielen? Der Erfolg hängt ja auch oft von einem Informationsvorsprung ab. Gibt es eine bewusste Manipulation der  Kurse?
Der Markt ist mittlerweile zu groß, um ihn leicht manipulieren zu können. Gerade die großen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sind meiner Wahrnehmung nach nur sehr schwer zu manipulieren.

Welche Rolle spielen denn die Finanzinfluencer*innen?
Wir forschen derzeit zur Frage, was mit den Preisen von ganz kleinen Kryptowährungen passiert, wenn sie auf YouTube von Kanälen promotet werden, die ein paar hunderttausend Follower*innen haben. Es zeigt sich in unseren Ergebnissen, dass der Preis wirklich am nächsten Tag steigt, dann aber zwei Tage später wieder absinkt. In diesem Umfeld gehen wir davon aus, dass es eine Manipulation gibt.

Was ist mit ganz großen Marktteilnehmer*innen? Haben sie massivere Steuerungsmöglichkeiten?
Ja, es gibt die sogenannten whales, die große Geldmengen bewegen und damit auch Preise treiben können. Für die großen Kryptoprojekte ist es aber wie am Finanzmarkt: Wir gehen davon aus, dass der Markt effizient ist und niemand die Macht hat, Preise über einen längeren Zeitraum systematisch zu beeinflussen. Wir sehen zum Beispiel, dass in diesem Sommer eine der Top-Ten Kryptowährungen völlig kollabiert ist – von 100 Dollar auf null. Damit hat niemand gerechnet und im Zuge dessen haben auch große institutionelle Anleger*innen sehr viel Geld verloren.

Kommen wir zurück zu den Privatanleger*innen. Sie handeln an den Kryptobörsen ja oft mit Produkten, die sie nicht verstehen. Eine Börsenweisheit lautet: „Kaufe nur, was du verstehst.“ Gilt das auch bei den Kryptoprojekten?
Ja, unbedingt.

Wie lassen sich die komplexen Produkte erklären?
Blicken wir zurück in die 1990er Jahre. Damals war das Internet eine revolutionäre Technologie, an die viele glaubten. Wer damals auf die heute erfolgreichsten Marktteilnehmer*innen wie Microsoft, Apple oder Google setzte, wird viel Geld mit seinen Aktien verdient haben. Ähnlich ist es bei den Kryptoprojekten. Sie basieren auf einer neuen Technologie, nämlich der Blockchain. Die Blockchain muss als eine dezentralisierte Datenbank verstanden werden, die von einer gleichberechtigten Gemeinschaft verwaltet, immer nur erweitert und niemals nachträglich verändert wird. Ich gehe davon aus, dass das eine Technologie ist, die in den nächsten zehn Jahren in viele Lebensbereiche einziehen wird.

Doch woher weiß ich, welche Krypto-Projekte in zehn Jahren erfolgreich sein werden?
Ob die heute Großen auch in zehn Jahren die Großen sein werden, ist schwer vorherzusehen. Ich muss also meine Erwartung in den Nutzen einer neuen Technologie einschätzen, und dafür muss ich die Technologie idealerweise auch verstehen. Wenn man das nicht (gänzlich) versteht und trotzdem Kryptowährungen halten will, würde ich empfehlen, zunächst nur mit Bitcoin zu beginnen und erst dann in andere Projekte zu investieren, wenn man versteht, worin der Unterschied und der Mehrwert liegen.

Man investiert also in eine Technologie und nicht in eine Währung?
Die meisten Krypto-Assets sind gar keine Zahlungsmittel im Sinne von Geld. Das zweitgrößte Projekt ist Ethereum – eine Plattform, die ich nutzen kann, um darauf Businessmodelle aufzubauen. Ich nenne ein einfaches Beispiel: Die Ethereum-Blockchain kann ich nutzen, um NFTs (non fungible token) zu erzeugen und zu handeln. Als Künstler*in kann ich dann meine (elektronische) Kunst auf der Blockchain „tokenisieren“, somit einen digitalen Eigentumsbeleg erzeugen und damit meine Kunst handelbar machen. Damit ich die Blockchain nutzen kann, brauche ich die Währung – in dem Fall Ether. Die Plattform bezahle ich dafür, damit das Erzeugen meiner tokenisierten Kunst überhaupt möglich ist.

Die Kunst hat aber nur dann einen Preis, wenn das auch jemand kaufen will.
Ja, das ist wie auf allen Märkten. Auch hier gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Was sind Ihrer Meinung nach weitere erfolgsversprechende Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie?
Nehmen wir Lieferketten: Das Kryptoprojekt VeChain möchte Lieferketten auf der Blockchain abbilden. Louis Vuitton nutzt diese Technologie schon. Die Tasche wird hergestellt – und auf der Blockchain wird vermerkt, wo das Leder herkommt und wo sie produziert wird. Die Tasche wird dann verschifft, kommt zu einem Zwischenhändler und schließlich in den Laden. All diese Schritte sind auf der Blockchain vermerkt. Sie sind nicht mehr löschbar, nicht mehr veränderbar und nicht manipulierbar. In der Tasche ist dann ein Chip, mit dem ich die Lieferkette nachvollziehen kann. Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere Ideen und Projekte, etwa blockchainbasierte Spiele, dezentrale Datenspeicherung, Zahlungsverkehr, Datenbanken, Internet of Things und viele andere.

Wie lässt sich die Grundidee der Dezentralisierung erklären?
Es soll ein Netzwerk ohne zentrale Autorität geschaffen werden. Ich muss bei Blockchains nicht darauf vertrauen, dass jemand mit Hoheitsgewalt in meinem Sinn handelt, beispielsweise, dass mich meine Hausbank die Stromrechnung online tatsächlich bezahlen lässt. In der Kryptowelt gibt es solche zentralen Instanzen nicht. Damit Transaktionen, z. B. der Transfer von Bitcoins an eine andere Adresse, trotzdem möglich und immer rechtens sind, werden Teilnehmer*innen – die „Miner“ – im Bitcoin-Netzwerk ökonomisch incentiviert. Sie überprüfen erst, ob eine gewünschte Transaktion legitim ist, das heißt, ob der Absender das Guthaben überhaupt hat und es außerdem nicht doppelt verwendet, also zeitgleich an zwei Empfänger*innen senden will. Für diese Arbeit werden Miner belohnt und anderenfalls bestraft; man nennt das „Konsens-Mechanismus“, von dem es je nach Blockchain verschiedene Varianten gibt. Insgesamt handeln Miner im eigenen und gleichzeitig in meinem Sinn und das ohne die Notwendigkeit einer Aufsichtsbehörde – eben dezentral.

Wie reagieren aber bisher zentrale Player am Finanzmarkt auf das neue Prinzip?
Die Staaten bemühen sich um Regulierung. In der EU arbeitet man derzeit an einer neuen Richtlinie für Krypto-Assets, in Indien werden Krypto-Assets mittlerweile wie andere Finanzprodukte besteuert. In China wurde das Krypto-Mining verboten. Was die Finanzindustrie betrifft, ist das Kernthema derzeit die sogenannte Dezentralised Finance (DeFi). Man möchte zum Beispiel den Handel von diversen Assets, auch herkömmliche Aktien, aber auch das Einlage-/Kreditgeschäft blockchainbasiert abwickeln. All das steckt derzeit noch in den Kinderschuhen und ist fehleranfällig, kann aber jetzt schon zu sehr günstigen Preisen angeboten werden.

Wie können sich Private auf die veränderte Finanzwelt vorbereiten? Gibt es Ihrer Meinung nach genügend financial literacy bei den Menschen?
Die Rechnung ist relativ einfach: Wenn ich mehr Rendite will, muss ich höhere Risiken eingehen. Bei hohen Inflationsrate und noch immer niedrigen Sparzinsen gehen die Menschen Risiken ein, die sie oft nicht einschätzen können. Es gibt viele Finanzprodukte, die für einen vernünftigen Vermögensaufbau viel sicherer als Kryptowährungen sind. Als Beimischung kann man aber auch Kryptoprojekte in Erwägung ziehen.

Kann man bei den jetzt in Krisen geratenen Kryptowährungen nicht einfach warten, bis die Kurse wieder besser werden?
Wenn ich beispielsweise auf ein österreichisches ATX-Unternehmen setze, das schon lange besteht, ist die Chance groß, dass das Unternehmen in zehn oder zwanzig Jahren auch noch gut dasteht.
Bei den Kryptowährungen kann ich das nicht sagen. Mit dem Handeln via Smartphone-App wird man üblicherweise auch nicht zur Millionärin, wenngleich es auch solche Einzelfälle gibt. Auch wenn es bei großen Anbietern wie Bitpanda von den rund 15.000 verschiedenen Kryptowährungen nur rund 50 der „Solideren“ unter ihnen zu handeln gibt, gilt: Der Handel ist hoch riskant. Empfehlungen kann dazu niemand geben und das Risiko muss man selbst einschätzen können.

Zur Person


Alexander Brauneis ist assoziierter Professor am Institut für Finanzmanagement der Universität Klagenfurt. Ab November 2022 wird er als Professor for Finance and Innovation an der Nottingham Business School tätig sein. Der Universität Klagenfurt ist er weiterhin als externer Lehrender verbunden. Er studierte Betriebswirtschaft an der Universität Graz und war seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der AAU. 2014 wurde ihm die venia docendi für das Fach „Allgemeine Betriebswirtschaft“ verliehen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u. a. in der empirischen und quantitativen Finanzmarktforschung, der angewandten Ökonometrie, Kryptowährungen und der Marktmikrostruktur von Krypto-Märkten.



Brauneis Alexander