Krankenhausgang | Foto: Sudok1/Fotolia

Gesundheit zwischen Monetik und Ethik

Wie schlecht steht es wirklich um das österreichische Gesundheitssystem? Betriebs- und Gesundheitswissenschaftler Guido Offermanns attestiert eine Krise im System, kennt Verbesserungspotenziale und geht mit Praktikern neue Wege.

10,8 Prozent des österreichischen BIP (2013) wandern in die Finanzierung des Gesundheitssystems. Auch wenn der gefühlte Standard hier sehr hoch ist, in einigen Bereichen sind andere Länder Österreich voraus. So etwa bei einer guten regionalen Versorgungsplanung und der Anzahl von kostenintensiven Krankenhausbetten. Mit 549 Betten pro 100.000 Einwohner ist die Anzahl hierzulande um mehr als ein Drittel höher als im EU-15-Durchschnitt. „Daneben ist der niedergelassene Bereich schlecht ausgebaut und zu wenig auf die Bedürfnisse der Patienten ausgerichtet“, kritisiert Guido Offermanns. „Wenn nun – wie eben in Kärnten als eine Maßnahme in der Folge des Hypodesasters – gleich ein ‚Kostenreduktionspaket‘ ohne tatsächliche Strukturreformen umgesetzt werden soll, wird dies die Probleme im System wesentlich verschärfen.“

Sind dann für die PatientInnen automatisch Verschlechterungen zu erwarten? „Die reine Fokussierung auf die Kosten und leichte kosmetische Veränderungen werden in die verdeckte Rationierung von Leistungen führen, unter denen vor allem sozial schwache Menschen leiden werden. Zudem werden Meinungen kundiger Health Professionals bei der Diskussion oft außen vor gelassen, und es wird lediglich der politischen Rationalität gefolgt“, befundet Offermanns, der sich in seiner Forschung auf Patientensicherheit, Qualitätsmanagement und Organisationskultur spezialisiert hat. Die Fehlerrisiken
aber werden sich kaum verringern. Die Gefahr todbringender Fehler in der Krankenversorgung ist hoch. Eine Analyse aus 241 Studien zu Behandlungsfehlern aus der ganzen Welt ergab, dass die Wahrscheinlichkeit bei 1 zu 1000 liegt, d. h., jeder tausendste Krankenhauspatient in hochentwickelten Gesundheitssystemen stirbt aufgrund eines Fehlers. „Dabei werden 7 von 10 Zwischenfällen gar nicht gemeldet“, weiß Offermanns aus seinen Untersuchungen. Viele Patienten haben diese am eigenen Leib erfahren oder kennen Fälle aus ihrer Umgebung. Doch das seien nicht immer die Resultate von Fehlentscheidungen nur im medizinischen Bereich, auch die Fehler in der Pflege oder beim Einsatz von Medizintechnik können dramatische Auswirkungen haben. Wie also ist dem Problem beizukommen?

„Idealerweise wird Patientensicherheit als Aufgabe des gesamten Gesundheitspersonals verstanden“, so Offermanns, dazu benötige es aber eine Organisationsund Sicherheitskultur, die ein offenes und
innovationsfreundliches Klima schafft. Die derzeitigen Systeme seien sehr hierarchisch und als Expertensysteme strukturiert, was die Umsetzung erschwere. Insbesondere die medizinische Profession
verstehe das Krankenhaus meist als Plattform für das eigene Handeln und sei wenig bereit, sich in Organisationsentwicklungsprozesse einzubringen.

Im hochkomplexen Gesundheitssystem scheinen Veränderungen laut Erfahrung und wissenschaftlicher Analyse besonders schwierig, seien aber möglich. „Ein gutes Behandlungsergebnis für den Patienten werde dann erzielt, wenn alle Beteiligten an verschiedenen Abteilungen und Professionen gut miteinander kooperieren. Die angestrebte Akademisierung der Pflege- und anderer Gesundheitsberufe wird auch ihren guten Teil dazu beitragen“, gibt sich Offermanns zumindest für den letzten Punkt optimistisch, wenigstebs auf mittel- bis langfristige Sicht.

„In der Krise“ befindet sich nach Offermanns speziell das Krankenhausmanagement, das für generelle Verbesserungen im Krankenhaus zuständig ist. Das habe sich zu sehr auf Zertifizierungen konzentriert
und dabei die echten Maßnahmen zur Verbesserung aus den Augen verloren. „Wie die aktuelle Forschung zeigt, ist es nämlich grob fahrlässig, verliehene Zertifikate als Zeichen für ein funktionierendes Qualitätsmanagement zu deklarieren“. Diese würden zwar gerne für die Außendarstellung verwendet, verändern aber nichts nach innen, es sei denn, es besteht bereits eine entsprechende Qualitätskultur. Er schlägt vor, dass das Zertifikat am Ende eines QM-Prozesses stehen
soll, und zwar erst dann, wenn wesentliche Verbesserungen eingetreten sind und nicht als Messung zum Status Quo für einen Mindestanspruch.

für ad astra: Barbara Maier

 

Zur Person

Guido Offermanns, Assistenzprofessor am Institut für Unternehmensführung, betreut auch einen zweisemestrigen, von der AUVA beauftragten Universitätslehrgang „Risikomanagement und PatientInnensicherheit“. Der nächste ULG startet zu Jahresbeginn 2016.

Aktuelle Literatur mit Beiträgen von Guido Offermanns:

Heyse/Giger (Hrsg.) (2015).
Erfolgreich in die Zukunft: Schlüsselkompetenzen
in Gesundheitsberufen.
Heidelberg: medhochzwei.

Pfeil/Prantner (Hrsg.) (2015).
Krankenversicherung zwischen Leistungsanspruch
und Selbstbestimmung
der Versicherten. Wien: Manz-Verlag.