Zu zweit, und doch allein: Einsamkeit in Partnerbeziehungen

Der Psychologe Marcus Mund hat in einem über drei Jahre dauernden Forschungsprojekt Einsamkeit in Partnerbeziehungen untersucht. Das Projekt befindet sich nun in der Endphase. ad astra hat ihn zum Projekt und zu den ersten Forschungsergebnissen befragt.

Herr Mund, wie läuft das Forschungsprojekt ab?

Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden jeweils beide Partner*innen in einer Partnerschaft zu insgesamt elf Messzeitpunkten im Abstand von jeweils drei Monaten befragt. Dabei ging es um verschiedene Aspekte ihrer Persönlichkeit, ihrer Beziehung sowie ihrer Wahrnehmung des Partners. Zusätzlich dazu gab es insgesamt drei Tagebuchphasen, in denen vor allem Fragen zu affektiven, kognitiven und verhaltensbezogenen Aspekten des täglichen Lebens im Vordergrund standen. Diese Tagebuchphasen bestanden aus je zwei vierzehntägigen Eintragungsphasen. Das Design der Studie ermöglicht es uns, sowohl die Makro- als auch die Mikrodynamik zwischen Einsamkeit und Beziehungsqualität über den Zeitverlauf von drei Jahren zu beleuchten. Gleichzeitig untersuchen wir die intra- und interpersonalen Prozesse, die dieser Dynamik zugrunde liegen. Dadurch erlaubt uns das Projekt grundlegende Einblicke, die uns dabei helfen können zu verstehen, wie sich Einsamkeit äußert und welche Ursachen und Konsequenzen sie hat. Nun befinden wir uns schon in der Endphase des Projekts, die letzte Befragungswelle wurde vor kurzem abgeschlossen.

 Was ist das Besondere an Ihrem Forschungsprojekt?

Einsamkeit in Partnerschaften ist ja eigentlich etwas geradezu Paradoxes. Zur Einsamkeit generell gibt es umfangreiche Forschungen und entsprechende Literatur. Diese beziehen sich jedoch vor allem auf gesundheitliche Aspekte der Einsamkeit. Man weiß ja sehr genau, dass chronische Einsamkeit sehr gefährlich, ja geradezu gesundheitsschädlich ist. Auch bei Trennungen von Paaren ist die Einsamkeit eine gewisse Zeit höher, aber das sind alles normale Prozesse. Was wir in diesem Projekt erforschen, ist etwas anderes: Es geht um die dauerhafte und ständige Wahrnehmung, dass die eigene Partnerschaft nicht gut genug ist, also um einen anhaltenden Zustand eines Defizits. Über eine solche Einsamkeit in Beziehungen gibt es bisher tatsächlich sehr wenig Forschung. Es handelt sich deshalb um ein großes Feld, das wir hier gerade erschließen. Wir können dazu beitragen, die sozialen Dynamiken von Einsamkeit besser zu verstehen, um ihnen ultimativ auch entgegenwirken zu können.

Gibt es denn eine Definition für Einsamkeit oder ist Einsamkeit etwas sehr Subjektives?

Es ist beides. Einsamkeit ist einerseits ein sehr subjektives Phänomen, aber in der Forschung hat sich folgende Definition etabliert: Einsamkeit entsteht dann, wenn ein Ungleichgewicht zwischen den sozialen Beziehungen, die man sich wünscht, und denen, die man hat, besteht. Auch wenn soziale Beziehungen als ungenügend empfunden werden, kann eine Person einsam sein. Diese Wahrnehmung kann sich auf die Anzahl von sozialen Kontakten oder aber – und viel wichtiger – auf die Qualität von sozialen Beziehungen stützen. Wenn also soziale Beziehungen nicht als emotional genug wahrgenommen werden, kann es zu Einsamkeit kommen.

Wie ist die Wechselwirkung zwischen Prozessen, die in der jeweiligen Person selbst und mit anderen Personen stattfinden?

Oft tragen Menschen, die Einsamkeit verspüren, einen starken inneren Konflikt mit sich herum. Einsamkeit wird als negativ und unangenehm empfunden, manche reden sogar von sozialem Schmerz. Wenn Menschen Schmerz empfinden, versuchen sie die Quelle dieses Schmerzes abzustellen. Wenn also die Einsamkeit aufhören soll, muss man sich zwangsläufig wieder anderen Personen anschließen, Kontakte neu aufbauen oder diese wiederherstellen. Es ist also notwendig, sozial aktiv zu werden, damit eine Beziehung wieder als emotional erfüllend empfunden wird. Einsamkeit geht aber auch gerade damit einher, dass Menschen nicht weiter abgelehnt werden wollen. Es ist beispielsweise so, dass einsame Menschen eine höhere Tendenz haben, sich von anderen abzuschotten. Sie öffnen sich weniger. Daraus entsteht nun der innere Konflikt, dass sie sich eigentlich öffnen wollen, aber auch nicht von anderen verletzt werden wollen. Dies kann Interaktion natürlich potenziell schwierig machen. Hinzu kommt, dass bekannt ist, dass einsamere Menschen bevorzugt Reize wahrnehmen, die eine soziale Bedrohung oder Ablehnung darstellen können. Darüber hinaus interpretieren sie auch uneindeutige Reize eher als Ablehnung. Personen, die einsam sind, erwarten also geradezu, abgelehnt zu werden, und nehmen die Welt dann auch so wahr.

Wie stellt sich das nun in Partnerschaften dar?

Wenn eine Selbstöffnung nicht stattfinden kann, dann macht das auch Partnerschaften schwierig. In diesen Konstellationen kann dann kein Vertrauen zum Partner*- zur Partnerin entstehen, da ja die Erwartungshaltung da ist, abgelehnt zu werden. Wir konnten auch zeigen, dass einsame Menschen in ihrer Partnerschaft mehr Konflikte wahrnehmen. Diese Menschen berichten also von mehr Konflikten, ihre Partner*innen wiederum nehmen dies überhaupt nicht so wahr und teilen diese Einschätzung nicht. Und so schlägt sich allein die Erwartung, abgelehnt zu werden, in der täglichen Interaktion nieder: Man öffnet sich weniger, kann keine Nähe zulassen, die man ja eigentlich möchte.

Können Sie mir schon etwas über konkrete Forschungsergebnisse sagen?

Bisher ist aus dem Projekt eine Publikation entstanden, in der es um eher technische Aspekte von Einsamkeit geht, wir haben mehrere Messinstrumente miteinander verglichen. Außerdem haben wir herausgefunden, dass die tägliche Kommunikation gar keine so große Rolle für die Beziehung spielt, wie wir erwartet hätten. Damit konnten wir auch zeigen, dass Beziehungen schon auch etwas relativ Stabiles sind, die auch einmal einen schlechten Tag verkraften. Ein weiterer Aspekt, den wir gefunden haben, ist, dass Personen in Beziehungen die Einsamkeit des Partners*der Partnerin tatsächlich sehr gut wahrnehmen können. Dies ist besonders deshalb interessant, weil es auch Möglichkeiten eröffnet, gegen Einsamkeit vorzugehen. Von Einsamkeit betroffene Menschen können selbst ja relativ wenig tun. Sie sind in ihrem inneren Konflikt gefangen, schüchtern und erwarten Ablehnung. Wenn nun aber andere, seien es Partner*innen oder Freund*innen, diese Einsamkeit erkennen können, dann gibt es tatsächlich Möglichkeiten, dem auch effektiv entgegenzuwirken. In naher Zukunft werden wir nun alle erhobenen Datensätze zur Verfügung haben, dann können wir uns auch die vielfältigen Prozesse im Zeitverlauf genau anschauen.

für ad astra: Annegret Landes

Zur Person


Marcus Mund ist Universitätsprofessor für Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie am Institut für Psychologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Einsamkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Persönlichkeit und sozialer Beziehungen und Person-Umwelt-Transaktionen.



Marcus Mund