Entscheidungsprozesse | ad astra 01/2020

Wie wir in der Realität entscheiden

Der (ökonomisch handelnde) Mensch entscheidet nicht immer so, wie es theoretischen Rationalitätspostulaten entspricht. Die Entscheidungsforschung erkennt dies zunehmend an und entwickelt realistischere Vorstellungen menschlichen Entscheidungsverhaltens.

In einer idealen ökonomischen Welt verfolgen alle Managerinnen und Manager ein gemeinsames Interesse: Sie wollen, dass es dem Unternehmen, für das sie arbeiten – auch im Sinne ihres eigenen Aus- und Fortkommens –, gut geht. Ganz so einfach ist dies in der Realität aber wohl nicht. „Die Frage danach, welches Verständnis von ökonomischen Akteuren wir haben, ist eine ganz grundlegende“, erläutert Friederike Wall, Professorin an der Abteilung für Controlling und Strategische Unternehmensführung.

Daran knüpfen sich unterschiedliche Theorierichtungen in der Ökonomie und angrenzender Bereiche. Für eine optimale Entscheidungsstruktur gibt es mehrere Hürden, neben Zielkonflikten sind dies verschiedene Formen der Informationsasymmetrien. So verfügen die Entscheidungsträgerinnen und -träger in den einzelnen Sub-Einheiten oftmals über mehr Informationen als die Zentrale, die zumeist weniger direkt in die Geschäftsprozesse eingebunden ist. Deshalb sei es für die Zentrale auch oft schwierig zu bewerten, ob die Entscheidungen der einzelnen ManagerInnen gut oder schlecht sind. Hinzu kommen Interessenskonflikte, die auch dazu führen können, dass AbteilungsleiterInnen nicht im Einklang mit den Zielen des Unternehmens entscheiden.

Im Controlling – im Englischen heißt das Gebiet management control – ist man darum bemüht, das Verhalten der Entscheidungsträger auf den verschiedenen Managementebenen auf die Unternehmensziele auszurichten. „Dafür gibt es viele verschiedene Ansatzpunkte und Maßnahmen. Diese reichen von gemeinsamen Visionen und Wertvorstellungen über die Definition von Entscheidungsspielräumen und Kennzahlensystemen bis hin zu Anreiz- und Kontrollsystemen“, erläutert Friederike Wall. Die verschiedenen Maßnahmen kommen für Unternehmen dabei üblicherweise nicht kostenlos daher, umso wichtiger ist es für sie, eine optimale Balance zu erreichen. Die Forschung kann dazu wichtige Erkenntnisse liefern. Oftmals sind es mathematische Optimierungsmodelle, um Kosten und Nutzen solcher Maßnahmen abzuwägen und eine bestmögliche Balance zu finden.

In diesem Sinne liegt eine zentrale Herausforderung im management control in der Abstimmung von Instrumentarien, die gewährleisten sollen, dass die vielen Entscheidungen inhaltlich zueinander passen. „Wenn die eine Abteilung versucht, mit Marketing den Absatz anzukurbeln, und die andere Abteilung gerade dabei ist, die Kapazitäten in der Produktion zu reduzieren, dann wird’s mitunter problematisch“, gibt Friederike Wall ein Beispiel.

Während die Forschung lange Zeit mit der Untersuchung von Einzelinstrumenten beschäftigt war, geraten nunmehr verstärkt gesamthafte Konfigurationen in den Blick. Heute ließe sich, so Wall, nach diversen empirischen Studien sagen, dass gewisse Konfigurationen in bestimmten Umwelten häufiger anzutreffen seien als anderswo. Auf eine Bewertung will sie sich dabei nicht festlegen lassen: „Ob das eine ‚besser‘ ist als das andere, wage ich nicht zu sagen. Wir können aber vermuten, dass eine häufig vorkommende Konfiguration vielleicht für die jeweilige Unternehmensumwelt auch brauchbarer ist.“

Wir fragen zum Schluss noch nach, ob dieses Wissen über Entscheidungen im ökonomischen Umfeld auch auf andere Bereiche, wie die Politik, aber auch den Lebensalltag von Menschen, zu übertragen ist. Wall erklärt dazu: „Die präskriptive Entscheidungstheorie legt nahe, dass man sehr genau über seine Entscheidungen nachdenken sollte – und dass man so weiß, was man tut. Es gibt dabei von der Entscheidungstheorie keine Vorgaben, was inhaltlich ‚gut‛ oder ‚schlecht‛ ist; wesentlich ist vielmehr, dass die Entscheidungen konsistent mit den jeweiligen Zielen sind, die man anstrebt.“ Das tägliche Leben sei dabei geprägt vom pausenlosen Entscheiden, vieles davon passiere gar nicht bewusst und es entziehe sich somit dem Vorgehen, das Teile der Entscheidungstheorie für ein rationales Entscheiden verlangen.

für ad astra: Romy Müller