Meeting im Konferenzraum | Foto: Kneschke/Fotolia

Der rationale Mensch?

Entscheidungsverhalten von Führungskräften bei Investitionsprojekten ist keineswegs ausschließlich auf den finanziellen Erfolg gerichtet, sondern auch von der Sorge vor Gesichtsverlust und Budgetstreichungen im eigenen Verantwortungsbereich geprägt. Das Controlling versucht, irrationalem Entscheidungsverhalten vorzubeugen.

Viele Führungskräfte neigen dazu, an einem Projekt festzuhalten, auch wenn Aufgeben viel klüger wäre. Sie sind nicht mehr bereit, ihre Entscheidung zu korrigieren, trotz negativer Folgen. Genau diese Entscheidungssituationen und die daraus resultierenden Folgeinvestitionen haben sich die ControllerInnen Alexandra Rausch, Friederike Wall und Gernot Mödritscher von der Abteilung Controlling und Strategische Unternehmensführung angesehen und Szenarien entwickelt. Alexandra Rausch erklärt dazu, dass Menschen sich in ihren Entscheidungen nicht immer rational im Hinblick auf die Unternehmensziele verhalten. „Je mehr Zeit und Geld in ein Projekt investiert werden, desto stärker hält man an einmal getroffenen Investitionsentscheidungen fest und tendiert sogar dazu, noch mehr Ressourcen für das Projekt aufzuwenden“, sagt Rausch – auch wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Projekt scheitert und mit hohen Verlusten zu rechnen sein wird. „Dieses risikoreiche Handeln ist als escalation of commitment bzw. als Eskalationseffekt bekannt.“

Das Forscherteam hat sich überlegt, was das Controlling machen könnte, um diese Eskalation zu entschärfen. Dazu war es mitunter notwendig, die Gründe zu hinterfragen, warum an nicht erfolgversprechenden Investitionen festgehalten wird. Das Fazit war, dass persönliche Gründe die Entscheidung viel stärker beeinflussen als monetäre Anreize. „Für die Führungskraft ist ein Imageschaden schwerer zu verkraften als der Verzicht etwa auf eine Prämie“, fasst Alexandra Rausch zusammen. Erstaunlich dabei ist weiters, dass unternehmensbezogene Folgen wie beispielsweise die Schließung einer Abteilung oder die Entlassung von MitarbeiterInnen bei der Entscheidung zur Weiterführung oder zum Abbruch des Projekts mehr Gewicht zu haben scheinen als persönliche Konsequenzen für den Entscheidungsträger.

Robuster Eskalationseffekt
In einer empirisch-experimentellen Erhebung wurden vom Forschungsteam 400 Führungskräfte und rund 100 Studierende in eine Entscheidungssituation versetzt, in der sie über die Fortführung oder den Abbruch eines Investitionsprojekts vor dem Hintergrund von unterschiedlichen Konsequenzen für die Person des Entscheiders und/oder das Unternehmen entscheiden mussten. Das Ergebnis war, dass drei Viertel der Probanden ganz unabhängig von den in Aussicht gestellten Konsequenzen trotz prognostizierter Verluste am Projekt festhielten. „Das zeigte uns, dass der Eskalationseffekt sehr robust ist. Das Controlling ist hier fast ein bisschen machtlos“, erklärt Alexandra Rausch, „die soziale Komponente wird über die rationale Komponente gestellt“. Auch die Vorlage von detailliertem Zahlenmaterial und mehr Informationen kann den Eskalationseffekt kaum zurückdrängen. Führungskräfte tendieren vielmehr dazu, die Informationen selektiv zu filtern und jene auszuwählen, um ihre Fortführungsentscheidung und den erhöhten Ressourceneinsatz zu untermauern. „Ein Mehr an Informationen ist mitunter gar nicht hilfreich, und die Entscheidungsträger konzentrieren sich auf die positiven Konsequenzen.“

Aber was bedeutet das für das Controlling? Das Forscherteam schließt daraus, dass sich das Controlling noch mehr mit persönlichen und sozialen Faktoren von ManagerInnen beschäftigen und sich verstärkt mit Themen der Unternehmenskultur auseinandersetzen muss. Das bedeutet etwa, „den Führungskräften vor Augen zu führen, warum sie so handeln, wie sie handeln, Entscheidungsfehler und Fallgruben aufzuzeigen und bewusst zu machen sowie begleitende Exit-Strategien zu entwickeln, ohne dass die Führungskraft das Gesicht verliert“, so Rausch. Sie sieht noch viel Forschungspotenzial darin, wie Controllinginstrumente Verzerrungen im Entscheidungsverhalten entgegenwirken können.

für ad astra:  Lydia Krömer

Zur Person

Alexandra Rausch ist Assistenzprofessorin am Institut für Unternehmensführung. Sie forscht unter anderem zum Entscheidungsverhalten von Führungskräften und zu kurzfristiger Unternehmensplanung. Sie habilitierte sich 2014 zum Thema „Accountability in organizations“.

Alexandra Rausch | Foto: aau/riccio