Stellungnahme zur geplanten Umstrukturierung der Organisation SOS-Kinderdorf auf Grund des Bekanntwerdens der sexuellen Gewalt durch den SOS-Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner (in leitenden Funktionen ab 1949 bis 1986)
Als Angehörige öffentlicher Forschungseinrichtungen begrüßen wir die jüngst medial bekannt gegebenen Pläne der Organisation SOS-Kinderdorf, die Gewalt des SOS-Kinderdorf-Gründers Hermann Gmeiner zum Anlass zu nehmen, die Organisation grundlegend umzustrukturieren.
Gleichzeit möchten wir, vor allem gegenüber den betroffenen Menschen, die zu der Zeit, in der ihnen Gewalt angetan wurde, Kinder und Jugendliche waren, unser Mitgefühl und auch unsere Betroffenheit darüber kundtun, dass die Gewalt des SOS-Kinderdorfs-Gründer nicht früher öffentlich gemacht wurde. Zwar gab es laut Medienberichte Entschädigungszahlungen an einzelne Betroffene, jedoch hat die Organisation SOS-Kinderdorf darüber hinaus Täterschutz betrieben und wichtiges Wissen, über Missstände im Kontext der Organisation, nicht geteilt.
Umso wichtiger sind die nun angedachten Umstrukturierungen seitens der Organisation SOS-Kinderdorf, der Prozess ist laut Medienberichten bis Ende 2026 angelegt. SOS-Kinderdorf ist eine Organisation, die größtenteils aus öffentlichen Mittel finanziert wird, zu einem geringeren Teil aus Spenden. Die Organisationsziele liegen, mit der Bereitstellung einer Alternative hinsichtlich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen in ihren Herkunftsfamilien, im öffentlichen Interesse. Daher möchten wir als Angehörige öffentlicher Forschungseinrichtungen unsere Fachexpertise einsetzen, um die folgenden Qualitätsstandards zur Entwicklung alternativer Unterbringungsformen bekannt zu machen:
Ein Faktor, der Gewalt befördert, liegt in der Abgeschlossenheit von Institutionen. Hiermit stellt sich die Frage, ob Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen des SOS-Kinderdorfs Moosburg untergebracht sind, in umfassenden Maßen darin gefördert werden, Kontakte außerhalb des SOS-Kinderdorfs zu pflegen und wie der Gewaltschutz in anderen Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendlichen aus dem SOS-Kinderdorf aufhalten, gelebt wird.
Maßnahmen, die zur Öffnung der Institution SOS-Kinderdorf und zur Förderung des Gewaltschutzes in Moosburg (und auch an anderen Standorten) beitragen, umfassen:
- Auflösung großer Wohneinheiten oder Ansammlungen von Wohneinheiten: Zukunftsweisend für den Bereich der stationären Betreuung, wie etwa dem SOS-Kinderdorf in Moosburg, ist eine Abkehr von großen Einheiten oder Anlagen wie Ansammlungen von Wohnhäusern. Vielmehr braucht es Wohnformen, die bspw. in herkömmliche Wohnsiedlungen integriert sind, sodass auch die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Partizipation in ihrer Gemeinde gestärkt werden und somit das Gewaltrisiko durch sozial-räumliche Abgeschlossenheit von Institutionen gesenkt wird.
- Auflösung von Strukturen, in denen Kinder- und Jugendliche Angebote der Förderung und Gesundheitsversorgung „im SOS-Kinderdorf“ bzw. am Gelände des SOS-Kinderdorfs erhalten
- Implementierung umfassender Schutzkonzepte, welche über die Einrichtung von SOS-Kinderdorf hinausgehen, damit Kinder und Jugendliche niederschwellig externe Ansprechpersonen haben (z.B. Erzieher:innen, Lehrer:innen), falls ihnen innerhalb der Einrichtungen von SOS-Kinderdorf Gewalt widerfährt
- umgehende Aufnahme der Arbeit an Schutzkonzepten für jede pädagogische Einrichtung in der Kinder und Jugendliche, die stationär untergebracht sind, betreut werden in Kooperation mit externen Fachkräften und unter Bereitstellung externer Beschwerdemöglichkeiten
- transparente Informationsweitergabe um zur gesellschaftlichen Sensibilisierung zum Thema Gewaltschutz beizutragen
Auf Grund der langjährigen Verschleierung der nun bekanntgewordenen Gewalt im Kontext des SOS-Kinderdorfs Moosburg ist es ferner ethisch geboten, die aktuellen Bedingungen im SOS-Kinderdorf evaluieren zu lassen.
Diese Stellungnahme wurde im Arbeitsbereich Sozialpädagogik und Inklusionsforschung der Universität Klagenfurt entwickelt – gemeinsam getragen und unterstützt vom gesamten Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt












