Innovative Gemeinde | Foto: Gemeinde Moosburg

Gemeinden: Innovation in den Amtsstuben

In der öffentlichen Verwaltung wird Innovation oft als Allround-Lösung für politische, soziale und ökonomische Herausforderungen gesehen. Eine Studie hat sich nun mit den Triebfedern von Innovation bei politischen und administrativen Entscheidungsträgerinnen und -trägern beschäftigt.

In Österreich gibt es 2.100 Gemeinden, die für die BürgerInnen greifbare Dienstleistungen wie beispielsweise Wasserversorgung, Altenpflege oder Kindergärten zur Verfügung stellen. Die Geschicke der Gemeinden werden dabei von politischen Organen – Gemeinderat, Gemeindevorstand und Bürgermeister bzw. Bürgermeisterin – und administrativen Bediensteten, häufig mit AmtsleiterInnen an der Spitze, gelenkt. „Politisch gewählte VertreterInnen und administrative Bedienstete agieren jedoch unter verschiedenen Rahmenbedingungen und werden auch von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst“, so Sanja Korać (Institut für öffentliche Betriebswirtschaftslehre).

Innovatives Potenzial von PolitikerInnen und AmtsleiterInnen
Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist auch die öffentliche Verwaltung innovativ tätig, primär um öffentliche Dienstleistungen zu verbessern. Die StudienautorInnen Sanja Korać, Iris Saliterer und Richard M. Walker haben sich nun gefragt, ob BürgermeisterInnen und AmtsleiterInnen ähnlich innovativ sind, inwiefern sie durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden und wie sich ihre spezifischen Rollen als politische bzw. administrative EntscheidungsträgerInnen auf die Einführung von Innovationen auswirken. Dabei haben sie sich auf Kommunen konzentriert, die maximal 25.000 EinwohnerInnen haben – das trifft in Österreich auf 99 Prozent der Gemeinden zu. Über 600 BürgermeisterInnen und AmtsleiterInnen haben an einer Online-Umfrage teilgenommen.

Innovation fassbar machen
Doch was bedeutet der häufig schwammig verwendete Begriff „Innovation“ eigentlich? – „Innovation ist ein Prozess, in dem neue Ideen, Objekte und Handlungen entwickelt werden. Dabei muss eine Organisation nicht zwingend ‚erfinden‘, sie kann auch bereits in anderen Bereichen bewährte Ideen als Neuerung für den eigenen Wirkungsbereich umsetzen“, erklärt Korać. Die Innovationsforschung im öffentlichen Sektor unterscheidet zwischen organisationalen Innovationen, bei denen neue Arbeitsmethoden oder Managementtechniken eingeführt werden, und Service- Innovationen, bei denen neue Dienstleistungen entwickelt bzw. bestehende verbessert werden. Die Verwaltung kann aber auch marktorientierte Innovationen einführen, indem sie neue Mechanismen der Beschaffung und der Verteilung von Leistungen einführt oder Leistungen im Sinne einer höheren Effizienz verstärkt an Partner aus dem Unternehmensbereich auslagert. Als eine weitere Form der Innovation wird die durch die Zusammenarbeit mit Partnern und Netzwerken entstehende Veränderung begriffen.

Wer macht Druck
Interessant sind die Ergebnisse im Hinblick auf die äußeren Faktoren, die Innovation auslösen: Weder die finanzielle Situation von Gemeinden noch Druck von übergeordneten Einheiten wie z. B. Landesbehörden scheinen einen signifikanten Einfluss auf die Einführung von Innovationen zu haben. Bei den Auslösern zeigte sich aber ein Unterschied zwischen den befragten Gruppen: „Der Druck durch die Bevölkerung scheint für die AmtsleiterInnen ein bedeutender Treiber von Innovationen zu sein, nicht aber für BürgermeisterInnen“, so Sanja Korać. Dies sei, so die StudienautorInnen, insbesondere deshalb erstaunlich, da BürgermeisterInnen im Vergleich zu den fest angestellten AmtsleiterInnen auf die Akzeptanz durch die wählende Bevölkerung angewiesen sind.

Größere Gemeinden innovativer
Insgesamt sind Innovationen in größeren Gemeinden häufiger. Dort zeigen auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister höheres innovatives Interesse. Die Studie konnte keinen Einfluss von demographischen Daten bei den BürgermeisterInnen zeigen; bei den AmtsleiterInnen stellte sich aber heraus, dass ein höheres Bildungsniveau auch zu höherer Innovationsbereitschaft führt. Für beide Gruppen ist bedeutend, dass die Personen eine positive Einstellung gegenüber Neuerungen und eine hohe persönliche Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit haben. Neu an dieser Studie ist, dass auch die so genannte „Public Service Motivation“, also die Motivationsmuster der Personen im öffentlichen Dienst, untersucht wurde. Sanja Korać führt dazu aus: „Wir konnten keinen signifikanten Einfluss auf die Bereitschaft, Innovationen einzuführen, eruieren.“ Insbesondere in diesem Bereich gelte es aber noch umfassend weiter zu forschen.

Rollen im Innovationsprozess
„Die Ergebnisse bieten Impulse, über die Rollen von politischen und administrativen EntscheidungsträgerInnen in Innovationsprozessen nachzudenken“, so Iris Saliterer, die Initiatorin der Studie. Die meist unkündbaren administrativen Bediensteten denken eher langfristig und nehmen so eine koordinierende Rolle im Innovationsprozess ein, die Informationen von den verschiedenen Hierarchieebenen des Verwaltungsapparats zusammenführt. Dieses intra-organisationale Know-how macht sie zu einer Art MediatorInnen. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister scheinen hingegen durch den politischen Markt getrieben und agieren aus einer kompetitiven Logik heraus. Für sie scheint es besonders wichtig, „innovation ownership“ zu übernehmen, um die eigene Person als kraftvoll reformierend, mächtig und Hürden überwindend zu positionieren.

für ad astra: Romy Müller

Zu den Personen

Sanja Korać ist Assistenzprofessorin am Institut für öffentliche Betriebswirtschaftslehre. Sie war unter anderem Forschungsstipendiatin der Austrian Marshall Plan Foundation an der Johns Hopkins University in Washington. Iris Saliterer ist assoziierte Professorin am gleichen Institut, hatte die „Joseph A. Schumpeter“-Forschungsprofessur an der Harvard University inne und ist seit 2016 Inhaberin des Lehrstuhls für „Public und Non-Profit Management – Kommunale Verwaltung“ an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg. Richard M. Walker, Professor an der City University Hong Kong, ist unter den 1 Prozent der SozialwissenschaftlerInnen weltweit gereiht und einer der führenden ExpertInnen für Public Management.

Korac, S., Saliterer, I. & Walker, R. M. (2017). Analysing the environmental antecedents of innovation adoption among politicians and public managers. Public Management Review, early view online, verfügbar hier.