Karoline Kalke in Indien | Foto: Karoline Kalke

„Eine intensive Zeit mit Menschen“

Karoline Kalke absolvierte ein Praktikum in Mumbai. Ein Ort, der ihr Leben maßgeblich geprägt hat und noch immer prägt.

Der Gedanke, Wien zu verlassen und sich auf ein Praktikum in Indien einzulassen, war für Karoline Kalke eine ihrer besten Entscheidungen, erzählt die 25-jährige gebürtige Berlinerin voller Begeisterung. Als Masterstudierende des Studiums der Sozialen Ökologie wollte sie unbedingt erfahren, wie Interventionsarbeit in einem Land wie Indien funktioniert. „Ich war getrieben durch meine Neugier und das Interesse, Menschen und andere Kulturen kennenzulernen.“ Bestärkt durch Studienkolleginnen, die bereits in Indien waren, hat sie sich für ein Praktikum an der Joint Study-Partneruniversität der AAU, dem Tata Institute of Social Sciences (TISS), in Mumbai beworben. Nach Erledigung aller administrativen Aufgaben, wie etwa die Formulierung eines Motivationsschreibens, die Visum-Beantragung und die Führung von Skype-Telefonaten mit dem TISS über die Inhalte des Praktikums, war es dann endlich soweit: Knapp drei Monate verbrachte Karoline Kalke am TISS, wobei sie den größten Teil ihrer Zeit mit Feldarbeit verbrachte.

Wohl behütet
„Am Flughafen angekommen, fühlte ich mich sofort gut aufgehoben“, erzählt die Studentin, die von einem Abholservice empfangen und direkt zum Campus gebracht wurde. Internationale Studierende wurden in Hostels am Campus untergebracht, „diese waren im Vergleich zu den Unterkünften der indischen Studierenden unglaublich gut ausgestattet“, bemerkt Karoline Kalke äußerst kritisch. „Von Anfang an fühlte ich mich sehr wohl – wie in einer behüteten Blase – und wurde von den internationalen Studierenden sofort integriert und habe dadurch schnell Freundschaften zu den indischen Studierenden geknüpft.“ „Der Alltag“, erzählt sie, „ist am Campus gut strukturiert, und das soziale Leben wird durch die Essenszeiten bestimmt: Frühstück, Mittagessen, Teetrinken und Abendessen finden zu bestimmten Uhrzeiten statt. Ganz anders im Vergleich zu unserem Studierendenleben.“ Die Wochen waren für Karoline Kalke geprägt durch die Arbeiten im Feld, Recherchen zur Masterarbeit und der Teilnahme an einem Hindi-Sprachkurs. „An eine gewisse Bevormundung seitens der indischen Freunde konnte ich mich nicht sofort gewöhnen“, meint sie. „Diese war aber lieb gemeint. Sie hatten einfach nur Angst, dass mir beispielsweise im Straßenverkehr etwas passieren könnte.“

Eine Stadt mit vielen Gesichtern
Ihre wichtigste Erkenntnis: „Mumbai ist für mich eine faszinierende Stadt und hat mich einfach überwältigt. Ein Ort, an dem es eigentlich nichts gibt, was es nicht gibt. Ein Land voller Gegensätze, und das in vielerlei Hinsicht: Armut und Reichtum liegen nur wenige Meter voneinander entfernt“, sagt Karoline Kalke. „Die Straßen sind überfüllt mit Menschen und man befindet sich mitten im Getümmel. Manchmal, wenn man in eine schmale Seitengasse abbiegt, findet man sich in einer völlig anderen Welt wieder: umgeben von kleinen Häusern und Kaffees mit kulinarischen Spezialitäten.“ Kulinarisch, so schwärmt sie, war der Aufenthalt ein wahrer Genuss, „wenn man indisches Essen besonders liebt“. Am Wochenende reiste sie mit Freunden durch das Land und besuchte verschiedenste Plätze in Mumbai.

Oft an Grenzen gestoßen
Der Auslandsaufenthalt war für Karoline Kalke eine persönliche Bereicherung. „Ich habe noch nie eine so intensive Zeit mit Menschen geteilt. Ich gehe seither an gewisse Dinge viel entspannter heran und habe einen differenzierteren Blickwinkel auf das Leben bekommen.“ Durch ihre Feldarbeit ist Karoline Kalke oft an ihre Grenzen gestoßen. „Als Studentin der sozialen Ökologie wurde mein ökologisches Herz mindestens fünf Mal am Tag gebrochen“, eine Situation, mit der sie sich erst auseinandersetzen musste. Im Rahmen des Projekts TANDA (Towards Advocacy Networking and Developmental Action) war sie in ein Projektteam eingebunden und mehrmals in der Woche am Rande von Mumbai in den Armenvierteln unterwegs. „Die erste Zeit beobachtete ich vor allem, wie mit den Frauen und den Kindern gearbeitet wurde.“ Sie hatte viel Kontakt mit den Einheimischen und lernte ihre Lebensweisen und Probleme kennen. „Wir haben den Frauen Ratschläge über Hygiene, Ernährung und den richtigen Umgang mit Wasser gegeben. Denn gerade während der Monsunzeit ist es wichtig, Krankheiten zu vermeiden.“ Besonders berührt hat Karoline Kalke die Arbeit mit den Kindern. Sie entwickelte ein transformatives Bildungskonzept, um ein Umweltbewusstsein bei Kindern zu wecken.

„Wenn man zu den Slums unterwegs ist“, so erzählt sie, „fährt man durch ein Industriegebiet auf Straßen, die eigentlich keine Straßen sind, sondern die matschig sind und tiefe Schlaglöcher haben. Das ist aber typisch während der Monsunzeit.“ Karoline Kalke beschreibt die Lebenssituation der Menschen als sehr einfach: Sie leben in Steinhäusern oder Häusern mit Blechwänden, die aus einem Raum bestehen, Matten am Boden werden als Betten verwendet, das Wasser wird vor dem Haus geholt und Toiletten gibt es fast keine. „Dazu dienen Löcher im Boden.“ Erst nach ihrer Rückreise nach Wien konnte sie das Erlebte so richtig verarbeiten. Dieser Aufenthalt habe sie verändert, „ich wurde umsichtiger, dankbarer und meine Prioritäten haben sich extrem verschoben.“

Weitere Aufenthalte in Mumbai folgten bzw. sind in Planung: Den Februar verbrachte sie in Mumbai und im Sommer folgt ein zweimonatiger Aufenthalt zur Datenerhebung für ihre Masterarbeit zum Thema Ernährungsgewohnheiten in Mumbai. Das Land Indien lässt Karoline Kalke nicht mehr los.

für ad astra: Lydia Krömer

Indische Frauen im Fluss| Foto: Karoline Kalke
Behausungen in Indien | Foto: Karoline Kalke