Endoskopische Operation | Foto: Karl Storz Endoskope Deutschland

Ziel: eine komplette endoskopische Videodatenbank

Am Institut für Informationstechnologie beschäftigt sich eine Gruppe von ForscherInnen in mehreren Projekten mit der Analyse und Verarbeitung von Endoskopie-Videos. Die Erfolge der von Klaus Schöffmann und Laszlo Böszörmenyi geleiteten Projekte beruhen auch auf der guten Zusammenarbeit mit Ärzten und dem Medizintechnikunternehmen Karl Storz.

Als in den 1980er Jahren die ersten Gallenblasenentfernungen per Endoskopie durchgeführt wurden, konnte das nur gelingen, weil die Videotechnik und damit die Möglichkeit zur „inneren Beobachtung“ erfunden waren. Die minimal invasive Operationsmethode bietet große Vorteile gegenüber einem herkömmlichen chirurgischen Eingriff, muss aber auch gut beherrscht werden. Heute erfolgt ein großer Teil der Operationen endoskopisch. Bei einer OP arbeitet das Ärzteteam Hand in Hand mit Medizintechnikern. Der Blick der Operierenden ist auf den Bildschirm am Endoskopieturm gerichtet, dessen Bilder von einer nun digitalen Minikamera am Endoskop aus dem Inneren des Menschen übertragen werden. Die Herausforderung besteht darin, die kleinen Klemm-, Schneide- und Nähinstrumente von außen präzise zu steuern. Zu nachträglichen Analysen und späteren Trainingszwecken haben sich digitale Videoaufzeichnungen bewährt. Doch dies passiert erst vereinzelt.

Die Krankenhäuser stehen derzeit vor einem großen Problem. Rund acht Gigabyte Datenvolumen erzeugt ein Operationsvideo. In einem mittelgroßen Krankenhaus summiert sich diese Menge pro Jahr auf über 10 Terabyte. Dazu kommt, dass immer mehr 3-D- und 4-K-Endoskope zum Einsatz kommen, für die die Krankenhausinformationssysteme noch nicht gerüstet sind. Aufgrund der fehlenden Speicherkapazitäten werden die riesigen und dazu nicht strukturierten Aufzeichnungen meist nur kurze Zeit gesichert.

Am Institut für Informationstechnologie befassen sich Laszlo Böszörmenyi und Klaus Schöffmann seit 2011 mit automatischer Bilderkennung und Datenkomprimierung sowie der Inhaltssuche in Videodaten. Derzeit werden im Auftragsforschungsprojekt EndoVIP II Methoden für eine nachhaltige Strukturierung von Videoarchiven entwickelt. „Dabei geht es vor allem darum, die anfallenden Datenmengen intelligent zu reduzieren, so dass eine langfristige Archivierung ermöglicht wird“, sagt Klaus Schöffmann, der mit zwei DissertantInnen und drei Post-Doc- Forschern daran arbeitet. Noch bestehe für Endoskopie-Videos keine Aufbewahrungspflicht wie bei Röntgenaufnahmen, doch das könnte in absehbarer Zeit der Fall sein: „Dann benötigt jedes Krankenhaus die entsprechende technische Voraussetzung. Und wir leisten dafür die wissenschaftliche und entwicklerische Vorarbeit.“

Finanzielle Unterstützung für das Projekt kommt neben anderen von Karl Storz, einem der größten Medizintechnikunternehmen weltweit mit Sitz in Baden-Württemberg. Es ist spezialisiert auf endoskopische Geräte. Für Laszlo Böszörmenyi, Vorstand des Instituts für Informationstechnologie, ist das nicht nur ein großes Glück: „Das liegt an unserer seit über zwei Jahrzehnten sehr spezifizierten Ausrichtung auf Bilderkennung und -komprimierung sowie auf interaktiver Bearbeitung von Videos. Die lange Kooperation mit der Firma Karl Storz ermöglicht uns aber nicht nur den wissenschaftlichen Fortschritt, sondern es erwachsen auch Dissertationen und ganze Technikerkarrieren daraus.“

Krankenhausbedürfnisse und medizinisches Expertenwissen werden in die Analyse miteinbezogen, wenn es darum geht, die Interaktion mit Multimediadaten zu verbessern und am Ende auch praktisch anwendbar zu machen. Einer der Experten ist Heinrich Husslein. Für den Gynäkologen der Medizinischen Universität Wien (MUW) ist die automatische Erkennung von OP-Fehlern – etwa das Setzen der Trokare ohne adäquate Visualisierung – eines der Anliegen. Er beruhigt aber sofort: „Hier geht es eher um kleine Fehler mit geringen Auswirkungen auf die Patient- Innen, die auch aufgrund der mittelbaren Technik passieren: Eine Zange wird nicht fest genug geklemmt oder ein Instrument im falschen Winkel in den Bauchraum eingeführt.“

Außerdem passiere die Sichtung und Bewertung derzeit in Handarbeit mit Bleistift und Papier, bestenfalls kann ein Zeitstempel am Film Orientierung bieten. „Elektronische Textkommentare, die direkt in die Videos geschrieben werden, und eine überschaubare Ablage, die die Auffindung eines Fallbeispiels auf Knopfdruck ermöglicht, sollten durch diese Forschungen in baldiger Zukunft möglich sein“, hofft Husslein. Die MUW und die Friedrich- Flick-Förderungsstiftung fördern die Studien in Klagenfurt. Dann sollte das aufbereitete Videomaterial in die Ausbildung integriert und OP-Fehler damit minimiert werden können.

Die Forschungsgruppe arbeitet auch eng mit Jörg Keckstein, Gynäkologe am LKH Villach, zusammen. Für ihn ist „jeder Körper einzigartig. Um die Sache richtig zu machen, braucht es die große Erfahrung des Mediziners, oder man kennt die innere Beschaffenheit der Patientin schon von einer früheren Operation. Voraussetzung dafür wäre eine langfristige Videodokumentation.“ Videos im Zeitraffer und reduziert auf die relevanten Szenen anzuschauen, wäre aus Kecksteins Sicht sehr hilfreich und zeitsparend. Mit dem Material aus einer intelligenten Videodatenbank endoskopischer Aufzeichnungen ließe sich außerdem die OP-Länge verkürzen. Ein weiterer Schritt wäre die Suchmöglichkeit in verschiedenen Filmen nach ähnlichen Szenen. Doch dafür muss das System die OP-Instrumente erst automatisch erkennen können.

Wie und welche Daten in den Videos lassen sich denn reduzieren? Schöffmanns Antworten hören sich an wie ein Post-Operationsgespräch: „Der schwarze Rahmen des kreisrunden Endoskopbildes wird weggeschnitten, ebenso unscharfe oder Nebenszenen, die nicht verwertbar sind, und schon hat die 1:1-Aufzeichnung nur mehr ein Geringes von der Ursprungsmenge.“ Eine von einem Mitarbeiter durchgeführte Benutzerstudie mit 37 Chirurgen unterstützt die Entwicklungsarbeit an optimalen Kompressionseinstellungen.

Hinter allem steht das Ziel, Künstliche Intelligenz ähnlich den neuronalen Netzen im menschlichen Hirn auch der Multimediadatenverarbeitung beizubringen. Dafür wird die Pixel-Umgebung auf Farbe und Struktur automatisch analysiert, dann systematisch in ein selbstlernendes System eingepflegt, welches die Informationen untereinander verknüpft. Schöffmann: „Wir haben hier bereits erste Erfolge im maschinellen Lernen erzielt und sind zuversichtlich, dass wir auch Szenen wie Schneiden und Nähen bald automatisch erkennen können.“

Klaus Schöffmann

Klaus Schöffmann ist Assoziierter Professor am Institut für Informationstechnologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, wo er an verteilten Multimediasystemen forscht. Seine Dissertation über „Videosuche“ schloss er 2009 ab, seine Lehrbefugnis in der Informatik erhielt er im Jahr 2015. Aktuell forscht Klaus Schöffmann an Systemen für die menschliche Interaktion mit Bildern und Videos, sowie für die automatische Inhaltserkennung in Videos, unter anderem in Videodaten aus der medizinischen Endoskopie.

Die weiteren MitarbeiterInnen des Instituts für Informationstechnologie an den Videodatenbankprojekten sind Marco Hudelist, Sabrina Kletz, Andreas Leibetseder, Bernd Münzer, Stefan Petscharnig und Jürgen Primus.

Klaus Schöffmann | Foto: privat

„… und natürlich auch Vertrauen“

Nachgefragt bei Christoph Hiltl, Projektkoordinator im Bereich Neue Applikationen der Firma Karl Storz


Herr Hiltl, die Firma Karl Storz unterstützt die Klagenfurter Endoskopie-Forschungsprojekte mit einem sechsstelligen Betrag. Was erwarten Sie sich dafür?

Wir erwarten uns Zugang zu neuen Technologien und Verfahren im Bereich der Verarbeitung multimedialer Daten. Dies bedeutet, dass wir neben theoretischen Ansätzen auch ganz gezielt praktische Anwendungen umsetzen lassen, welche sich in Produkten für den Endanwender niederschlagen sollen. Somit schließt sich auch der Kreis: Forschung ermöglicht Produkt ermöglicht Forschung.

Welchen Sinn macht es, mit einer vergleichsweise kleinen Universität zusammenzuarbeiten?

Größe ist ja nicht zwingend ein Qualitätsmerkmal. Es zählen vielmehr der zielführende Umgang mit Inhalten, Flexibilität in der Kooperationsstrategie und nicht zuletzt natürlich auch Vertrauen. Kooperationen wie zwischen Karl Storz und der Universität Klagenfurt können m. E. nur erfolgreich sein, wenn ein entsprechender persönlicher Kontakt besteht. In kleineren Institutionen lassen sich diese Merkmale eher finden bzw. etablieren als in großen, unübersichtlichen Strukturen.

Welches konkrete medizintechnische Instrument könnte aus dem Projekt heraus entstehen?

Nun, da möchte ich noch nicht zu viel verraten. Sicherlich werden wir interessante Akzente im Bereich der ärztlichen Dokumentation und Kommunikation setzen können sowie im generellen Umgang mit videobasierter Information. Ich lade Sie aber gerne ein, mir in einem Jahr diese Frage nochmals zu stellen.

für ad astra: Barbara Maier