Weite & Offenheit: Neues Open-Access-Journal bietet Raum für Austausch zu Philologien

Während sich die Wissenschaften immer mehr spezialisieren und fokussieren, bietet ein neu an der Alpen-Adria-Universität gegründetes Open-Access-Journal mit dem Titel „Colloquium: New Philologies“ nun einen offenen, weiten und breiten Raum, um Themen aus den Sprach-, Literatur- und sprachlich geprägten Kulturwissenschaften zu diskutieren. Cristina Beretta und Nikola Dobrić vom HerausgeberInnenteam sprechen im Interview eine Einladung an WissenschaftlerInnen und Interessierte aus, diese Plattform mitzugestalten.

Was möchten Sie mit der Zeitschrift „Colloquium: New Philologies“ erreichen, was nicht schon andere Journals abdecken?

Cristina Beretta: Uns geht es darum, einen Raum für einen offenen, freien Austausch über Wissenschaft zu schaffen. In diesem Raum sollen sich Themen aus diversen Philologien, sowohl aus den Sprach- und Literaturwissenschaften als auch aus den sprachlich geprägten Kulturwissenschaften, tummeln können. Was uns auszeichnet, sind Interdisziplinarität, Mehrsprachigkeit und eine mehrschichtige Offenheit.

Nikola Dobrić: Wenn man ein Projekt wie die Gründung einer Zeitschrift startet, muss man sich fragen: Will man sich fokussieren? Falls ja, worauf? Oder will man gerade den umgekehrten Weg gehen? Erfahrungen vieler Kolleginnen und Kollegen, die Journals gründeten, zeigen, dass es für sehr spezialisierte Zeitschriften häufig schwierig ist, gute Beiträge zu finden.

Die Breite öffnet den Horizont des Lesers bzw. der Leserin. Liegt der Nachteil der Offenheit aber nicht darin, dass es schwierig ist zu positionieren, wofür das Journal steht? Wer soll nach Artikeln in Ihrem Journal suchen?

Nikola Dobrić: Wir haben es meines Erachtens derzeit mit einem Paradigmenwechsel zu tun. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchen über Online-Suchmaschinen; diese gibt es auch speziell für den wissenschaftlichen Bereich. „Colloquium: New Philologies“ ist eine Open-Access-Zeitschrift: Die Artikel werden also gefunden werden. Und wir können dabei davon ausgehen, dass diejenigen, die dann bei unserem Journal landen, bald merken werden, dass es eine besondere Zeitschrift und eine besondere Plattform ist.

Was ist besonders daran?

Cristina Beretta: „Colloquium: New Philologies“ hat die Form einer Zeitschrift, weil das zu Zwecken der Sichtbarkeit und der Kommunikation wichtig ist. Was wir aber vielmehr bieten, ist eine Plattform, die durch Offenheit gekennzeichnet ist – und zwar eine, die nicht auf den Gratisdownload beschränkt bleibt. Der ‚offene Zugang‘ bedeutet auch gelebte Offenheit im Input, Denken, Forschen, Diskutieren und Disputieren, Schreiben.

Worin liegt der Charakter einer Plattform für Sie?

Nikola Dobrić: Wir planen drei Rubriken: Die „Results“, also wissenschaftliche Ergebnisse, die peer-reviewed veröffentlicht werden. Aber wir haben auch die Präsentationen von „Perspectives“ vor, also Texten, die sich mit Arbeiten work-in-progress auseinandersetzen. Besonders spannend blicken wir auf die „Discussions“, die durch Beiträge im Journal angestoßen werden und die einen Diskurs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, aber auch darüber hinaus, ermöglichen sollen. Die Sprache, in der diese Diskussion ablaufen soll, wollen wir auch nicht vorgeben. In einem ersten Schritt wollen wir uns auf Basis der Texte in der ersten Ausgabe fragen: Welcher Text wirft welche Fragen auf und wie kann man diese weiterführen?

Bei aller Grenzenlosigkeit frage ich aber dennoch: Wo liegen Ihre Grenzen?

Cristina Beretta: Die Grenzen sind unsere Kompetenzen. Wir Herausgeberinnen und Herausgeber bilden ein vielfältiges Team, das diverse Sprachen, und deren Literaturen und Kulturen abdeckt, und zwar die, die wir an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt anbieten: Anglistik & Amerikanistik, Germanistik, Romanistik, Slawistik. Wir wollen offen halten, welche von diesen verwendet werden. Englisch ist derzeit die lingua franca; lange Zeit war ja dies Latein, später Französisch. Unsere Botschaft an die Autorinnen und Autoren ist daher: Schreibt auch in euren Sprachen; und wir werden sehen, wie der mehrsprachige Austausch funktioniert.

Damit wird der Alpen-Adria-Raum gut abgedeckt.

Cristina Beretta: Ja, mit ihren vielfältigen Sprachräumen und deren Grenzen, die stets neu fixiert, aber auch immer (wieder) überwunden werden, ist der Alpen-Adria-Raum zum einen die Metapher, für das, was wir tun. Wir wollen uns aber auch ansehen, welche Themen dieser Raum hergibt, denen wir uns in Special Issues, gemeinsam mit Co-HerausgeberInnen aus Universitäten der Region, annehmen wollen. Eine solche Idee ist das Thema „Sprache und Politik“, dem wir uns voraussichtlich 2018 widmen werden, eventuell in Verbindung mit einer Tagung. Das ist aber alles noch in Planung.

Die Währung, in der der Wert von Journals meist gemessen wird, sind Indexierungen und Zitationen. Wo wollen Sie sich mit „Colloquium: New Philologies“ in diesem Umfeld positionieren?

Nikola Dobrić: Ich glaube, wir sollten uns für unsere Autorinnen und Autoren um die Bedienung dieser Logiken bemühen. In Österreich, besonders in den Kulturwissenschaften, ist es noch nicht so wichtig, in indexierten Journals zu publizieren; dies gewinnt aber zweifellos an Bedeutung. Wir werden uns in ein paar Jahren um eine solche Indexierung bemühen; sind wir damit aber mit unserem innovativen Format nicht erfolgreich, muss das auch nicht unbedingt sein.

Cristina Beretta: Unser primäres Ziel ist das nicht. Der Erfolg von „Colloquium: New Philologies“ wird von der Qualität und auch Quantität der Beiträge und der Diskussionen abhängen. Wie lange sich dieser umstrittene Trend halten wird und inwiefern er bedient werden soll, ist fraglich.

Wie wichtig ist Ihnen, dass die Plattform open-access zugänglich ist?

Nikola Dobrić: Sehr wichtig. Ich glaube, dass die Entwicklung in den Scientific Communities ganz stark in diese Richtung geht. Wenn Wissenschaft frei verfügbar ist, und mit den richtigen Mitteln gesucht und gefunden werden kann, verliert auch die Marktmacht der Indexierungen an Gewicht: Gut ist dann das, was gelesen, diskutiert, weitergedacht, fruchtbar gemacht wird.

Cristina Beretta: Die Entwicklung ist stark von den einzelnen Bereichen abhängig: Während man viele Artikel zur englischen Sprache, Literatur und Kultur im Internet findet, ist dies im Bereich der wissenschaftlichen Slawistik weniger ausgeprägt. Open-Access ermöglicht es uns aber, für alle Leserinnen und Leser offen zu sein.

Worin liegen die nächsten Schritte?

Nikola Dobrić: Das nächste Issue von „Colloquium: New Philologies“ soll Ende Juni erscheinen. 2017 wollen wir noch eine zweite Ausgabe herausgeben. In einem ersten Schritt haben wir uns auf „Results“ spezialisiert; in den nächsten Ausgaben wollen wir „Perspectives“ und „Discussions“ hinzunehmen. Der Call for contributions für die nächste Ausgabe läuft bis Mitte April. Weiteres dazu findet man auch unter http://colloquium.aau.at.

Zu den Personen

Cristina Beretta ist Section Editor von Colloquium. Sie ist Assistenzprofessorin am Institut für Slawistik der Alpen-Adria-Universität und arbeitet zu ihrem Habilitationsprojekt zum Thema „Differenzerfahrung und Literatur. Norm und Abweichung in der postjugoslawischen Kriegsprosa“. Bis Ende 2016 war sie auch Vizerektorin für Lehre und Internationales an der AAU.

Nikola Dobrić ist Chief Editor von Colloquium. Er ist Postdoc-Assistent am Institut für Anglistik und Amerikanistik an der Alpen-Adria-Universität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Korpus-Linguistik. Derzeit arbeitet er an seinem Habilitationsprojekt zum Thema „Korpus-Linguistik und Sprachtesten“.

Nikola Dobric & Cristina Beretta | Foto: aau/Müller