Klagenfurter Reimchronik | Foto: aau/Andrea Bem

„Undterschüdlüche geschüchten …“

Klagenfurts frühe Geschichte in Reimform, erkundet mit der Historikerin Elisabeth Lobenwein aus Anlass der Ausstellung in der Reihe „Kostbarkeiten aus der Bibliothek“ im Jubiläumsjahr 2018

Die päptistische möss hat er veracht und andere cerämonia aussgelacht“ (Anno 1563)

Die Universitätsbibliothek Klagenfurt besitzt mit der Papierhandschrift 210 die älteste erhaltene Abschrift der ersten Klagenfurter Stadtchronik. Sie trägt den barocken Titel „Undterschüdlüche geschüchten beschreibung, waß in dissen lanth Khärnten in unterschüdlühen jarn beschechen unnth vorbey ganngenn“ und enthält vorrangig die Ereignisgeschichte der Stadt Klagenfurt für den Zeitraum

von 1511 bis 1608.

„Die Fassung von fast 1400 Knittelversen auf 26 Blättern dürfte um die Mitte des 17. Jahrhunderts geschrieben worden sein“, erklärt Elisabeth Lobenwein, Neuzeithistorikerin am Institut für Geschichte an der Alpen-Adria-Universität, „das lässt sich aufgrund des Schriftbildes und der Sprachform festhalten. Nur der Schreiber ist unbekannt, genauso wie die zeitgenössische Rezeptionsgeschichte“. Der Text dürfte sich weitgehend an eine Abschrift der „Urschrift“ aus den 1610/20er Jahren gehalten haben, die nicht mehr existiert. Als mutmaßlicher Autor dieser Urfassung wird ein Paul Kheppiz (genaue Lebensdaten unbekannt, ca. 1570–1620) angenommen. Drei weitere Abschriften mit minimal abweichenden Inhalten besitzen noch der Kärntner Geschichtsverein und die Grazer Universitätsbibliothek.

Dem Klagenfurter Historiker Dieter Jandl ist die erste komplette historisch-kritische Edition aller vier Abschriften zu verdanken. Die Chronik ist annalistisch aufgebaut, aber nicht zu jedem Jahr sind Einträge vorhanden. Um das Jahr 1600 nimmt jedoch die Detailliertheit der Beschreibungen deutlich zu; die Einträge zum letzten Jahr 1608 umfassen sogar 346 Zeilen. „Das quantitative Ausmaß der Notizen steigt also, je näher die Schilderungen an den vermutlichen Abfassungszeitraum der Stadtchronik kommen“, sagt Lobenwein, und das habe seinen guten Grund: „Zwar erscheint der Erzähler im Text nicht als handelnde Person, aber zum Jahr 1606 schreibt er, dass er den beschriebenen Ereignissen als Augenzeuge beigewohnt habe: hab es selber mit augen gesechen.“

Historiographisch besonders interessant findet Lobenwein den Blickwinkel des Autors sowie seine Auswahl von Erzählenswertem: „Es dominieren völlig verschiedene Themenbereiche und Ereignisse, die vom Chronisten als wichtig erachtet wurden.“ Beschreibungen von Wetterkapriolen, Naturkatastrophen, Epidemien und Feuersbrünsten finden ebenso Erwähnung wie politische  Entscheidungen für die Stadt Klagenfurt und deren Bevölkerung, etwa die Übergabe der Stadt durch Kaiser Maximilian I. an die Landstände im Jahr 1518 und natürlich der massive Ausbau der Stadt. Bedeutend in der Zeit sind die Reformation und deren Folgen und die gegenreformatorischen Maßnahmen um das Jahr 1600. Hierzu werden zahlreiche konkrete Ereignisse geschildert, u. a. die erste protestantische Messe in deutscher Sprache von einem aus Böhmen kommenden Prediger (1563) oder die Ankunft der Jesuiten und deren Gründung eines Kollegs im Jahr 1604. Zwischendurch erwähnt der Chronist überregionale Ereignisse, die mit dem Kaiser, dem Heiligen Römischen Reich oder dem Kampf gegen die Osmanen in Zusammenhang stehen.

Ihren Ausgang nahm die beliebte Stadtchronikschreibung in der Frührenaissance in Italien und erreichte in den deutschsprachigen Ländern ihren Höhepunkt im 15. und 16. Jahrhundert. Dies ging Hand in Hand mit dem Erstarken der Bürgerschicht und der Städte. „Stadtchroniken wurden vorrangig in den neuzeitlichen Volkssprachen verfasst“, erklärt Lobenwein, „die Abfassung in Reimen, wie im Fall der Klagenfurter Chronik, ist allerdings nicht sehr häufig zu finden“.

Für ad astra: Barbara Maier