Ob jemand mit einem Kauf oder einer Dienstleistung zufrieden ist, hängt auch von seiner oder ihrer Persönlichkeit ab. Sonja Bidmon versucht, Erkenntnisse aus Psychologie und Marketing in ihrer Forschung zu vereinen.

Nur zufriedene KundInnen sind für die Unternehmen dauerhaft gute KundInnen. Die Wissenschaft beschäftigt sich seit langem damit, wie man Auslöser von Zufriedenheit messen kann. Entsprechende Modelle sind etabliert, wie Sonja Bidmon (Abteilung für Marketing und Internationales Management) ausführt: „Besonders interessant ist für uns, welche Attribute sich wie auf die Zufriedenheit auswirken. Der japanische Forscher Noriaki Kano hat dazu vor vielen Jahren ein Modell entwickelt, das sich nach wie vor gut anwenden lässt.“ Demnach gebe es drei Typen von Faktoren: Bei den so genannten Basisfaktoren kann das Unternehmen kaum gewinnen, aber viel verlieren. Das ist beispielsweise bei dem Faktor „Sauberkeit“ in einem Hotel der Fall: Wenn die Zimmer besonders sauber sind, fällt das kaum positiv auf; sind sie aber schmutzig, sind Gäste sehr unzufrieden.

Daneben gibt es die Begeisterungsmerkmale, mit denen Unternehmen punkten können. Dabei handelt es sich um Extra-Angebote, wie beispielsweise den „Gruß der Küche“ in einem Restaurant. Wenn es diesen nicht gibt, fällt dies kaum auf; wird er aber serviert, freuen sich Kundinnen und Kunden darüber. Drittens gibt es die Leistungsfaktoren, bei denen es einen linearen Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit von Attributen und der Zufriedenheit gibt: „Ein Beispiel dafür ist das Preis/Leistungsverhältnis. Das kann positiv oder negativ auffallen“, so Bidmon.

Sonja Bidmon interessiert sich nun dafür, inwiefern die Persönlichkeit des Kunden bzw. der Kundin auf diese Kategorisierung Einfluss nimmt. Eine Untersuchung hat sie für den Bankensektor durchgeführt. Ihr Ergebnis gibt der herkömmlichen räumlichen Gestaltung von Banken mit modernen Möbeln, hochwertigen Materialien und sauber glänzenden Flächen recht: „Es hat sich gezeigt, dass das so genannte tangible Umfeld, also die Raumausstattung und alles, was ich auf den ersten Blick in einer Bankfiliale wahrnehme, ein Basisfaktor ist. Über dieses Umfeld kann man sich nicht profilieren; eine Bank mit altmodischem Erscheinungsbild und schmutzigen Böden würde aber Unzufriedenheit auslösen“, erklärt Bidmon.

Analysiert wurde nun, ob z. B. die Persönlichkeitsdimension „Verträglichkeit“– eine der fünf Skalen im universellen persönlichkeitspsychologischen Standardmodell der „Big-Five“ – eine Rolle bei der Kategorisierung von Kundenzufriedenheitsfaktoren im Bankenbereich spielt. Hoch verträgliche Kundinnen und Kunden sind besonders mitfühlend, altruistisch, wohlwollend, kooperativ und nachgiebig. „Es hat sich gezeigt, dass ich diese Personen tendenziell eher durch Zuverlässigkeit und Freundlichkeit begeistern kann als durch Bankkonditionen“, so Bidmon. Diese Daten seien für die Wissenschaft sehr interessant. Für das konkrete Marketing einer Bank sei es aber schwer möglich, die Big-Five-Ausprägungen ihrer Kundinnen und Kunden zu eruieren. „Von Interesse könnten aber Begleitfaktoren sein. Beispielsweise haben Extravertierte andere Hobbys als Introvertierte. Dies ließe sich auch von Banken verhältnismäßig leicht im Kundengespräch in Erfahrung bringen.“

Die Persönlichkeit, und damit auch unser Wesen als Kundinnen und Kunden, werde zudem auch entscheidend von den frühkindlichen Bindungserfahrungen geprägt, erläutert Bidmon. Gemeinsam mit der Masterstudentin Jamilla Allaoui hat sie analysiert, wie sich der Bindungsstil auf die Loyalität und das Vertrauen zu Marken auswirkt. „Im Marketing sprechen wir von einer idealtypischen Wirkungskette: Von der Kundenorientierung über die Kundenzufriedenheit zur Kundenbindung“, erklärt sie. Die Kette funktioniert natürlich nicht immer ideal im Sinne der Unternehmen. Die Studentin hat in deutschen Schulen mittels Fragebögen nach der wichtigsten Bindungsperson und Charakteristika der Beziehung zu dieser Person gefragt. Gleichzeitig ging es in der Erhebung um Markenbindung: Zu welchen Marken haben die Schülerinnen und Schüler eine Bindung, sind sie bindungsbereit für Marken und wie gestaltet sich diese Bindung?

Bidmon führt dazu aus: „Es gibt verschiedene Konzeptionierungen von Bindungsstilen. Eine davon ist z. B. die Unterscheidung, ob man eher sichere oder ängstliche Bindungserfahrung hat, und zum zweiten die Unterscheidung zwischen abhängiger und unabhängiger Bindung. Die Bindungstheorie geht davon aus, dass man aufgrund der frühkindlichen Bindungserfahrungen so genannte interne Arbeitsmodelle von der Zuverlässigkeit anderer entwickelt. Diese Modelle bleiben als relativ stabile Verhaltenstendenzen bis ins Erwachsenenalter bestehen und können in späteren Paarbeziehungen sichtbar werden. Im Marketing werden diese Erkenntnisse nun auf den kommerziellen Bereich übertragen.“

Die Klagenfurter Ergebnisse zeigten unerwarteterweise, dass ein sicher gestalteter Bindungsstil keinen Einfluss auf das Verhältnis zu Marken hat. Was aber auffiel, war, dass eine hohe Abhängigkeit von der frühkindlichen Bindungsfigur bei den Schülerinnen und Schülern auch eine höhere Bereitschaft bedeutet, sich an Marken zu binden. Bidmon erklärt weiter: „Zu ähnlichen Schlüssen gelangten amerikanische Studien, die auf der Terrormanagementheorie basieren. Diese haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen einem existenziellen Unsicherheitsgefühl und einer höheren Markenbindung gibt.“ Solche Analysen ließen sich, vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen, für Segmentierungsansätze von Unternehmen nutzen. Damit könnten Unternehmen spezifische Angebote für die unterschiedlichen Gruppen formulieren.

Auf die Frage, ob Bidmon Skrupel habe, mit Wissen aus der Psychologie den Marketingstrategen in die Hände zu spielen, winkt sie ab: „Die Wissenschaft ist ja nicht für die konkrete Umsetzung verantwortlich. Ich hätte nur Skrupel, wenn sich Erkenntnisse für die Tabak- oder Alkoholindustrie
nutzen ließen. Letztlich kann ein Mehr an Wissen darüber, wie Marketing Menschen beeinflussen kann, auch zu einer höheren Sensibilität gegenüber diesen Strategien führen. Das zumindest vermittle ich meinen Studierenden.“

für ad astra: Romy Müller

Zur Person

Sonja Bidmon forscht zu Kundenzufriedenheit. Zuletzt hat sie ihre Ergebnisse zu Bindungsstilen und Kundenzufriedenheit auf zwei internationalen Konferenzen in Belgien und Großbritannien vorgestellt.

Sonja Bidmon | Foto: aau/Müller