Frühwarnsystem für unsere Ökosysteme
Der zunehmende Verlust von Artenvielfalt und die Veränderungen unserer Ökosysteme rufen nach neuen Wegen, um diese Entwicklungen besser verstehen zu können. Das EU-Projekt „BACI“ macht das unter Zuhilfenahme von Weltraumdaten, erzählt Karlheinz Erb im Gespräch mit ad astra.
Herr Erb, was können uns Satellitendaten über den Klimawandel und Ökosystemveränderungen sagen?
Genau mit dieser Frage beschäftigen wir uns im Projekt „BACI“. Wir wollen Anwendungen für die bereits bestehenden und zukünftige Weltraum- und Satellitendaten finden. Daten gibt es immer mehr und immer bessere. Wir wissen aber noch gar nicht, wo wir diese Daten überall einsetzen können.
Um welche Daten handelt es sich genau?
Einerseits haben wir sehr viele visuelle Daten aus dem Weltall, die zeigen, wie viel Vegetation es auf der Erdoberfläche gibt, wie die Oberfläche strukturiert ist, wo sich helle Flächen – Wüsten, Gletscher – bzw. dunkle Flächen wie Wald befinden. Außerdem gibt es Radardaten, die Wasseroberflächen erkennbar machen bzw. ganz allgemein Wassergehalte anzeigen und mit denen Gletscher und Biomasse vermessen werden können. Als dritte Datenquelle nutzen wir ein Verfahren, das sozusagen das Profil der Oberfläche darstellt, also unterschiedliche Höhen der Landbedeckung wie z. B. Baumspitzen. Aus der Kombination dieser Daten kann man dann eine Art 3-D-Bild der Erdoberfläche erstellen.
Was wird mit diesen Daten im Projekt „BACI“ gemacht?
Die bestehenden Daten werden verknüpft und zusammen mit sozioökonomischen Daten interpretiert. Ziel ist es, einen „Change Index“ zu erarbeiten, mit dem wir Veränderungen in terrestrischen Ökosystemen erfassen und verstehen können. So könnten wir Schwellenwerte definieren, die anzeigen, dass es in einer Region zu einer Bedrohung einer Art oder des Ökosystems kommt. Die existierenden
Satellitendaten reichen dafür aber nicht aus. Satelliten können beispielsweise den Unterschied zwischen Acker- und Grasland nicht erfassen. Auf Biodiversität und Ernährungssicherheit können diese Landnutzungsarten aber große Auswirkungen haben. Wir brauchen auch Statistiken und Beobachtungen am Boden, die dann systematisch mit den Satellitendaten verknüpft werden.
Welchen Schwerpunkten widmet sich das Institut für Soziale Ökologie in dem Projekt?
In unserem Projektteil geht es um gesellschaftliche Herausforderungen in Bezug auf Klima, Land und Wasser. Wir forschen speziell zu Landnutzung und damit verbundenen Aspekten wie Ernährungssicherheit und Bioenergie.
Und mit welchem Ziel?
Es gilt im ersten Schritt herauszufinden, wie sich Veränderungen im Erdsystem, also beim Klima, im Wasser- oder Kohlenstoffkreislauf, auf die Menschheit auswirken, und vice-versa. Dafür werden wir den Landnutzungswandel der letzten 50 bis 100 Jahre untersuchen. Wo gab es welche Art von Landnutzung und in welcher Intensität? Was sind die gesellschaftlichen Antriebskräfte von Veränderung und Konstanz? Welche Rolle spielt hier das Klima? Wir haben Beispielregionen identifiziert, in denen wir dies im Detail untersuchen.
Welche Regionen untersuchen Sie?
Es sind Regionen in Teilen Europas und Afrika, die unterschiedliche Ökozonen und Gesellschafts- und Landnutzungssysteme abbilden und in denen sich laut der bisherigen Daten viel verändert hat, sogenannte „Hot Spots“. Aber auch „Cold Spots“, Regionen mit wenig Veränderung, sind interessant.
für ad astra: Katharina Tischler-Banfield
Das Projekt „Erfassung von Veränderungen wesentlicher Ökosystem- und Biodiversitätseigenschaften – Auf dem Weg zu einem Biosphären-Atmosphären- Index“ (BACI) wird vom Europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 gefördert und vereint zehn europäische Institutionen, darunter das Institut für Soziale Ökologie der AAU. Koordiniert wird das Projekt vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Laufzeit: 2015 bis 2019.
Zur Person
Karlheinz Erb ist assoziierter Professor für Landnutzung und Globalen Wandel am Wiener Standort der AAU. Er ist Preisträger eines ERC (European Research Council) Starting Grant.