Johanes Zechner "Saint Exupery" und "Tolstoi" | Foto: Archiv Zechner

Die Welt ist nicht rund

Einblicke in Kunst und Leben von Johanes Zechner anlässlich seiner Ausstellung Tilly Lab Circle an der Alpen-Adria-Universität

Die Werke von Johanes Zechner sind bestimmt von teils kräftigen und teils zarten Farb- und Symbolwelten. Es gibt darin keine Formen, Striche oder Zeichen, die ohne Bedeutung und Tiefsinn wären. Auch wenn etwas vordergründig einfach oder zufällig wirkt, hat es seine Bestimmung im Gesamten, und alles ist miteinander verflochten. Dahinter steht ein langer und konsequenter Schaffensprozess.

Zechner ist ein diskursiver Künstler, der gerne auch seine politisch-kritische Haltung einfließen lässt und in oft brüchige Zeichen transformiert. Den Betrachtenden fällt es nicht leicht, den Bildern Zechners auf Anhieb nahe zu kommen, schon gar nicht, wenn ein individueller Ästhetik-Anspruch als Filter fungiert. Man muss den „langen, kompakten Erzählungen“ erst auf die Spur kommen. Eine Möglichkeit bietet sich in der kommenden Ausstellung an der Alpen-Adria-Universität. Dort wird Johanes Zechner erstmals seinen jüngst abgeschlossenen Werkzyklus „Tilly Lab Circle“ zeigen, an dem er seit 2011 gearbeitet hat. In Klagenfurt ist er geboren, in der Nähe des Campus ist er aufgewachsen. An der Sattnitz hat er als eines von sechs Kindern die Sommer barfuß und in großer Freiheit „pubertäre Entdeckungen gemacht, Grenzen ausgelotet und das Leben erforscht“. Damals stand die Uni noch nicht, Zechner ist Jahrgang 1953.

Die Universität als Ausstellungsort sagt ihm sehr zu: „Das ist ein Ort des Denkens und Forschens, bestimmt von Wissen, Reflexion und von Literatur.“ Das sind auch die Lebensprinzipien des Künstlers. Sein Triptychon „Ich sah die Brombeeren“ dominiert seit einigen Jahren das Sitzungszimmer des Rektorats künstlerisch. Es ist eine Dauerleihgabe der Albertina Wien/Sammlung Essl und entstand 1990. In den beiden Werkgruppen der Triptychen und der Puzzlebilder versuchte Zechner, „nicht in einem Bild zu sprechen, sondern einen Gedanken in mehreren Bildern auszudrücken“. Er führt diese Arbeitsweise auch auf sein (vermeintliches) Unvermögen zurück, große Flächen zu bewältigen, deshalb habe er „Bilder zusammengesetzt“. Er bewundert David Hockney und andere amerikanische Maler, die riesige Bilder oder ganze Wände schaffen. „Ich kann das nicht. Ich fürchte mich schon vor einem leeren A4-Blatt. Meine Lösung schließlich war, ich schaffe es auch – aber in Segmenten. Ich bin eben ein europäischer Künstler.“

Sein erstes Triptychon fertigte er 1988, als er am Royal College of Art in London studierte. Der Sammler Karlheinz Essl erwarb es umgehend, wie später auch viele weitere. Davor hatte Zechner an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Maximilian Melcher und Max Weiler studiert, um sich dann wieder von allen Einflüssen zu befreien und einen eigenen künstlerischen Weg zu gehen. Er hat sich früh für eine völlig subjektive Malerei entschieden, die keine Vorgaben oder Vorlagen kennt. So ist seine Bildsprache auch unikal und unverwechselbar geworden.

Zechner setzt sich äußerst intensiv mit Literatur auseinander und verknüpft seine malerische Arbeit mit Zeichen und Zeichensystemen. Eine Perfektion in der Ausführung wird nicht angestrebt, die Emotionalität darf vorherrschen. Dabei kann der Malprozess sehr eruptiv werden: „Die Wucht geht von den Worten aus“, sagt Zechner, „auch wenn dann Zahlen, Tropfen, ein Elefant oder nur mehr ein gelber Streifen am Bild herauskommt.“

Bei mehreren spezifisch literarischen Werkzyklen hat er sich eingehend mit „schöner Literatur“ befasst. Nun wagt er sich an ein fundamentales Schriftwerk – das Alte Testament. Zwei Jahre hat er gezögert, bis er „sich darüber getraut hat“. Die Texte wird er auf Englisch verarbeiten, „um mir Distanz zu diesen sehr gewichtigen Erzählungen zu schaffen“. Die von Zechner ausgewählten Phrasen übersetzt ihm ein befreundeter Dichter. Die ersten grundgelegten Farbfelder für den Bibelzyklus – erstmals mit Öl – sind im Entstehen Wenn das Wetter es zulässt, arbeitet er auf einem sonnseitigen Gartenplateau des Grazer Schlossbergs. Dort hat Zechner sein Winteratelier aufgemacht und betätigt sich als „Plein-air-Maler“, wie er verschmitzt anmerkt. Im Sommer bewohnt er mit seiner Familie das alte Pfarrhaus von Obermieger bei Klagenfurt. Inmitten des großen Gartens zwischen alten Bäumen und – von Zechner angelegten und experimentell bepflanzten – Blumenhügelskulpturen, steht auch das Atelier. Dieses hat einiges mit der ausgestellten Werkserie zu tun.

Die Arbeiten des Tilly Lab Circle (TLC) verbinden drei äußerliche Dinge: eine kreisrunde Form, die nie ganz kreisrund ist; eine Benennung, die nichts mit dem Motiv zu tun hat; und der Name Tilly, der sehr wohl von der gleichnamigen Plattenfirma kommt. Ein Gutteil der Serie, mit der Zechner 2011 begann, ist im Kärntner Atelier entstanden. Dieses ist aus Naturholzplatten der Firma Tilly in Althofen gezimmert. Die stabilen Platten, die Zechner durch den Verkauf von Kunstwerken erstanden hat, entdeckte er später auch als Maluntergrund. Circle/Kreis steht nicht nur für Zyklus, sondern bezeichnet auch deren runde Form. Trotz gleichem Durchmesser gleicht keine Platte der anderen: „In das äußere Rund habe ich meinen Körper eingeschrieben.“ Als Messlatte dient ihm sein ausgestreckter Arm. Mit einem einzigen Schwung fertigt Zechner die Markierung für den Zuschnitt: „Es kommt nie ein vollkommener Kreis heraus, er ist immer etwas anders, individuell. Die Welt ist ja auch nicht exakt rund.“

Die einzelnen Objekte tragen Namen von literarischen Persönlichkeiten wie Saint-Exupéry (u. re.), Tolstoi (u. li.) oder Grillparzer (oben) [so die Titel der abgebildeten Werke]. „Diese Bezeichnungen sind völlig willkürlich und haben nichts mit dem Bildinhalt zu tun“, erklärt Zechner, „das kommt daher, weil das für die Serie verwendete Skizzenbuch mit Zitaten von Autoren und Autorinnen ausgestattet war. Nach denen habe ich sie dann benannt.“

Die Ausstellung Johanes Zechner | Tilly Lab Circle beginnt am 18. April 2018 in der Großen Galerie der Alpen-Adria-Universität und bleibt bis 17. Juni geöffnet. Ausgestellt werden rund 30 Arbeiten aus der Serie, das zugehörige Skizzenbuch sowie einige exemplarische Objekte aus anderen Werkgruppen.

Für ad astra: Barbara Maier

Johanes Zechner

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