Der sorglose Umgang unserer Hamstergesellschaft mit Müll

Grafik zum APA-Science Gastkommentar von Willi Haas und Dominik Wiedenhofer

Will man mehr über die Veränderung des Mülls wissen, lohnt sich ein Blick auf den gesellschaftlichen Stoffwechsel. Dieser beschreibt die Ressourcenflüsse durch unsere Gesellschaft, von der Entnahme aus der Natur oder Import über Produktion und Konsum bis zur Retournierung an die Umwelt, als Müll oder Emissionen. Nicht zu vergessen sind langlebige Produkte und Infrastrukturen, die Ressourcen in Form von gesellschaftlichen Materialbeständen langfristig binden. Die Grafik repräsentiert diese stark vereinfachten Ressourcenflüsse.

Eine Rekonstruktion der Ressourcenflüsse durch Österreich um 1900 zeigt, dass pro Kopf etwa 5 Tonnen Material der Natur entnommen oder importiert wurden (Ressourceninput). 75% davon bestand aus Biomasse, 12% waren Baustoffe und Metalle sowie 13% fossile Energieträger (damals vor allem Kohle). Pro-Kopf wurde daraus etwa 1 Tonne Emissionen und 2,8 Tonnen Müll. 1,2 Tonnen wurden zum Aufbau von langlebigen Beständen verwendet.

Im Jahr 2014 ist der Ressourceninput auf 31 Tonnen pro Kopf angewachsen. Baustoffe und Metalle dominieren den Materialinput (61%). Biomasse ist auf einen Anteil von 25% geschrumpft, aber absolut ist auch dieser Fluss angewachsen, er hat sich in etwa verdoppelt. Die fossilen Energieträger sind prozentmäßig etwa gleichgeblieben, absolut haben sich diese versechsfacht. Statt der Kohle sind dies nun vor allem Erdgas und Öl. Die Emissionen sind auf rund 9 Tonnen pro Kopf angestiegen. Der Müll ist auf 5 Tonnen angewachsen. Der Bestandszuwachs hat am stärksten zugenommen, auf insgesamt 17 Tonnen pro Kopf. Damit ist dies der größte Fluss. Dieses „Hamstern“ der Gesellschaft ist erst durch den Einsatz energiedichter fossiler Energieträger möglich geworden, die für den Aufbau und die Nutzung dieser Bestände gebraucht werden.

 

Die aktuellen Arbeiten zu diesem Thema werden im Rahmen des Projektes „MISO – Material Inputs, Stocks and Outputs“ durch den österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF – Project MISO P27590) gefördert.

Zum Dossier zum Thema Abfall auf APA-Science: http://science.apa.at/dossier/abfall

 

Weiterführende Texte zu materiellen Inputs, Beständen und Outputs aus Ökonomien finden sich hier:

Zeitungsartikel und Online-Beiträge:

Info zum Projekt MISO auf der Seite des Wissenschaftsfonds:

https://scilog.fwf.ac.at/kultur-gesellschaft/3162/oekologen-berechnen-ressourcenbestaende-weltweit

 

Text in “the conversation” vom 19. Februar 2017: The 20th century saw a 23-fold increase in natural resources used for building

https://theconversation.com/the-20th-century-saw-a-23-fold-increase-in-natural-resources-used-for-building-73057

 

Text in „derStandard“ vom 7. Februar 2017: Weltweit Material im Umfang von 800 Milliarden Tonnen verbaut

http://derstandard.at/2000052232670/Anhaeufungsgesellschaft-Weltweit-Material-im-Umfang-von-800-Milliarden-Tonnen-verbaut?ref=rss

 

Wissenschaftliche Artikel:

Global socioeconomic material stocks rise 23-fold over the 20th century and require half of annual resource use (2017) Proceedings of the National Academy of Sciences

http://www.pnas.org/content/early/2017/01/31/1613773114

 

How Circular is the Global Economy? An Assessment of Material Flows, Waste Production, and Recycling in the European Union and the World in 2005 (2015) Journal of Industrial Ecology

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jiec.12244/full