Burnout in der IT-Branche | Foto: imtmphoto/Fotolia

Zu viel Stress durch Smartphone und Co?

ad astra hat mit einem interdisziplinären AAU-Forschungsteam, bestehend aus Sandra Diehl, Katharina Ninaus und Ralf Terlutter, gesprochen, das gemeinsam Studien in Hongkong und Österreich zum Thema Burnout durchgeführt hat. Neben Gemeinsamkeiten in beiden Ländern gibt es auch viele Unterschiede. Abhilfe ist oft einfacher als gedacht.

Burnout scheint ein Phänomen unserer Zeit zu sein, nehmen doch die dokumentierten Fälle in den letzten Jahren ständig zu. Der Begriff Burnout wurde aber schon in den 1970er Jahren geprägt, als er in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit Erschöpfungszuständen und dem Gefühl der Wirkungslosigkeit in Pflegeberufen Verwendung fand.
Die Forschungsgruppe der AAU analysiert das Phänomen des Burnouts in einer ganz bestimmten Branche, der Medien- und Kommunikationsbranche. Dafür hat das Team in Kooperation mit Professor Kara Chan von der Hong Kong Baptist University zuerst qualitative Interviews in Hongkong durchgeführt, denen eine quantitative Untersuchung in Österreich in einem großen, österreichweit tätigen Medienunternehmen nachfolgte. Die Wahl der Branche erfolgte nicht zufällig, tritt Burnout doch vor allem in solchen Berufszweigen auf, in denen der – teilweise emotional belastende – Kontakt mit anderen Menschen, besonders KlientInnen, sehr hoch ist. Außerdem ist die Arbeit in der Medien- und Kommunikationsbranche oft von ungeregelten Arbeitszeiten geprägt, die die Grenzen zwischen beruflichem und privatem Alltag verschwimmen lassen.

Die Symptome von Burnout sind vielfältig, meist werden eine überwältigende Erschöpfung, Gefühle von Zynismus und Distanziertheit sowie das Gefühl der Wertlosigkeit der eigenen Arbeit genannt. Da Burnout aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln untersucht werden kann, haben sich die ForscherInnen dafür entschieden, die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Arbeitsleben sind unterstützende Computertechnologien nämlich oft Fluch und Segen zugleich: Sie können das Arbeitsleben erleichtern, der Umgang mit ihnen kann aus verschiedenen Gründen aber auch schnell zur Überforderung führen. Deshalb eignet sich bei der Untersuchung des IKT-Bereichs das Modell der Anforderungen und Ressourcen (Job Demands-Resources Model) sehr gut.

„IKT sind ein zweischneidiges Schwert: Sie haben viele Vorteile, aber auch die Nachteile der ständigen Erreichbarkeit und den Druck der schnellen Reaktion.“

Ganz besonders interessierte Sanra Diehl, Katharina Ninaus und Ralf Terlutter, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es in den geographisch doch recht weit voneinander entfernten Untersuchungsregionen gab. Unterschiede zeigten sich vor allem in der Nutzung der sozialen Medien für den Arbeitsbereich. Die befragten Personen in Hongkong nutzten die sozialen Medien recht häufig im Arbeitskontext, vor allem WhatsApp wurde ganz intensiv für die Kommunikation mit KollegInnen, Vorgesetzten und KundInnen verwendet. In Österreich fällt die Nutzung sozialer Medien dagegen (noch) vornehmlich in den privaten Bereich.

Die Aufhebung der Grenze zwischen Privatem und Beruflichem und eine dauerhafte Erreichbarkeit auch in den Abend- und Morgenstunden, die offenbar auch von den Arbeitgebern und direkten Vorgesetzten erwartet wurde, führte bei den Interviewpartnern in Hongkong zu einer erheblichen Stressbelastung. Hongkong ist eine Medienstadt mit hohem Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck, die Schnelllebigkeit der Branche ist hier besonders ausgeprägt. Bei den Befragten in Österreich zeigte sich ein etwas anderes Bild. Hier ist es eher eine Form der inneren Verpflichtung, die die Menschen dazu verführt, auch am Abend ihre E-Mails zu checken und erreichbar zu sein.

Ähnliche Verhaltensweisen werden also durch unterschiedliche kulturelle Hintergründe geprägt: In Hongkong sind die Arbeitsanforderungen und die Erwartungen von Kunden und Vorgesetzten oft so prekär, dass die Befragten gar keine andere Möglichkeit sehen, als ständig erreichbar zu sein.

Die ForscherInnen interessierte in diesem Zusammenhang auch, wie der empfundene Stress im Arbeitsleben wieder reduziert werden kann, um ein endgültiges Burnout und damit das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben über einen längeren Zeitraum zu vermeiden.

„Die Befragten wollen ihre Arbeit eigentlich besser machen, finden unter dem permanenten Zeitdruck dafür aber nie Zeit. Auch die Messung des Arbeitsergebnisses ist in der Kommunikationsbranche besonders schwierig: es gibt keine 100 %-Zielerfüllung.“

Die Rolle von Arbeitgebern und direkten Vorgesetzten ist hier enorm wichtig: Abhilfe bei Stressbelastungen können schon wertschätzende Gesten und Empathie durch Vorgesetzte, ein gutes Verhältnis zu den ArbeitskollegInnen und ein kompetenter Umgang mit den vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Informations- und Kommunikationstechnologien schaffen. Regelmäßige Schulungen sind also, gerade für ältere ArbeitnehmerInnen, unerlässlich. Auch die Familie spielt eine wichtige Rolle. Die Work-Life-Balance kann nur dann gewahrt werden, wenn das Verschwimmen von Arbeits- und Privatleben reduziert wird. Bewusstes Abschalten der Kommunikationshilfen ist hier also ein wichtiges Signal – sowohl an die Familie als auch an den Arbeitgeber und Kunden. Auch die Akzeptanz in der Familie ist wichtig: Je geringer diese für die Tätigkeit des Partners oder die Partnerin ausgeprägt ist, umso mühsamer wird es für die Befragten, eine sinnvolle Balance zu finden.

„Es gibt viele Präventionsmaßnahmen, die vom Unternehmen beeinflusst werden können, zum Beispiel Wertschätzung, Interesse und Empathie zeigen.“

Die Befragten in Österreich sehen zwar die Hauptverantwortung für eine „gesunde“ Balance zwischen Beruf und Privatleben bei sich selbst, wünschen sich jedoch von ihren Arbeitgebern eine klarere Kommunikation, welche Erreichbarkeit und welcher zeitliche Einsatz von ihnen erwartet werden. Hier ist – genauso wie in der Frage der Wertschätzung – der Aufbau einer klaren und gut kommunizierten Unternehmenskultur wichtig.

In Hongkong, wo gerade „schwierige Kunden“ als enormer Belastungsfaktor gesehen wurden, wünschten sich die Befragten, dass die Kunden und Vorgesetzten den privaten Raum vermehrt akzeptieren sollten. Dies deckt sich mit der Erkenntnis, dass in Honkong eher äußere Faktoren Stress erzeugen, in Österreich eher intrinsische. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Befragten in Hongkong die Verantwortung für eine Verhaltensänderung eher bei ihrem beruflichen Umfeld als bei sich selbst sehen, sind doch Abhängigkeit und hierarchische Beziehungen viel ausgeprägter als in Österreich.

Aus den Erkenntnissen der Studien soll nun ein Wirkungsmodell erstellt werden, um die Ergebnisse noch weiter differenzieren zu können. Darauf aufbauend will das Team erforschen, wie Kampagnen zum Thema Burnout-Prävention konzipiert sein müssen, um erfolgreich zu sein.

für ad astra: Annegret Landes