„Zu viel Schmerz. Zu wenige Worte.“ – 30 Jahre Srebrenica
Filmvorführung und Podiumsgespräch mit ehem. UN-Hohen Repräsentant für Bosnien und Herzegowina Valentin Inzko
Das Jahr 2025 ist ein geschichtsträchtiges Jahr: 80 Jahre sind seit Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen, 70 Jahre seit der Einführung des Artikels 7 des Staatsvertrags von Wien, der die Volksgruppenrechte regelt und nur bedingt umgesetzt wurde, 30 Jahre seit dem EU-Beitritt Österreichs. Heuer sind aber auch 30 Jahre vergangen, seit das größte Massaker auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg verübt wurde: Zwischen dem 11. und dem 19. Juli 1995 wurden in Srebrenica von bosnisch-serbischer Seite unter der Führung von Ratko Mladić über 8000 männliche Muslime, allesamt unbewaffnete Zivilisten, in Srebrenica systematisch ermordet. Um die Spuren des Massakers zu verwischen, wurden die körperlichen Überreste nachträglich auf verschiedenen sekundären Massengräbern in Bosnien verteilt. Das macht es nicht nur schwer, die Opferzahl festzulegen: Die Toten können deswegen noch heute nicht von ihren Angehörigen in Würde beerdigt und verabschiedet werden. Am 23. Mai 2024 hat die UN-Vollversammlung die Einführung eines Gedenktags zum Massaker von Srebrenica beschlossen. Am 11. Juli soll weltweit dem Völkermord von Srebrenica 1995 gedacht werden. Der Tag wird erstmals heute offiziell begangen.
„Previše boli. Premalo riječi. Previše imena. Premalo vremena. Previše mezara. Srebrenica se ne može opisati.“
„Zu viel Schmerz. Zu wenige Worte. Zu viele Namen. Zu wenig Zeit. Zu viele Särge. Srebrenica kann man nicht beschreiben.“
— Hariz Halilović
Trotz des Schmerzes und der Sprachlosigkeit, die Srebrenica umgeben, fand am Montag, den 30. Juni 2025, an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt im Rahmen des Erinnerungsjahres 2025 die Veranstaltung Srebrenica 1995–2025: Geschichte, Erinnerung, Verantwortung statt.
Vor circa 70 Besucher:innen wurde zunächst der Film Quo Vadis, Aida? der bosnischen Regisseurin Jasmila Žbanić vorgeführt. Anschließend führten Cristina Beretta (Institut für Slawistik) und Jasmin Donlić (Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung) ein Gespräch mit Valentin Inzko, der langjährig Botschafter in Sarajevo und Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina von 2009 bis 2021 war.
Der international mehrfach ausgezeichnete Spielfilm Quo Vadis, Aida? (2020) erzählt eindrucksvoll die Geschichte der Dolmetscherin Aida, die in den dramatischen Julitagen 1995 zwischen ihrer Familie, ihrer Arbeit für die UN und den drohenden Gräueltaten hin- und hergerissen ist. Das bewegende Werk bietet eine persönliche Perspektive auf die Ereignisse von Srebrenica und macht die Dimension des Leids greifbar – eindringlich, sensibel und politisch relevant.
Als einer der profiliertesten Diplomaten im Kontext des Westbalkans ist Valentin Inzko ein profunder Kenner der Region. Sein Engagement für den Frieden, für Menschenrechte und gegen das Vergessen macht ihn zu einem wichtigen Zeitzeugen und Gesprächspartner heute. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hatte im April 2004 im Fall Krstič das Massaker von Srebrenica als Völkermord bezeichnet und Valentin Inzko hat im Juli 2021 als scheidender Hoher Repräsentant das Gesetz zur Leugnung des Völkermords auf den Weg gebracht.
Nach persönlichen Erinnerungen an die Ereignisse im Juli 1995 und Kommentaren über die internationale Verantwortung und das politische Versagen der internationalen Gemeinschaft wurde mit ihm zunächst die Bedeutung der Anerkennung des Völkermords für die Entwicklung der Region besprochen, dann u. a. die gesellschaftspolitische Lage in Bosnien und Herzegowina sowie dessen Perspektive auf einen EU-Beitritt:
„Dieses Land hat fantastische Menschen – seine Zukunft liegt in der EU“, so Inzko.
Die Veranstaltung wurde vom Institut für Slawistik und dem Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Fakultät für Kultur- und Bildungswissenschaften der AAU organisiert – mit freundlicher Unterstützung der ÖH-Studienrichtungsvertretungen Slawistik und Erziehungs- und Bildungswissenschaften sowie der Zweigstelle Klagenfurt/Celovec der Südosteuropa Gesellschaft e.V.
Sie war nicht nur eine Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel der europäischen Nachkriegsgeschichte, sondern auch ein eindringlicher Appell an unsere Verantwortung – als Gesellschaft, als Institutionen und als Einzelne – gegen menschenverachtenden Nationalismus und das Vergessen.










aau/KK


