Veränderungen bewegen

Kurz-Gespräche mit emeritierten und pensionierten Professorinnen und Professoren

Jutta Menschik-Bendele | Foto: aau/Gernot Gleiss

Jutta Menschik-Bendele
emeritierte Universitätsprofessorin am Institut für Psychologie
von 2006 bis 2010 Vizerektorin für Forschung

  • Warum sind Sie Wissenschaftlerin geworden?

    Ich habe in den stürmischen 1968er Jahren an der FU Berlin Politische Wissenschaften studiert. Da ich mich in der Studenten- und Frauenbewegung engagiert und darüber publiziert hatte, bekam ich eine Assistentenstelle am Psychologischen Institut. Dort habe ich mein Interesse für die seelischen Zustände von Individuen und
    Gruppen in Psychologie-Diplom, -Dissertation und -Habilitation münden lassen.

  • Würden Sie das auch heute noch werden wollen?

    Auf jeden Fall! Mir war vergönnt, in meiner akademischen Laufbahn Theorie und (psychoanalytisch-psychotherapeutische) Praxis miteinander zu verbinden, was ich mit großer Freude an die Studierenden weitergegeben habe. Damit meine ich, dass ich das Glück hatte, mit meinen Möglichkeiten im Sinne von Sigmund Freud die Verbindung von Heilen, Forschen und Lehren umzusetzen.

  • Warum glauben Sie, wird die Welt (durch die Wissenschaft) immer besser?

    Die Welt würde noch besser werden, wenn die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigten. Denn die wachsenden Probleme werden nur unter Zuhilfenahme von WissenschaftlerInnen gelöst werden können. Für mein Fach gilt, dass wir so viel über die Dynamik zwischen Individuen, Gruppen und Großgruppen wissen, dass man damit brisante Konflikte entschärfen könnte.

  • Was wünschen Sie sich von der Universität Klagenfurt für die nächsten 50 Jahre?

    Ich wünsche mir, dass die Universität das Motto dieser Jubiläumsausgabe „Mit Mut und Verstand für eine bessere Welt“ beherzigt. Dabei würde ich mehr auf den Mut setzen, auch ungewöhnliche Themen aufzugreifen und neue Wege zu gehen, wie es diese Universität bisher immer riskiert und damit ihren Platz in der scientific community gefunden hat. Verstand ist an dieser Universität zum Glück ohnehin reichlich vorhanden.

Laszlo Böszörmenyi | Foto: aau/Gerhard Maurer

Laszlo Böszörmenyi
emeritierter Universitätsprofessor am Institut für Informationstechnologie

  • Warum sind Sie Wissenschaftler geworden?

    Als Gymnasiast haben mich die großen Fragen des Lebens sehr beschäftigt. Ich habe viel klassische Literatur gelesen, Konzerte und Theater besucht. Mathematik und die Naturwissenschaften haben mich auch fasziniert, und mit 17-18 Jahren hat dieses Interesse überhandgenommen. Ich habe von der Wissenschaft die Nüchternheit
    und sicheres Wissen erhofft, die mir fehlten – und vielleicht bis heute fehlen.

  • Würden Sie das auch heute noch werden wollen?

    Ja, aber nicht unbedingt im gleichen Fach. Die technischen Wissenschaften bieten zwar vielleicht mehr Sicherheit als manche anderen Bereiche, dafür müssen sie aber die wichtigsten Fragen des Lebens ausklammern. Diese haben mich neben meiner Wissenschaftlerkarriere lebenslang beschäftigt – ich glaube intensiver als mein „offizielles“ Fach. So bin ich auf beiden Gebieten ein bisschen Laie geblieben.

  • Warum glauben Sie, wird die Welt (durch die Wissenschaft) immer besser?

    Das glaube ich nicht. Das XX. Jahrhundert hätte das „Jahrhundert der Vernunft“ werden sollen – wurde es aber nicht. Wissenschaftler – und nicht nur sie – machen oft den Fehler, abgesichertes Wissen in einem Bereich auf unberechtigte Weise auf andere Bereiche des Lebens zu übertragen. Wer sich einbildet, wir wüssten heute viel mehr über das Leben als etwa Platon, der betrügt sich – und auch Andere.

  • Was wünschen Sie sich von der Universität Klagenfurt für die nächsten 50 Jahre?

    Mehr Freiheit für die Forschung, weniger Bürokratie und weniger formale „Szientometrie“. Die Qualität der Wissenschaft kann man nicht messen und quantifizieren – dann wird sie eben Quantität und nicht Qualität. Die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sich ausschließlich der Wahrheit – und nicht Google Scholar – verpflichtet fühlen. Und ansonsten wünsche ich der Universität Klagenfurt alles Gute.

Hans-Joachim Bodenhöfer | Foto: aau/Gerhard Maurer

Hans-Joachim Bodenhöfer
emeritierter Universitätsprofessor am Institut für Volkswirtschaftslehre
von 1983 bis 1987 Rektor der Universität

  • Warum sind Sie Wissenschaftler geworden?

    Es war das Vorbild einzelner Hochschullehrer an meinen Studienorten Tübingen, Frankfurt/Main, Berlin, Chicago, das den Wunsch geweckt und verstärkt hat: Wie sie danach trachten, die Welt der Ökonomie besser zu verstehen, Studierenden die Faszination dieser Welt zu vermitteln und den Freiraum des Lebens an der Universität
    als Privileg und Verpflichtung zu verstehen.

  • Würden Sie das auch heute noch werden wollen?

    Die Welt der Universitäten heute ist eine gänzlich andere als in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts; aber in Summe wohl nicht weniger attraktiv für junge Menschen, die in diesem Biotop leben und arbeiten wollen. Mehr Chancen für viele bedeutet mehr Konkurrenz für alle, aber mehr Konkurrenz befördert nicht nur das Geschäft in der Unternehmenswelt,sondern auch die Wissenschaft.

  • Warum glauben Sie, wird die Welt (durch die Wissenschaft) immer besser?

    Vielleicht glauben manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Welt durch die Wissenschaft immer besser werde. Sicher ist nur: Sie verändert sich, die Antworten der Wissenschaft werfen neue Fragen auf, Chancen und Risiken werden, gerade auch durch die Wissenschaft, größer und vielfach bedrohlicher. Umso wichtiger wird, die Entwicklung durch Moral und Ethik einzuhegen.

  • Was wünschen Sie sich von der Universität Klagenfurt für die nächsten 50 Jahre?

    Ein holpriger Beginn wurde in den letzten Jahrzehnten durch eine dynamische Entwicklung der Universität abgelöst – quantitativ, gemessen an den üblichen Kennzahlen, und qualitativ, über bibliometrische Kennzahlen hinaus. Eine engere Verbindung mit der Fachhochschule Kärnten könnte in beiden Dimensionen erhebliche Fortschritte bringen und eine neue Dynamik auslösen.

Marina Fischer-Kowalsky | Foto: Marianne Weiss Photography

Marina Fischer-Kowalski
emeritierte Universitätsprofessorin für Soziale Ökologie an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung

  • Warum sind Sie Wissenschaftlerin geworden?

    Aus Lust am klaren Denken; und um unserer Gesellschaft zu beweisen, dass sie wesentlich besser sein könnte; wahrscheinlich auch aus purer Rechthaberei.

  • Würden Sie das auch heute noch werden wollen?

    Unbedingt, aber ich vermute, dass mein Weg heute weniger lustvoll wäre: weniger Aufbruchsstimmung und Freiheit, mehr Konkurrenzzwänge, weniger Möglichkeiten, durch Einfallsreichtum und interdisziplinäre Zusammenarbeit neue Wege zu erschließen.

  • Warum glauben Sie, wird die Welt (durch die Wissenschaft) immer besser?

    Ich glaube, heute brauchen wir viel „Mut und Verstand“, um zu verhindern, dass die Welt wesentlich schlechter wird, unbewohnbar in Zukunft, vielleicht.

  • Was wünschen Sie der Universität Klagenfurt für die nächsten 50 Jahre?

    Ich wünsche der Universität Klagenfurt, dass sie zu der Rolle zurückfindet, die sie ursprünglich in der österreichischen Universitätslandschaft einnahm: ein wenig anders, unangepasst und manchmal aufmüpfig, offen für originelle Neuerungen und sehr studentenfreundlich. Was sie meiden soll: Seilschaften, Provinzialität und allzu große Geschäftstüchtigkeit.

Willibald Dörfler | Foto: aau/photo riccio

Willibald Dörfler
emeritierter Universitätsprofessor am Institut für Mathematik
von 1993 bis 1999 Rektor der Universität

  • Warum sind Sie Wissenschaftler geworden?

    Abgesehen von glücklichen Umständen wie eine freie Assistentenstelle waren es einerseits die Faszination für das Fach, also die Mathematik, und andererseits der relative Freiraum in der wissenschaftlichen Arbeit, die meine Entscheidung wesentlich mitbestimmt haben. Dem stand ebenso positiv, aber als Herausforderung, die große Eigenverantwortung für die Inhalte und die Orientierung der Forschungsarbeit gegenüber.

  • Würden Sie das auch heute noch werden wollen?

    Obwohl sich die Bedingungen der wissenschaftlichen Arbeit gravierend verändert haben, würde ich mich heute wieder grundsätzlich für eine Arbeit in der Forschung entscheiden, und zwar aus denselben Gründen. Es gibt derzeit mehr Organisationsformen und Finanzierungsweisen als früher, wenn auch die Universität den besten Rahmen für Forschung bietet durch eine gute Balance zwischen Freiraum und Vorgaben.

  • Warum glauben Sie, wird die Welt (durch die Wissenschaft) immer besser?

    Durch Wissenschaft wird die Welt jedenfalls anders. Einerseits gibt es den technologischen Fortschritt (etwa in der Medizin), andererseits gibt es trotz verheerender Rückfälle eine progressive Befreiung vom Aberglauben. Woran es aber mangelt, sind die effektive Umsetzung und die politische Wirkung von Wissenschaft, die zu oft zu selbstbezogen ist. Das Vertrauen in die Wissenschaft kann nur durch sie selbst gestärkt werden.

  • Was wünschen Sie sich von der Universität Klagenfurt für die nächsten 50 Jahre?

    Innovatorische Leistung erfordert oft auch die Bekämpfung von Vorurteilen und Egoismen. Von der Universität erwarte ich mir intensivierte Forschung zur Verbesserung unserer materiellen und ideellen Lebensgrundlagen. Dazu ist aber ein viel mutigeres öffentliches Eintreten für solche Ziele aus allen Bereichen erforderlich: Wer nicht redet, kann nicht gehört werden!

Helga Rabenstein-Moser | Foto: aau/Krömer

Helga Rabenstein-Moser
pensionierte Professorin am Institut für Romanistik und war von 1999 bis 2003 Vizerektorin für Internationales

  • Warum sind Sie Wissenschaftlerin geworden?

    Aus Zufall. Einem glücklichen.

  • Würden Sie das auch heute noch werden wollen?

    Unbedingt.

  • Warum glauben Sie, wird die Welt (durch die Wissenschaft) immer besser?

    Wird sie immer besser? Durch welche Wissenschaft? Wenn die Wissenschaft – ganz allgemein – dazu beitragen kann, die Welt besser zu machen, dann nur, wenn sie nicht „gekauft“, sondern unabhängig und gesellschaftskritisch ist, und nicht allein ökonomische Kriterien ihren Wert bestimmen.

  • Was wünschen Sie sich von der Universität Klagenfurt für die nächsten 50 Jahre?

    Ich wünsche ihr selbstbewusste, weltoffene und engagierte Studierende, die am Ende ihres Studiums stolz darauf sein können, ihren Abschluss gerade an dieser Universität gemacht zu haben. Dazu braucht es beste Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die in ihrem jeweiligen Fach mit Leidenschaft forschen und als Lehrende ihr Wissen mit ebenso viel Leidenschaft – und Talent – weitergeben.

für ad astra: Lydia Krömer