Wie geht qualitatives Unternehmenswachstum?

Qualitatives Unternehmenswachstum: eine neue Herangehensweise an traditionelle Wachstumsstrategien

Unter Wachstum versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch, dass etwas größer wird, mehr wird. Die meisten Modelle zum Unternehmenswachstum unterstellen ein Umsatzwachstum, es geht vornehmlich um ein quantitatives „Mehr“, eine weitere Filialeröffnung, eine
Erhöhung der Zahl der Mitarbeitenden. Gernot Mödritscher (außerordentlicher Professor am Institut für Unternehmensführung) und sein Team haben sich die Frage gestellt, ob diese Betrachtungsweise denn tatsächlich ein Paradigma sein muss oder ob man als Unternehmen nicht auch schlichtweg in der Qualität dessen, was man tut, wachsen kann. Auch Qualitätswachstum kann schlussendlich quantitatives Wachstum in Gang setzen. Aber im Gegensatz zu traditionellen Wachstumsstrategien steht dies nicht im Fokus des Handelns, der Fokus ist Qualität.

Das Ende des traditionellen, quantitativen Wachstums
Das Thema Wachstum sieht sich seit geraumer Zeit zunehmender Kritik ausgesetzt, da traditionell interpretiertes Wachstum an sichtbare ökologische und soziale Grenzen stößt. Die Vorstellung noch höherer Ressourcenverbräuche und die negativen Begleiteffekte von Großkonzernen schrecken Menschen zunehmend ab. Gernot Mödritscher und sein Team wählten deshalb ganz bewusst einen neuen Zugang: Nicht das „Mehr“, sondern das „Besser“ steht im Fokus der Bemühungen des qualitativen Unternehmenswachstums.

Die Wachstumspyramide: Das können Unternehmen tun, um qualitativ zu wachsen.
Unternehmen können sich in ihrem Handeln an der so genannten Wachstumspyramide orientieren, die im Zuge des Projekts entwickelt wurde. Produkt- und Dienstleistungsqualität spielen eine zentrale Rolle, im Fokus der Bemühungen steht eine bessere Leistung für die Kundin. Ziel ist es, dass der Kunde das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens schlussendlich als höherwertig einschätzt, dies kann sehr individuelle Komponenten beinhalten. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Prozessqualität. Hier gibt es viele Instrumente, die man zu einer Erhöhung und Sicherung der Prozessqualität einsetzen kann. Auch die Arbeitsqualität ist ein wesentlicher Aspekt: Wie qualitätsvoll erledigen die Mitarbeitenden die Pflichten in ihrem direkten Arbeitsumfeld? Auch die Rolle der Partner ist eine ganz wesentliche: Möchte sich ein Unternehmen als qualitätsführend positionieren, dann müssen dies auch die Partner tun. Die Gestaltung und Auswahl der Partner ist wichtig. Sie sollten ein ähnliches Qualitätsverständnis haben. Auch beim Thema Nachhaltigkeit mit seinen unterschiedlichen Dimensionen gibt es viele Optionen, um die Qualität zu erhöhen.

Führungsqualität muss spitze sein
Die Basis für jegliche Qualitätsoffensive ist jedoch die Führung des Unternehmens. Im Rahmen des Projekts wurden Führungskräfte interviewt. Alle hatten sehr genaue Vorstellungen von Qualität und waren bereit, sich jeden Tag aufs Neue dafür einzusetzen. Es sind die Führungskräfte, die qualitatives Wachstum im Unternehmen treiben und anstoßen. Gernot Mödritscher und sein Team haben Muster identifiziert, so genannte Trigger Points, die zu qualitativem Wachstum führen. Trigger Points waren in jedem Fall Führungsentscheidungen. Weniger wichtig war, ob diese Entscheidungen aus eigenem Antrieb oder aufgrund von äußeren Einflüssen angestoßen wurden. Eine weitere wesentliche Erkenntnis war, dass Führungskräfte mit einem hohen Qualitätsbewusstsein sehr stark systemgestaltend arbeiten, Prozesse definieren, Kundenkontakt suchen und die Produktentwicklung beeinflussen. Sie versuchen sehr konsequent, eine qualitätsorientierte Kultur im Unternehmen zu schaffen.

Erfolgreiche Führungskräfte können delegieren und übertragen ihre Qualitätsphilosophien auf die Mitarbeitenden. Wenn das qualitative zu quantitativem Wachstum wird, bauen sie frühzeitig eine mittlere Führungsebene oder bestimmte Strukturen auf, bei denen sie sich sicher sein können, dass ihre Qualitätsphilosophie auch tatsächlich umgesetzt wird. Dazu gehört auch ein sehr freiheitsschenkender, fast demokratischer Führungsstil. Unternehmen, die bewusst qualitativ wachsen, haben eine sehr spezifische Führungskultur. Die wesentlichen Elemente dabei sind Freiräume, Mut, eine positive Fehlerkultur und Rückendeckung durch die Führung.

Qualitative Entwicklung erfolgt meist in Entwicklungssprüngen
In den meisten Unternehmen erfolgt die Qualitätsentwicklung nicht kontinuierlich. Es gibt so genannte Qualitätssprünge, dazwischen ist aber immer wieder ein gewisses Plateau der Konsolidierung notwendig. Eine Ausgewogenheit zwischen Strukturstabilität und Phasen der Veränderung ist wichtig und ein wesentliches Gestaltungsinstrument der Führungsebene. Die Entwicklungssprünge, so genannte Entrepreneurial Leaps, sind sehr stark durch Management-Entscheidungen getrieben.

Notwendige politische Rahmenbedingungen für qualitatives Wachstum
Gesetzliche Rahmenbedingungen sind ein wesentlicher Aspekt: Wie leicht oder wie schwer fällt es zum Beispiel, bestimmte Investitionen zu tätigen, bestimmte Bauvorhaben umzusetzen? Im Projekt werden mehrere Felder aufgezeigt, wie verbesserte politische Rahmenbedingungen für Unternehmen geschaffen werden können. Wesentlich sind dabei wiederum die Entrepreneurial Leaps, die durch Politik und Förderstellen begleitet und unterstützt werden können. Ansätze dazu gibt es schon. Die Förderlandschaft bewegt sich seit einiger Zeit weg von reiner Infrastrukturförderung hin zu Entwicklungsprogrammen, in denen man ganz bewusst Know-how-Entwicklung und Führungskompetenzen stärkt. Der Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds KWF hat mittlerweile ein ausgereiftes Aus- und Weiterbildungsprogramm etabliert. Unternehmen werden über eine längere Zeit mit Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch beratend begleitet.

So können Unternehmen von den Projektergebnissen profitieren
Inzwischen wurde eine Webseite aufgebaut, auf der sich Unternehmen eine umfangreiche Toolbox mit Instrumenten herunterladen können. Zuletzt fand ein Impuls-Q-Forum statt, ebenso ein zweitägiges Seminar für interessierte Unternehmen. Geplant ist nun ein gezieltes Angebot an Seminaren beziehungsweise ein Coach-the-Coaches-Programm, in dem Unternehmensberater auf die erarbeiteten Tools geschult werden.

für ad astra: Annegret Landes

Zum Projekt

Im Rahmen des Projektes IMPULS-Q wurden klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) aus den drei Branchen Hotellerie, intelligente Informations- und Produktionstechnologien und Holzverarbeitung recherchiert. 26 Good-Practice-Unternehmen aus Österreich, Deutschland und Italien standen schließlich in qualitativen Interviews Rede und Antwort zu einem zuvor ausgearbeiteten Interview-Leitfaden. Mit jedem Unternehmen fanden sowohl Gespräche mit den Geschäftsführer/n als auch mit weiteren Mitarbeitern (z. B. Qualitätsmanager) statt.

Sternad, D., Mödritscher, G. (2018). Qualitatives Wachstum. Der Weg zu nachhaltigem Unternehmenserfolg. Heidelberg: Springer.